Neue Euro-Krise? "Es muss erst noch schlimmer kommen, bevor es besser wird"

"Lange Zeit hat die EZB versucht, die Strukturprobleme im Euroraum zu verschleiern – ohne Erfolg. Es scheint, dass die Eurozone und Japan den Kürzeren ziehen werden", zeigt sich William de Vries, Head of Core Fixed Income, Kempen Capital Management, in einem aktuellen e-fundresearch.com Gastkommentar skeptisch. Economics | 04.03.2016 11:01 Uhr
William de Vries, Head of Core Fixed Income, Kempen Capital Management / ©  Kempen Capital Management
William de Vries, Head of Core Fixed Income, Kempen Capital Management / © Kempen Capital Management
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"Mit der Euro-Krise verhält es sich wie mit einem feuchten Fleck an der Wand: Solange man die Ursache nicht bekämpft, sei es nun eine undichte Leitung oder ein Riss im Mauerwerk, gibt er keine Ruhe. Mario Draghi hat in den vergangenen Jahren versucht, die Krise mit viel dicker Tünche zu überstreichen, ohne dabei das eigentliche strukturelle Problem anzugehen. Doch jetzt bröckelt die Farbe, und der unansehnliche Fleck taucht abermals auf.

Erneut sind die Risse in der Eurozone in den letzten Monaten nach und nach sichtbar geworden. So werden die Abstände zwischen den Staatsanleihezinsen der verschiedenen Euro-Länder nun wieder größer. Das kann natürlich viele Ursachen haben, aber dass es sich hierbei um ein euroraumweites Phänomen handelt, ist nicht wegzudiskutieren. Trotz des Anleihekaufprogramms der EZB stellen wir eindeutig eine erhöhte Risikoaversion an den Kapitalmärkten der Eurozone fest. Die Geldpolitik scheint an ihre Grenzen gestoßen zu sein, und die EZB dürfte die Lage auf kurze Sicht nicht in den Griff bekommen.

Freilich kann die Hüterin des Euros eine Ausweitung des Anleihekaufprogramms beschließen, doch die eingesetzten geldpolitischen Instrumente verlieren zunehmend an Schlagkraft. Immer mehr Analysten argumentieren sogar, dass die Einführung eines negativen Einlagenzinses kontraproduktiv für das Wachstum der Kreditvergabe in Europa war. Der Strafzins hat einen unmittelbaren und lähmenden Effekt auf die Ertragskraft der Banken.

Die Erfolgsgeschichte der EZB-Geldpolitik unter Mario Draghi scheint zu Ende zu sein. Profitiert hat das Wachstum der Eurozone hauptsächlich von den Exporten, die wiederum durch den schwachen Euro begünstigt wurden. In diesem Zusammenhang sprach Klaas Knot, der Präsident der niederländischen Zentralbank, unlängst vom Euro als abgeleitetes Ziel der Geldpolitik. So betrachtet versagt die aktuelle Politik der EZB gerade. Seit Dezember hat der Euro um mehr als fünf Prozent zum US-Dollar und australischen Dollar und um rund zehn Prozent gegenüber dem Pfund Sterling, dem brasilianischen Real und dem südkoreanischen Won zugelegt. Nur der Wechselkurs des japanischen Yen ist in den vergangenen Monaten schneller gestiegen als der des Euro. Richtig, der Yen hat stark abgewertet, seit die Bank of Japan überraschend einen Negativzins im Rahmen ihrer Geldpolitik beschlossen hat. Auch sie wird wohl ihr geldpolitisches Ziel mit dieser Maßnahme nicht erreichen.

Lange Zeit hat die EZB versucht, die Strukturprobleme im Euroraum zu verschleiern – ohne Erfolg. Es scheint, dass die Eurozone und Japan den Kürzeren ziehen werden. Um alle Schwachstellen dauerhaft zu beseitigen, müssen die strukturellen Ursachen des Problems bekämpft werden. Doch offenbar ist der Leidensdruck noch nicht hoch genug. Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass Europa sich erst dann zu politischen Änderungen durchringen wird, wenn sich die Lage dramatisch verschlechtert. Es muss erst noch schlimmer kommen, bevor es besser wird. Der Beginn einer neuen Euro-Krise zeichnet sich ab." 

William de Vries
Head of Core Fixed Income
Kempen Capital Management


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