Economics Forum | Coronavirus & Inflation

Wie wirken sich die beispiellosen geld- und fiskalpolitischen Coronavirus-Pakete der letzten Wochen auf die Entwicklung der Verbraucherpreisinflation aus? Sind Sorgen über einen abrupten Inflationsanstieg berechtigt oder ist viel eher mit einem Deflationsszenario zu rechnen? Im Rahmen der neuesten Ausgabe des "Economics Forum" hat e-fundresearch.com 16 Ökonomen & Strategen mit dieser Fragestellung konfrontiert. Economics | 30.04.2020 09:30 Uhr
© Unsplash & e-fundresearch.com
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Die Coronavirus-Krise stellt Volkswirtschaften vor beispiellose Herausforderungen: Innerhalb kürzester Zeit wurden auch im Euroraum über die EZB sowie auf nationalen Ebenen geld- beziehungsweise fiskalpolitische Maßnahmenpakete in durchaus beeindruckendem Umfang beschlossen. 

Doch wie wirken sich die beispiellosen geld- und fiskalpolitischen Coronavirus-Pakete der letzten Wochen auf die Entwicklung der Verbraucherpreisinflation aus? Sind Sorgen über einen abrupten Inflationsanstieg berechtigt oder ist viel eher mit einem Deflationsszenario zu rechnen? Um Investoren einen effizienten Überblick verschiedener Sichtweisen zu ermöglichen, hat e-fundresearch.com im Rahmen der neuesten "Economics Forum"-Ausgabe Ökonomen & Strategen aus der Asset Management Industrie mit folgender Fragestellung kontaktiert:

Economics Forum - Fragestellung des Monats: Mit Blick auf die Größe der geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen der letzten Wochen macht sich auch im Euroraum so mancher Marktteilnehmer Sorgen über einen (abrupten) Anstieg der Verbraucherpreisinflation. Sind diese Sorgen berechtigt oder werden es neuerlich vor allem wieder Vermögenspreise sein, die durch die Maßnahmenpakete Aufwind erhalten? Welche Faktoren behalten Sie in diesem Zusammenhang besonders genau im Fokus?

Alle erhaltenen Experten-Statements haben wir Ihnen in der nachfolgenden Zitatgalerie aufbereitet:

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Martin Moryson, Chefvolkswirt Europa, DWS
© Stefan Gröpper Photography, Frankfurt am Main

Martin Moryson, Chefvolkswirt Europa, DWS

Durch die Corona-Krise wird momentan die Nachfrage nach Gütern noch stärker beeinträchtigt als die Produktionskapazitäten. Daher gehen wir davon aus, dass die Krise kurz- und mittelfristig eher deflationär wirkt. Beispielhaft kann man dies am Ölpreis beobachten, dessen Rückgang in diesem Jahr allein schon für negative Inflationsraten sorgen sollte. Die zahl- und umfangreichen staatlichen Rettungsmaßnahmen haben derzeit überwiegend die Aufgabe, die Unternehmen, bei denen Corona-bedingt die Nachfrage weggefallen ist, finanziell am Leben zu halten. Dadurch werden die Produktionskapazitäten zwar erhalten. Doch diese Maßnahmen dienen eben nicht dazu, die Nachfrage zu stützen – schließlich sollen Restaurants, Kultureinrichtungen und ähnliches ja gerade nicht besucht werden. Tatsächlich dürften aber die Vermögenspreise aus zwei Gründen von den Maßnahmenpaketen profitieren. Zum einen würden zahlreiche Unternehmen ohne die Rettungsmaßnahmen die Krise gar nicht überleben. Insofern stützen die Maßnahmen unmittelbar Aktien und Unternehmensanleihen. Zum anderen zeichnet sich ab, dass die Verschuldung der Staaten, aber auch von Unternehmen und Haushalten, nach der Krise deutlich höher sein wird. Die Zentralbanken werden alles dafür tun (müssen), die Zinsen danach niedrig zu halten. Davon profitieren im Regelfall die Anleihe- und die Aktienmärkte, aber auch Immobilien.

Simon Ward, Chefvolkswirt, Janus Henderson Investors
© Janus Henderson Investors

Simon Ward, Chefvolkswirt, Janus Henderson Investors

Politische Entscheidungsträger haben in Reaktion auf einen beispiellosen wirtschaftlichen Schock beispiellose monetäre und fiskalische Stimulierungsmaßnahmen eingeleitet. Können wir beurteilen, ob die Stimuli übertrieben waren? Ja, anhand des Geldmengenwachstums. Im besten Fall bliebe dieses im mittleren einstelligen Bereich – das würde darauf hindeuten, dass die Politik gut ausbalanciert wurde, um den wirtschaftlichen Schaden zu minimieren und gleichzeitig einen mittelfristigen Anstieg der Inflation zu verhindern. Die ersten Anzeichen deuten jedoch auf eine starke monetäre Beschleunigung hin. Das jährliche Wachstum der weit gefassten Geldmenge in den USA stieg Anfang April auf 18%, den höchsten Wert seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Federal Reserve war zwar expansiver als die EZB, aber ein Anstieg des M3-Wachstums in der Eurozone auf 10% oder mehr ist dennoch plausibel. Die ersten Auswirkungen dieser Geldmengenausweitung wären wahrscheinlich harmlos: Überschüssige Liquidität würde eine kräftige wirtschaftliche Erholung bis 2021 unterstützen und gleichzeitig die Preise für Vermögenswerte in die Höhe treiben. Der Inflations-„Kater“ käme dann Ende 2021 oder später – Geldmengenveränderungen wirken sich typischerweise nach etwa zwei Jahren auf die Preise aus. Anleger sollten die monetären Daten genau beobachten und erwägen, ihr Engagement in zyklischen Werten und Inflationsabsicherungsgeschäften zu erhöhen, wenn sich der jüngste Aufschwung bestätigt und als nachhaltig erweist.

