"Nach einem dramatischen und langjährigen politischen Kampf, der die Nation fast geteilt hätte, stimmte das britische Volk am 24. Juni 2016 dafür, die Europäische Union zu verlassen. Dieser Tag steht für den Anfang der turbulenten Brexit-Reise. Im Juli 2016 wurde Theresa May zur zweiten britischen Premierministerin gewählt. Sie erhielt den politischen Auftrag, mit der Europäischen Union zu verhandeln und den rechtlichen Prozess des Austritts aus der EU einzuleiten. Am 29. März 2017 wurde Artikel 50 offiziell geltend gemacht und stellte den Beginn einer zweijährigen Frist dar, nach deren Ablauf das Vereinigte Königreich offiziell seine Mitgliedschaft in der EU beenden würde. Nach monatelangen Verhandlungen haben sich die britischen Kabinetts- und EU-Verhandlungsführer auf einen Deal geeinigt, der den Weg für eine reibungslose Trennung ebnen sollte. Der Deal von Theresa May wurde jedoch nie vom britischen Parlament gebilligt. Letztendlich ist die Frist bis zum 31. Oktober 2019 verlängert worden. Da sie das Vereinigte Königreich nicht aus der EU führen konnte und auch die Unterstützung ihrer eigenen Partei verloren hatte, kündigte Theresa May am 24. Mai 2019 ihren Rücktritt als Premierministerin an. Zum jetzigen Zeitpunkt sieht es so aus, dass Brexit-Befürworter Boris Johnson ihren Posten übernehmen wird. In Anbetracht dieses politischen Dramas ist es interessant, sich anzusehen, was mit den britischen Märkten in diesem Zeitraum geschehen ist.
In erster Linie verlor das Pfund Sterling gegenüber den Währungen seiner wichtigsten Handelspartner stark an Wert. Nach einem Zehnjahres-Hoch von 0,70 Pfund pro Euro für die meiste Zeit im Jahr 2015 fiel der Wechselkurs schnell auf 0,85 Pfund pro Euro, kurz nachdem der Brexit verkündet wurde (Stand 06.07.2016). Seitdem wird die Währung in einer engen Bandbreite zwischen 0,85 Pfund pro Euro und 0,92 Pfund pro Euro gehandelt. Jedes Mal, wenn sich das politische Chaos verschärft, geht die Währung an das obere Ende dieser Spanne. Dasselbe gilt für die Parität zum US-Dollar. Das Pfund Sterling hatte einen Wert von 1,26 US-Dollar, was nicht weit entfernt von seinem historischen 40-Jahres-Tief war (Stand: 06.10.2019). Kurzfristig gesehen bleibt der Ausblick unklar. Dennoch muss man darauf gefasst sein, dass ein harter Brexit einen starken Einbruch des Pfund Sterlings zur Folge haben wird. Auf dem Aktienmarkt sieht es anders aus. Der FTSE 100, die wichtigste Aktienbenchmark Großbritanniens, liegt nahe an seinem Allzeithoch. Die Aktien exportorientierter britischer Unternehmen, die beispielsweise im Bereich natürlicher Ressourcen tätig sind, halten den Index oben, während Unternehmen mit inländischem Geschäftsbereich leiden. Britische Aktien werden nun auf der Grundlage eines der niedrigsten Kurs-Gewinn-Verhältnisse im Vergleich zu ihren wichtigsten entwickelten Wettbewerbern gehandelt und bieten eine der höchsten Dividendenrenditen. Dies könnte den Markt im Falle eines harten Brexits etwas unterstützen. Auf dem Zinsmarkt hat sich die Bank of England, hin und her gerissen zwischen der relativ starken Wirtschaft und der Entwicklung des Ausstiegsprozesses, neutral gegeben. Der UK 10 year GILT hat jedoch die beispiellose globale Rallye mitgemacht und erreichte Anfang Juni 2019 mit 0,81% sein Allzeittief."
Jean-François Jolivalt, Multi Asset Fund Manager, La Française AM
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Quelle: Bloomberg