Die wirtschaftliche Dominanz scheint ohnehin ungebrochen. So wird in Deutschland über Fachkräftemangel diskutiert, während in Spanien, Griechenland und Portugal die Arbeitslosenraten über 15,0% verharren. Die Industrieproduktion hat in Deutschland wenigstens wieder das Vorkrisenniveau erreicht. In Südeuropa liegt sie immer noch 20% bis 30% unter den Höchstständen von 2007 bzw. 2008. Auch bei der Bankkreditvergabe klaffen große Unterschiede: Im Norden werden händeringend Kreditnehmer gesucht, in Südeuropa sind die Banken weiterhin um Risikoabbau bemüht. Dominieren in der Währungsunion unverändert die Fliehkräfte?
Spürbare Erholung in der Peripherie
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit haben sich die Verhältnisse bei den Konjunkturdaten zuletzt umgekehrt. So sind etwa Italien (54,2 Punkte) und Spanien (55,2) im Composite-Einkaufsmanagerindex an Deutschland (54,0) vorbeigezogen. Aber auch in den realwirtschaftliche Daten tut sich etwas. Einer der augenfälligsten Krisenindikatoren der vergangenen Jahre waren die Pkw-Verkäufe – schließlich wird an teuren Anschaffungen zuerst gespart. Um bis zu 80% ist der Autoabsatz in Südeuropa eingebrochen. In den vergangenen Quartalen ist indes eine deutliche Erholung spürbar: Zum Ende des 2. Quartals 2014 lagen die Pkw-Neuzulassungen in Spanien, Portugal und Griechenland um 20% bis 40% über dem Vorjahresniveau.
Spanische Bauwirtschaft mit Lebenszeichen
Ein weiteres Beispiel ist die Industrieproduktion, die in Spanien, Portugal und Griechenland seit Mitte 2013 in einen Aufwärtstrend eingeschwenkt ist. Selbst die spanische Bauwirtschaft gibt nach Jahren des Niedergangs Lebenszeichen von sich. Mehr noch, die Chancen stehen gut, dass sich die Belebung in der Peripherie in den nächsten Quartalen fortsetzt. Der Gegenwind von der Fiskalpolitik nimmt weiter ab und die neu beschlossenen Maßnahmen der EZB kommen insbesondere den südeuropäischen Banken zugute.
Deutschland: Stimmung trübt sich ein
In Deutschland hat sich die Konjunktur unterdessen in den vergangenen Monaten erheblich eingetrübt. Wuchs das BIP im 1. Quartal noch mit über 3,0%, (annualisiert) dürfte im 2. Quartal nur knapp die Nulllinie überschritten worden sein. Offensichtlich hatten die Ukrainekrise und die gebremste Wachstumsdynamik in den Schwellenländern stärkere Spuren hinterlassen als gedacht.
Fazit
Die negativen deutschen Wirtschaftsdaten und die geopolitische Verunsicherung sind es auch, die derzeit die öffentliche Wahrnehmung bestimmen – die konjunkturellen Hoffnungszeichen in der Peripherie treten dagegen in den Hintergrund. Deutsche Bundesanleihen haben in Anbetracht dessen zu einem neuen Höhenflug angesetzt, während Risikoassets unter Druck gerieten.
Wir gehen indessen davon aus, dass sich das außenwirtschaftliche Umfeld in den nächsten Monaten erholt. Dies und die neuen geldpolitischen Impulse der EZB – die notfalls noch »getunt« werden – dürften den deutschen Konjunkturmotor wieder zum Laufen bringen.
Das Zeitfenster für weitere Renditerückgänge bei Bunds schließt sich damit. Parallel wird sich das Umfeld zwar auch für die übrigen Anleihenmärkte eintrüben – allerdings nicht so stark. Mithin sollten die Spreads der Peripherie-Staatsanleihen ihren Einengungstrend unter Schwankungen fortsetzen.
Dr. Daniel Hartmann
Senior Analyst Economics
BANTLEON
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