Da immer weniger Menschen in den Arbeitsprozess eintreten, zugleich aber auch die Babyboomer nach wie vor viel zu früh in Pension gehen, ist es unvermeidlich, dass die Leistungskraft des staatlichen Pensionssystems stetig weiter zurückgehen wird. „Unsere Lebenserwartung steigt bisher um ca. zwei Jahre pro Jahrzehnt an. Alle 10 Jahre kommt es somit zu einer Ausweitung der Pensionsversicherungsleistungen um 20%. Ohne Anpassungen an das Pensionsantrittsalter müssten die Beiträge daher immer höher steigen“, verdeutlicht Prof. Dr. Axel Börsch-Supan, Direktor des Munich Center for the Economics of Aging am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik in München, die Problematik im Rahmen einer Pressekonferenz zum vierten Institutionellen Altersvorsorge- und Investorengipfel, in Wien, bei dem mehr als 120 in- und ausländische Experten aus den Bereichen Finanz und Wirtschaft, aus Pensions- und Vorsorgekassen, der EU, Kirchen, Stiftungen und Corporates etc. diskutieren, wie man die Altersvorsorge insgesamt auf ein stabileres Fundament stellen kann und welche Investitionsmöglichkeiten es dafür gibt.
Den tödlichen Mix schaffen wir selbst
Daher glauben viele, dass die Digitalisierung und Alterung einen tödlichen Mix darstellen. „Das Gegenteil ist aber der Fall. Die Digitalisierung hilft vielmehr makroökonomische Probleme zu lösen. Im Zuge des demographischen Wandels fällt die Zahl der jungen ArbeitnehmerInnen, während die Zahl der KonsumentInnen gleich bleibt oder sogar ansteigt. Diese Knappheit - vor allem junger Fachkräfte - kann durch die Digitalisierung aufgefangen werden, zumal die Arbeitskräfte dadurch zugleich produktiver werden, sodass der Mehrwert ihrer Arbeit auch die Sozialsysteme besser finanzieren können wird. Den tödlichen Mix schaffen wir selbst, indem viele nach wie vor sehr früh in Pension gehen, zum anderen wird noch immer wenig auf eine persönliche lebenslange Weiterbildung und Entwicklung gesetzt, um so auch am Arbeitsmarkt einsetzbar zu bleiben“, ist Börsch-Supan, der auch Mitglied in der von der deutschen Bundesregierung eingesetzten Rentenkommission ist, überzeugt. Wenn es jedoch nicht gelingt, Arbeitskräfte zur kontinuierlichen Weiterbildung zu motivieren und ein höheres Pensionsantrittsalter zu erzielen, werden die Pensionen, trotz digitalen Fortschritts, in der derzeitigen Höhe unfinanzierbar sein.
Die zweite Säule muss gestärkt werden
„Schon jetzt blickt die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung, in der Erwartung den eigenen Lebensstandard in der Pension nicht halten zu können, pessimistisch in die Zukunft“, so Mag. Martin Sardelic, Vorstandsvorsitzender der Valida Holding AG. 68 % der Männer und sogar 79 % der Frauen sind überzeugt, dass sie allein von der staatlichen Pension, im Alter, nicht gut werden leben können, verdeutlicht die von der Valida beauftragte Spectra Studie (2018) die Perspektive der ÖsterreicherInnen.
Das bekräftigt auch Mag. Thomas Wondrak, Geschäftsführer von konsequent-wondrak-betriebliche Altersvorsorge: „So lange in Österreich weiterhin 90 % der Pensionen von der staatlichen ersten Säule getragen werden, nur 4 % von der zweiten und 6 % von der dritten Säule, ist die Stabilität des Pensionssystems gefährdet. Im Vergleich dazu: in Frankreich beträgt das Verhältnis der drei Säulen 51:34:15, in den Niederlanden 50:40:10 und im Nachbarland Schweiz: 42:32:26.“ Es sei daher ein Muss, über die Finanzierung der Pensionen sachlich fundiert zu diskutieren und neue Wege aufzuzeigen, um auch in Österreich eine stabile Pensionszukunft zu sichern. Im KMU-Bereich und nicht zuletzt bei EPUs gilt es dafür zu sorgen, die betriebliche Altersvorsorge stärker zu etablieren. Immerhin arbeiten 90 % der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem kleinen oder mittleren Unternehmen.
