Ich fürchte, die widersprüchliche Konstellation der Fundamentalfaktoren wird sich nicht so schnell auflösen. Vielleicht wird der Gesamteffekt einen Tick negativer.
Konjunktur und Geopolitik werden, so wie es aussieht, auf absehbare Zeit nicht besser. Bei der Geldpolitik wird die EZB zwar noch zulegen. Es besteht aber die Gefahr, dass die positive Wirkung abnimmt, wenn sich die Märkte daran gewöhnen. Hinzu kommt, dass die Zahl der Kritiker der EZB steigt (vor allem in Deutschland). Auch das wirkt nicht unbedingt beruhigend.
Die US-Konjunktur bleibt zwar weiter unter Dampf. Allerdings fehlen der amerikanischen Wirtschaft die Impulse vom Ausland. Der stärkere Dollar belastet. Hinzu kommt der Gegenwind von der Geldpolitik. Die Federal Reserve wird 2015 die Zinsen erhöhen. Das belastet nicht nur die USA. Es erschwert auch die Arbeit der EZB. Vermutlich am schlimmsten: Es könnte zu einer Umkehr der internationalen Kapitalströme führen. An den Märkten geht die Angst um, dass es dann zu einer neuen Emerging Markets Krise kommt.
Die Schlussfolgerungen für den Anleger
Das Positive: Einen Absturz der Aktienmärkte wie in den Jahren 2000 oder 2008 wird es im nächsten Jahr nicht geben. Dazu ist die Liquidität zu hoch. Die Zinsen sind so niedrig, dass sie andere Anlagen als Aktien unattraktiv machen. Die Konjunktur ist nicht so schlecht. Die Situation ist ganz anders als in früheren Umschwüngen. Ein größerer Unfall kann nur passieren, wenn etwas ganz Dramatisches geschieht, was niemand auf der Rechnung hat.
Das Negative: Die Hausse der letzten Jahre ist vorbei. Die Unsicherheit und die Schwankungen werden eher noch größer werden. Die Indizes werden daher nicht generell steigen, sondern sich tendenziell seitwärts bewegen. Das ist das sogenannte „Range-Trading“. Siehe die Graphik. Dabei können durchaus zeitweise neue Höchststände des Index erreicht werden. Andererseits: Range-Trading kann es nicht ewig geben. Irgendwann brechen die Kurse nach oben oder nach unten aus. Wenn man an all die Probleme in der Welt denkt, dann erscheint ein Ausbruch nach unten im Augenblick wahrscheinlicher. Im August 2011 sind die Kurse einmal um 25% gefallen. Da braucht der Anleger schon starke Nerven.
Die bisher so erfolgreiche „buy and hold-Strategie“ am Aktienmarkt bringt unter solchen Umständen nicht mehr viel. Anleger sollten sich die Märkte vielmehr genauer anschauen und bereit sein, häufiger auch einmal Gewinne mitzunehmen, die angefallen sind. Aktiv gemanagte Fonds werden eine Renaissance erleben, vor allem solche, die einen Risikopuffer haben. Zyklische Werte sollte man angesichts der schlechteren Konjunktur meiden. Der Schwerpunkt des Portfolios sollte auf Unternehmen liegen, die ertragsstark und solide finanziert sind und deren Kurse nicht so stark schwanken. Ich hatte in früheren Kommentaren schon darauf hingewiesen, dass darüberhinaus eine Diversifikation der Anlagen sinnvoll sein kann (insbesondere in den Dollarraum, wo man nicht nur von starken Aktien, sondern auch von positiven Wechselkursveränderungen profitieren kann).
Dr. Martin Hüfner
Volkswirtschaftlicher Berater
direktanlage.at / Assenagon Asset Management
Gastkommentare werden von anerkannten Experten verfasst, deren Meinungen nicht mit jener der e-fundresearch.com Redaktion übereinstimmen müssen.