Gastkommentar: Der italienische Bankensektor steht unter Druck

Notleidende Kredite in Höhe von rund 360 Milliarden Euro? In einem aktuellen Gastkommentar nimmt Antonio Ruggeri, Portfolio Manager bei SYZ Asset Management, die brenzliche Lage des italienischen Bankensektors unter die Lupe: Economics | 20.07.2016 17:00 Uhr
Antonio Ruggeri, CFA, Portfolio Manager, SYZ Asset Management / ©  SYZ Asset Management
Antonio Ruggeri, CFA, Portfolio Manager, SYZ Asset Management / © SYZ Asset Management
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"Der italienische Bankensektor steht nach dem Votum für den Brexit unter starkem Druck. Monte dei Paschi di Siena (MPS), die älteste Bank Italiens, erhielt ein Warnschreiben von der Europäischen Zentralbank, in dem die Bank gebeten wurde, ihre notleidenden Kredite schneller abzubauen. Daraufhin richtete sich die Aufmerksamkeit der Anleger auf die notleidenden Kredite in den Bilanzen italienischer Banken, deren Volumen auf rund EUR 360 Milliarden geschätzt wird, von denen EUR 200 Milliarden als faule Kredite gelten.

Trotz der Einführung des Rettungsfonds Atlante im Januar, der notleidende Kredite kaufen und notleidende Banken rekapitalisieren soll, erhöhen die Märkte den Druck auf die Finanzinstitute, die Probleme aus dem Weg zu räumen.

Dies ist offensichtlich ein großes Problem sowohl für die Banken als auch die italienische Regierung. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass eine einmalige und endgültige Sanierung der Bank-Bilanzen stattfinden wird, wie durch eine von der Regierung finanzierte Bad Bank. Dies würde Geldmittel und politische Übereinkommen erfordern, die in kurzer Zeit schwer zu finden sind. Aufgrund des hohen Volumens an faulen Krediten und den momentanen politischen Unruhen würde eine kurzfristige Lösung schmerzhaft sein.

Es mag zwar in Frage gestellt werden, ob Italien die Zustimmung von Europa erhalten wird, um Bankinstitute direkt durch ein Bail-out zu unterstützen, es wird jedoch damit gerechnet, dass ein Bail-in bei einer italienischen Großbank Ängste auf andere italienische Kreditgeber übertragen würde.

Damit die Angst nicht über die Vernunft siegt, ist es wichtig, die Bilanz aus der aktuellen Situation des italienischen Bankensektors zu ziehen. Eine Möglichkeit hierzu ist der Stresstest der Bilanzen der Großbanken, um die Kapitallücke im Vergleich zu den aktuellen vorschriftlichen Anforderungen unter verschiedenen Szenarien zu berechnen.

Was die Zahlen aussagen

Zunächst liegt der Bruttobetrag an notleidenden Krediten der sechs größten italienischen Banken bei etwa EUR 230 Milliarden, der kleinere Anteil hiervon, auf den faule Kredite entfallen, liegt bei etwa EUR 130 Milliarden und, noch wichtiger, weist einen weitaus niedrigeren Buchwert von rund 40% des Bruttowerts oder von EUR 60 Milliarden auf. Dies ist nach wie vor ein extrem hoher Betrag, jedoch nur ein Viertel des ursprünglichen Betrags. Der Stresstest konzentriert sich auf diesen nicht abgedeckten Teil an faulen Krediten und vermutet folgendes:

  • einen Marktwert der faulen Kredite von 15 bis 20%
  • eine Zielrate von faulen Krediten/Insgesamt Kredite zwischen 0 und 5% (im Vergleich zu einem aktuellen Durchschnitt von 12%)
  • eine Zielabdeckung der verbliebenen notleidenden Kredite (mit höherer Wiedereinziehung) zwischen 35% und40%

Gemäß dieser Vermutung liegt die Kapitallücke zwischen EUR 8 und 25 Milliarden, was noch zu bewältigen ist, wenn man berücksichtigt, dass der Test eine einmalige Anpassung simuliert, wobei solch ein Plan über einen Zeitraum von mindestens 3 Jahren umgesetzt werden würde (gemäß Antrag der EZB für Monte Dei Paschi). Hinzu kommt, dass die Kapitallücke je nach Kreditgebern variiert, da die Letztgenannten sich auf wenige Titel konzentrieren (Monte und Unicredit), während die meisten Finanzinstitute über genügend Kapital verfügen, um eigens durchgeführte Anpassungen ihrer eigenen Bilanzen vorzunehmen.

Schließlich belaufen sich die Kosten für den Kauf der notleidenden Kredite auf EUR 15 bis 25 Milliarden, weshalb es zwingend erforderlich ist, dass der Umsetzung eines solchen Plans genügend Zeit gewährt wird und staatliche Maßnahmen inbegriffen sind. Inwiefern die italienische Regierung einbezogen wird, hängt von den Verhandlungen in Brüssel ab. Dies könnte den Verkaufspreis der notleidenden Kredite erhöhen und somit die Auswirkungen auf das Kapital der Banken vermindern, wenngleich die Kosten für die Käufer der notleidenden Kredite höher sein werden.

Aussicht

Ein mittelfristiger Plan würde in jedem Fall zusätzliches Privatkapital voraussetzen, sowohl für die Rekapitalisierungen als auch die Käufe von notleidenden Krediten. Es sollten auch Vereinbarungen über die Tilgung der Verluste über einen längeren Zeitraum inbegriffen sein. Daraufhin würde die Equity-Bewertung aufgrund der niedrigeren Rentabilität während einiger Jahre einen Schlag abbekommen, die Anleiheninhaber würden jedoch geschützt und das Finanzsystem insgesamt stabil bleiben."

Antonio Ruggeri, CFA, Portfolio Manager, SYZ Asset Management


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