„Betriebsrenten sind der effizientere Weg zu mehr Kapitaldeckung“, ist auch Prof. Dr. Börsch-Supan überzeugt, allerdings seien innovative Lösungen für Klein- und Mittelbetriebe, sowie aber auch für Geringverdiener gefordert. Denn die Vertriebs- und Administrativkosten seien teilweise sehr hoch. „Besonders Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinen Gehältern haben seltener Zugang zu einer bAV. Dabei wären Betriebspensionen gerade für diese Gruppe ein geeignetes und leistungsorientiertes Instrument, um die Gefahr von Altersarmut zu reduzieren. Angesichts der wachsenden Pensionslücke ist dies ein wichtiges Tool ergänzend zur ersten Säule. Die entsprechende Regelung in Deutschland sieht beispielsweise vor, dass bei monatlichen Einkommen bis zu EUR 2.200,- und bAV-Beiträgen zwischen EUR 240,- und EUR 480,- pro Jahr das Unternehmen wieder 30 % des Beitrages zurückerhält. Eine ähnliche Lösung wäre auch für die österreichischen Kleinverdienerinnen und Kleinverdiener wünschenswert“, so Wondrak. „Von den über 300.000 KMU in Österreich bieten nur 25 % ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Form der betrieblichen Altersvorsorge an, die Nutzungsrate ist daher jedenfalls ausbaufähig. Was es braucht, ist ein stärkeres Bewusstsein dafür, dass die bAV ein kostengünstiges und effizientes Vorsorgeinstrument für jeden ist und helfen kann, den Lebensstandard im Alter zu sichern“, ergänzt Sardelic.
Die Zukunft sollte man sich aussuchen dürfen
„Da die betriebliche und private Pensionsvorsorge in Österreich kaum bis gar nicht gefördert werden, lässt man den Österreicherinnen und Österreichern kaum Entscheidungs- bzw. Wahlfreiheit und gesteht ihnen damit auch keine größere Eigenständigkeit zu, obgleich die Leistungskraft der 1. Säule immer weiter zurückgeht, wie Mag. Gerald Loacker, Abgeordneter zum Nationalrat und Sozialsprecher der NEOS, beklagt. Eine starke betriebliche Altersvorsorge könne das kompensieren und einen wirksamen Schutz vor Altersarmut bieten, „aber bisher hat sich keine Regierung damit hervorgetan den Österreicherinnen und Österreichern mehr persönliche Autonomie zu ermöglichen“. Und Wondrak ergänzt: „Jeder Einzelne sollte ermächtigt werden, seine ganz persönliche Pensionszukunft planen zu können“.
„Ein internationaler Vergleich zeigt auch, dass immer mehr österreichische Pensionistinnen und Pensionisten arbeiten, um so zu kompensieren, was als betriebliche Altersvorsorge fehlt“, zeigt Loacker auf, der es auch hinterfragenswürdig findet, dass gerade staatsnahe Betriebe mehrheitlich eine baV anbieten, die Politik aber nichts dafür tut, damit diese auch der Mehrheit der ÖsterreicherInnen zugutekommt.
Wenig Risiko, gute Rendite
Einig war man sich, dass die betriebliche Altersvorsorge für ArbeitgeberInnen sowie auch für ArbeitnehmerInnen mit einem geringen Aufwand, bei geringem Risiko und hoher Stabilität, verbunden ist, da das in den Pensionskassen angesparte Kapital für die Unternehmen nicht antastbar ist. Die spätere Auszahlung der Zusatzpension an die ArbeitnehmerInnen erfolgt durch die Pensionskassen, die strengen Transparenzvorschriften unterworfen sind. Hingegen manch negativer medialer Berichterstattung verlief deren Performance, über die letzten 14 Jahre, mit durchschnittlich 5,2 Prozent p.a., tatsächlich sehr stabil.
Es ist die Politik daher dringend gefordert die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen, um durch eine kluge Pensionspolitik die Finanzierung auf nachhaltige Beine zu stellen, die zweite und dritte Säule zu fördern und dadurch Altersarmut zu vermeiden. Es ist aber auch jeder Einzelne gefordert seine lebenslange Weiterbildung ernst zu nehmen und den vorzeitigen Ruhestand nicht als erstrebenswert zu betrachten.