"Außerhalb der USA haben wir das Wachstum zwar eher positiv gesehen, allerdings glaubten wir lange, dass das US-Wachstum tiefer als der Konsens ausfallen wird. Inzwischen hat sich die Konsens-Erwartung unserer angenähert. Wir gehen davon aus, dass sich das weltweite Wachstum weiter verlangsamt. Aber wichtiger noch, stellen wir eine Konvergenz zwischen dem Wachstums-Momentum in den USA und dem Rest der Welt fest.
Über die letzten sechs Monate hat die Welt (exkl. USA) erheblich von einem Wachstumsschub in China profitiert. Zuversichtlich über die Geschwindigkeit des heimischen Wachstums, haben die chinesischen Behörden eine Kampagne zur Eindämmung des Schattenbankensystems lanciert. Dies führte zu einer bedeutenden Verschärfung der Finanzierungs- und Kreditbedingungen – und wir glauben, dass diese in eine Wachstumsverlangsamung der Schwellenländermärkte münden wird. Tatsächlich ist die scharfe Korrektur der Metall- und Ölpreise über die letzten paar Monate ein Zeichen dafür, dass dieser Prozess bereits begonnen hat. Wir erwarten überdies eine Mässigung des Wachstums in der Eurozone.
Gegenüber den Ölpreisen sind wir angesichts des Tempos des Produktivitätswachstums im Sektor pessimistisch gestimmt. Denn die Ölmenge, die von einer Ölplattform produziert werden kann, wächst schnell, und der Markt unterschätzt dies weiterhin. Wir glauben, die USA wären locker in der Lage, jegliches Nachfragewachstum zu decken. Angesichts der erwarteten Wachstumsverlangsamung in China heisst dies, dass beim Ölpreis sowohl von der Angebots- als auch von der Nachfrageseite ein Preisdruck besteht.
Nach einem Run auf risikoreiche Anlagen, insbesondere in den Emerging Markets, hat die Stimmung umgeschlagen. Wegen der tiefen Arbeitslosigkeit in den USA beabsichtigt die Fed, den Straffungszyklus fortzusetzen – und wir glauben nicht, dass sie durch schwächeres Wachstum davon abgehalten wird. Die US-Zinskurve deutet auf eine günstige Entwicklung der Leitzinsen hin, was der Fed mehr als genug Raum bietet, den Markt mit einer aggressiveren Haltung zu überraschen. Dies, zusammen mit der Konvergenz des Wachstums in den USA und dem Rest der Welt, dürfte den US-Dollar stärken.
In den Schwellenländern sollte ein zusätzliches Augenmerk auf den Verlauf der Rohstoffpreise gelegt werden: Die Abschwächung der Preise über die letzten paar Monate hat die Währungen der Rohstoff-Länder etwas anfällig gemacht, und wir erwarten, dass die Rohstoffimporteure (Mittelosteuropa und Teile Asiens) die Produzenten outperformen werden. Die US-Zinskurve wird wahrscheinlich weiter abflachen. Denn wenn die Fed die Zinsen erhöht, wird das kurze Ende der Zinskurve den Fed-Kurs vermutlich adäquater spiegeln.
Mittlerweile ist davon auszugehen, dass schwächeres globales Wachstum und tiefe Inflation das längere Ende der Zinskurve stabil halten. Ausserdem erwarten wir, dass schwächere Schwellenländerwährungen die lokalen Zinsen in die Höhe treiben werden. Wo könnten wir falsch liegen? Die Liste ist lang, aber das Hauptrisiko ist, dass wir uns auf einen langweiligen Sommer hin bewegen. Mangels Fortschritten, wird die US-Handelsagenda kaum für Schlagzeilen sorgen und das Wachstum ausserhalb der USA besser bleiben als erwartet. In einem Umfeld, in dem das Geld bereits in Emerging Markets fliesst, wird dies Investoren vermutlich ermutigen, dort weiterhin nach Rendite zu suchen und die Bewertungen der Emerging Markets noch höher zu treiben."
Nikolaj Schmidt, Chief International Economist bei T. Rowe Price
Gastkommentare werden von anerkannten Experten verfasst, deren Meinungen nicht mit jener der e-fundresearch.com Redaktion übereinstimmen müssen.