Um die künftigen Herausforderungen zu meistern, sei vor allem eine wesentlich größere politische Integration in der Eurozone erforderlich – diese werde jedoch in einem eher mäßigen Tempo vollzogen werden, nicht zuletzt deshalb, weil die Anti-Eurokräfte im politischen Spektrum vieler Länder an Bedeutung gewonnen haben, so Heise. Aber die aktuelle Situation könne auch eine Chance für eine Stärkung der stabilitätsorientierten Politik in Europa sein. Die Krise habe gezeigt, dass ein Bail-out nur unter sehr strikten Bedingungen möglich ist. Die hiervon ausgehende Disziplinierungswirkung sei nicht zu unterschätzen. Heise: „Eine klare Positionierung in Krisen ist unbedingt erforderlich. Das Resultat der Verhandlungen wird Europa nicht spalten. Im Gegenteil, eine bedingungslose Schuldenübernahme wäre für viele Länder in Europa nicht akzeptabel gewesen.“
Konjunkturausblick in Europa: Positivere Signale deuten auf Aufwärtstrend hin
Volkswirtschaftlichen Prognosen zufolge ist eine Aufhellung in Sicht: Nach einem Wirtschaftswachstum innerhalb der Eurozone von 0,9 Prozent im vergangenen Jahr erwarten die Allianz Experten für 2015 einen moderaten Anstieg des EWU-BIP, und zwar auf 1,5 Prozent. Dafür sprechen unter anderem erhöhte Wettbewerbsfähigkeit und gesunkene Risikoprämien in den Peripherieländern, zudem gewinnt das EWU-Wirtschaftswachstum geografisch an Ausgewogenheit. Hinzu kommt, dass der niedrige Ölpreis und die Euro-Abwertung positiv belebend wirken, ebenso der private Konsum. „Die wirtschaftliche Erholung gewinnt an Breite“, erklärte Heise. Das Hauptrisiko für die wirtschaftliche Entwicklung ist derzeit ein Grexit. Daneben bestehen noch schwer kalkulierbare geopolitische Unsicherheiten wie die Ukraine. Weiters müssen auch die Risiken eines möglichen „hard landings“ in China, eines schneller als erwarteten Ausstiegs der Notenbanken aus der ultralockeren Geldpolitik und eines plötzlichen Anstiegs des Ölpreises im Auge behalten werden.
Grexit-Szenario: Drachme wäre keine Hilfe für Griechenland, neues Reformpaket notwendig
Im Jahr 2014 war Griechenland vorübergehend erfolgreich an den Kapitalmarkt zurückgekehrt, die Arbeitslosigkeit ging zumindest langsam zurück, und die Wirtschaft wuchs nach sechs Jahren Rezession zum ersten Mal. Ein Austritt aus der Währungsunion wäre mit erheblichen Risiken verbunden: Neben konjunkturellen Bremseffekten und vorübergehenden Rückschlägen an den Finanzmärkten würden vor allem Steuerzahler in den Geberländern belastet, da Griechenland die Hilfskredite in Höhe von 240 Milliarden Euro wohl nicht vollständig zurückzahlen könnte. „Für Griechenland wäre eine Rückkehr zur Drachme nicht die erhoffte Befreiung, sondern ein wirtschaftliches Desaster“, erklärte Heise. Eine Staatsinsolvenz und ein Ausscheiden aus dem Euro würden der Bevölkerung Griechenlands abermals enorme Opfer abverlangen. Es wären Wertverluste an den Anlagemärkten zu erwarten, und die neue Währung würde rasch an Wert verlieren. Dadurch würde die Kaufkraft der Griechen stark sinken, ihr Sparvermögen würde entwertet. Die Verteuerung der Importe würde zu hohen Inflationsraten führen, und Investoren würden Griechenland wohl auf Jahre hinaus kaum einen Zugang zum Kapitalmarkt gewähren. Erst nach einiger Zeit würde sich die griechische Wirtschaft wieder aufrappeln und dank einer schwachen Währung mehr exportieren.
