Einer der Gründe, warum Anleger schon bald mit einer Normalisierung der Geldpolitik durch die Zentralbanken rechnen sollten, ist die inzwischen wieder deutlich gestiegene Kreditvergabe der Banken. So sind die Ausreichungen der Kredithäuser aus den G7-Ländern an den Privatsektor in den sechs Monaten bis Juni mit einer Jahresrate von 4,6% gewachsen und damit so schnell wie seit 2008 nicht mehr. Die nachstehende Grafik macht das deutlich. Besonders ausgeprägt ist der Trend in den USA und in Kanada. Aber auch in den übrigen fünf der G7-Länder vergeben die Banken wieder mehr Kredite.
Wachsen kann eine Volkswirtschaft nur, wenn auch die Geldmenge wächst. Unter normalen Bedingungen ist die Bankenkreditvergabe die wichtigste Quelle der Geldschöpfung. Zwischen Ende 2008 und Ende 2014 trat die Kreditvergabe in den G7-Ländern jedoch auf der Stelle. Die Zentralbanken zwang das zu einer außergewöhnlich lockeren Geldpolitik, um ein adäquates Geldmengenwachstum sicherzustellen. Mit Erfolg, denn in den Jahren 2011-2014 wuchs die weiter gefasste Geldmenge M3 in den G7-Ländern im Schnitt um 4,1% pro Jahr. Sie stellte damit die Weichen für einen nachhaltigen, wenn auch unter der Trendrate liegenden weltweiten Wirtschaftsaufschwung und eine stabile "Kern“-Inflation.
Da die Bankenkreditvergabe inzwischen kein Hindernis mehr für weiteres Wachstum der Geldmenge M3 ist, müssen die Zentralbanken nun den Geldhahn drosseln. Andernfalls besteht die Gefahr, dass das monetäre Aggregat M3 zu schnell wächst und damit einem beschleunigten Preisauftrieb Vorschub leistet.
Seit vielen Jahren ist die Lücke zwischen Kreditvergabe und Geldmengenwachstum ein wichtiger Indikator für die Politik der Zentralbanken. So sinken die Zinsen in der Regel, wenn die Kreditvergabe langsamer wächst als die Geldmenge, während sie tendenziell steigen, wenn wieder mehr Kredite ausgereicht werden. Inzwischen hat das Kreditwachstum zum Wachstum der Geldmenge M3 aufgeschlossen und deutet damit einen Wendepunkt bei den Zinsen an.
Simon Ward, Henderson Global Investors