Kürzlich gab Finanzdienstleister MSCI die Absicht bekannt, chinesische Inlandsaktien – sogenannte A-Aktien – erstmals in seine Indizes einzubeziehen. Dass sich der Indexanbieter so entschied, ist von großer Bedeutung für den riesigen chinesischen Markt, der sich noch nicht lange auf dem Radar der meisten ausländischen Anleger befindet. Auch für die Kapitalmarktreform in China ist die Aufnahme der A-Aktien in die MSCI-Indizes ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.
Besserer Zugang für internationale Anleger
Zugang zu Aktien chinesischer Unternehmen hatten Anleger bereits seit den frühen 1990er Jahren über Börsennotierungen außerhalb von China, vor allem in Hongkong. Der Inlandsmarkt für A-Aktien wurde jedoch weitgehend außer Acht gelassen, da sie für internationale Anleger kaum investierbar waren. Im Verlauf der vergangenen 15 Jahre wurde der Zugang ausländischer Anleger zum lokalen Markt für A-Aktien schrittweise erweitert. Alles begann im Jahr 2002, als China es einer Gruppe ausgewählter institutioneller Anleger ermöglichte, über das Programm für qualifizierte ausländische institutionelle Anleger (Qualified Foreign Institutional Investors) direkt in A-Aktien zu investieren. Seither wurde der Zugang immer mehr erleichtert. Die meisten Kapitalzuflüsse in den Markt für A-Aktien erfolgen nun über „Stock Connect“, eine bilaterale Verbindung der Börse Hongkong mit den Börsen in Shanghai und Shenzhen.
Der Aufstieg des Renminbi
Für die politischen Entscheidungsträger ist eine stärkere ausländische Beteiligung an auf Renminbi (RMB) lautenden Anlagen – in diesem Fall durch die Indexaufnahme – Teil des weitaus ambitionierteren Vorhabens, den Aufstieg des Renminbi zu einer wirklichen Weltwährung voranzutreiben. Um dieses Ziel zu erreichen, ging die Politik sowohl bei der allmählichen Liberalisierung der Zinsen im Inland als auch bei der stetigen Korrektur von Ungleichgewichten an den Kapitalmärkten äußerst methodisch vor. Damit ebnete sie den Weg für eine kontrollierte Lockerung der Kapitalbilanzkontrollen. Letztlich gilt: Mit zunehmender Breite und Tiefe des Universums zugänglicher investierbarer RMB-Produkte wie A-Aktien wird auch der Stern des Renminbi steigen.
Im August 2018 wird der Anteil der A-Aktien im MSCI Emerging Market Index etwa bei 0,73 Prozent liegen. Für einen Markt, auf den rund 21 Prozent des Weltumsatzes und etwa 10 Prozent der weltweiten Marktkapitalisierung entfallen, ist das sehr wenig. In Zukunft besteht daher reichlich Spielraum für eine weitaus größere Rolle im Index, obwohl eine deutliche Veränderung aller Wahrscheinlichkeit nach mit weiteren Marktreformen der chinesischen Aufsichtsbehörden einhergehen müsste. China wird somit gemessen an der Marktkapitalisierung nach den USA der zweitgrößte Aktienmarkt weltweit und größer als Deutschland und Großbritannien zusammen sein. In Anbetracht dieser Tatsache könnte es mit der Zeit dazu kommen, dass China – ähnlich wie derzeit Japan – deutlich stärker von länderspezifischen Fonds dominiert wird.
Gut für Aktien, aber äußerst selektiv
In der Vergangenheit förderten Ankündigungen einer Indexaufnahme eine Rally der Aktienkurse, da aktive Manager Aktien in der Erwartung kaufen, dass passivere Anleger es ihnen nachtun werden. Das jüngste Beispiel hierfür ist Pakistan: Nach der Ankündigung, das Land werde im folgenden Jahr aufgenommen, legten pakistanische Aktien in den folgenden sechs Monaten um fast 30 Prozent zu. Im Falle von A-Aktien dürfte die Wirkung auf den breiten Markt wegen der begrenzten Gewichtung im Verhältnis zu Marktliquidität und -größe geringer ausfallen. Auf Einzeltitelebene könnte es jedoch zu erheblichen Bewegungen kommen, da ein beträchtlicher Unterschied zwischen den Arten von Anlagen besteht, die Anleger aus dem In- und Ausland attraktiv finden. Bei chinesischen Anlegern handelt es sich vorwiegend um vermögende Privatpersonen, die gewöhnlich kleineren Unternehmen mit ausreichend Volatilität nachjagen, um rasch hohe Gewinne zu erzielen. Internationale Anleger hingegen bevorzugen eher Unternehmen mit höherer Marktkapitalisierung. Diese unterschiedlichen Präferenzen führen dazu, dass A-Aktien von Unternehmen mit geringerer Marktkapitalisierung häufig unverhältnismäßig teuer sind, das Large-Cap-Universum jedoch einige sehr überzeugende Anlagemöglichkeiten bietet, die von höheren Kapitalzuflüssen aus dem Ausland profitieren dürften.
Fazit
Letztendlich ist die Entscheidung von MSCI ein weiterer positiver Schritt in die richtige Richtung hinsichtlich der Kapitalmarktreform in China. Eine stärkere Beteiligung institutioneller Anleger am chinesischen Inlandsmarkt dürfte zu einer niedrigeren Volatilität der Renditen beitragen. Zudem wird sie den Druck auf die Unternehmen verstärken, ihre Corporate Governance zu verbessern. Nach unserem Dafürhalten wird die zukünftige Kapitalmarktreform in China weiterhin sowohl Risiken als auch Chancen für Unternehmen mit sich bringen. Sie wird eine zunehmende Kluft schaffen zwischen den Unternehmen, für die der Wandel eine Herausforderung darstellt, und anderen, die davon profitieren können.