Ein Austritt Griechenlands aus der Eurozone kann vermieden werden, Voraussetzung dafür ist allerdings ein politischer Einigungswille – insbesondere auf Seiten Griechenlands. „Der langfristige Erfolg Griechenlands hängt letztlich nicht von der Währung, sondern von der Reform und Modernisierung des Wirtschaftssystems ab“, so Heise. Eine nachhaltige Vereinbarung zwischen den Kreditgebern und der jetzigen griechischen Regierung dürfte sich in jedem Fall schwierig gestalten – auf Seiten der Kreditgeber ist die Skepsis groß, dass die griechische Regierung ein Reformprogramm umsetzen wird.
Sparer zahlen die Zeche der Niedrigzinspolitik
Abseits der Entwicklungen in Griechenland hat die Verschärfung der Niedrigzinspolitik der EZB im heurigen Jahr zu einer stärkeren Verschiebung der Kapitalströme in risikobehaftete Assets geführt. Die Niedrigzinspolitik führt auch zu einer Belastung der Sparer – ebenso ist hierzulande die Entwicklung des individuellen Vermögens und des Wohlstands durch niedrige Verzinsung, eine niedrige Sparquote und Fehlallokation der finanziellen Werte langfristig mehrfach beeinträchtigt, wie auch Zahlen der OeNB zeigen: Die Sparquote hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren von 14,6 Prozent im Jahr 1995 auf 7,5 Prozent im Jahr 2014 fast halbiert. Vom gesamten Geldvermögen von 572,4 Milliarden Euro hatten österreichische Haushalte im Jahr 2014 41,7 Prozent des Geldvermögens auf täglich behebbaren oder gebundenen Sparbüchern oder „unter dem Kopfpolster“ gehalten. „Etwa jeder zweite gesparte Euro wird nicht rentabel investiert. Wer sein Geld nur auf Sparbüchern oder unter dem Kopfpolster parkt, verliert Geld – und betreibt ‚Armsparen‘ für Fortgeschrittene“, erklärt Martin Bruckner, Chief Investment Officer der Allianz Gruppe in Österreich.
Ausblick: Stabilitätsunion auf holprigem Weg
„Europa muss durch eine schwierige Zeit hindurch kommen, ein Auseinanderbrechen der Eurozone ist allerdings nicht zu erwarten“, erklärte Heise. Ansteckungsgefährdete Länder stehen heute deutlich stärker da als noch 2012: Die vergangenen drei Jahre wurden genutzt, um gefährliche Ungleichgewichte abzubauen und wichtige Strukturreformen umzusetzen. Zudem sind die europäischen Krisenmechanismen gestärkt und institutionelle Reformen vorgenommen worden, etwa durch die Einführung des Euro-Rettungsschirms ESM und die europäische Bankenunion mit einer gemeinsamen Bankenaufsicht. „Die EZB würde im Übrigen alles tun, um die Ansteckungsgefahr für andere Peripherieländer zu begrenzen“, so Heise. Es ist kaum zu erwarten, dass andere Länder einem ähnlichen politischen Kurs folgen wie Griechenland. Die Belastungen für die Menschen sind schon jetzt hoch, und würden durch einen Ausstieg aus der Eurozone noch zunehmen.
Grundsätzlich besteht die Notwendigkeit, eine wesentlich größere politische Integration durchzusetzen, wie Heise ausführt: „Es muss eine Institution geben, welche die Einhaltung der vielen neu geschaffenen Regeln sicherstellen kann. Bei Staaten hängt vieles von der Wirtschaftspolitik und dem zukünftigen Wachstum, sowie der Belastbarkeit der Steuerzahler ab. Es darf kein einfaches Verfahren geben, bei dem ein Anreiz für Staaten besteht, sich zu überschulden und sich dann via Schuldenschnitt zu erleichtern“, so Heise abschließend.