Ulrich Urbahn, Leiter Multi Asset Strategy and Research, Berenberg
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Ulrich Urbahn, Leiter Multi Asset Strategy and Research, Berenberg

Die Inflationserwartungen sind sowohl in Europa als auch in den USA eingebrochen. Der Coronavirus-Schock schädigt gleichzeitig Nachfrage und Angebot, mit sehr ungleichen Auswirkungen über die Sektoren hinweg. Da der Lockdown die normale Preisbildung stören werden, ist unklar, wie genau sich der Schock auf die kurzfristige Inflation auswirken wird. Kurzfristig erwarten wir jedoch auch disinflationäre Tendenzen, zu denen auch der stark gesunkene Ölpreis beitragen sollte. Für die nächsten Jahre scheint das Risiko eines Inflationsbooms, der von einem Anstieg des kreditfinanzierten Konsums oder einer Lohn-Preis-Spirale herrührt, gering zu sein. Wahrscheinlich wird sich die Kerninflation in den meisten großen Volkswirtschaften, ähnlich wie in den letzten Jahren, im Bereich von 1-2% bewegen. Die Vermögenspreise dürften in den nächsten Jahren weiter nach oben klettern. Davon dürften insbesondere Aktien, Hochzins- und Schwellenländeraktien profitieren. Einige der zusätzlichen fiskalischen Initiativen und Ausgaben dürften den Abschwung wahrscheinlich überdauern. Nach dem wahrscheinlichen Erfolg der gegenwärtigen fiskalischen Initiativen erwarten unsere Ökonomen in Zukunft mehr fiskalischen Aktivismus - d.h. mehr Staatsausgaben. In den letzten Phasen der Erholung, inmitten der anhaltenden Deglobalisierung des Warenhandels und eines weniger elastischen globalen Angebots, könnte die Finanzpolitik beginnen, die Inflation zu schüren. Die Kerninflation könnte sich dann in Richtung, 2,5-3,0% bewegen. Eine Hyperinflation erwarten wir nicht.

Esty Dwek, Head of Global Market Strategy, Natixis Investment Managers Solutions
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Esty Dwek, Head of Global Market Strategy, Natixis Investment Managers Solutions

Es ist zwar richtig, dass die Bilanzen der Zentralbanken rapide anstiegen – die der US-amerikanischen Federal Reserve wird vermutlich die Marke von 10 Billionen US-Dollar überschreiten. Doch die Umlaufgeschwindigkeit der Geldmenge M2 sinkt sogar. Quantitative Easing treibt die Überschussreserven der Banken, aber es ist keine Garantie dafür, dass das Geld auch in die Realwirtschaft fließt. Das gilt auch für die fiskalischen Stimuli. Hier handelt es sich nicht um zusätzliches Geld, sondern zum Beispiel um den Ersatz von Lohnausfällen. In einem Umfeld von 15 Prozent Arbeitslosigkeit in den USA ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Verbraucher mehr Geld ausgeben werden.

Und auch nach dem Ende der Lockdown-Maßnahmen werden wohl nicht sofort und an ersten Stelle Ausgaben für Hotels, Restaurants, Autos oder Möbel getätigt werden. Die Sorgen um Beschäftigung und Einkommen werden erst einmal bleiben.

Weil aber Märkte typischerweise ökonomische Daten vorwegnehmen, ist es dennoch möglich, dass die Inflationserwartungen von ihrem jetzt allzu niedrigen Stand anziehen. Dabei kommt es vor allem darauf an, wie es den Zentralbanken gelingt, mögliches Gegensteuern als Rückkehr zur Pre-COVID-Normalität zu kommunizieren und nicht als wachstumsverhindernde Zinserhöhungen.

Gabriel Panzenböck, Fondsmanager im Team Anleihen, Rates & FX, Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft m.b.H.
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Gabriel Panzenböck, Fondsmanager im Team Anleihen, Rates & FX, Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft m.b.H.

In einem halbwegs gewöhnlichen wirtschaftlichen Umfeld wären die jüngsten Maßnahmen von Geld- und Fiskalpolitik durchaus als „groß“ zu bezeichnen. Nun ist das derzeitige Umfeld aber in keinster Weise als „gewöhnlich“ zu bezeichnen. Wenn große Teile der Wirtschaft aus außergewöhnlichen Gründen wie einer Pandemie stillstehen, ist ein derartiges Vorgehen gesamtwirtschaftlich klar von Vorteil, weil grundsätzlich produktive Unternehmungen nicht untergehen.

Eine inflationäre Wirkung ist nicht zu erwarten, da die Maßnahmen ohnehin nur einen Teil des Nachfrageausfalls kompensieren können. Natürlich werden bei einzelnen Produkten oder Dienstleistungen kräftigere Pressteigerungen feststellbar sein, wenn zum Beispiel existierende Lieferketten nachhaltig gestört wurden. Aber insgesamt ist im Umfeld steigender Arbeitslosigkeit unseres Erachtens nicht mit steigender Verbraucherpreisinflation zu rechnen.

Das jüngste Absacken des Rohölpreises bringt da weiteren Druck auf die Inflationsraten.

Für Vermögenspreise sind geldpolitische Maßnahmen nicht mechanisch von Vorteil. Die zugrunde liegenden Bewertungsfaktoren für Finanztitel änderten sich ja durch das spürbare Schrumpfen der Wirtschaftsleistung ebenfalls.

Mit Blick nach Vorne, ist das Grundproblem der Verlauf der Pandemie: Nachdem die „erste Welle“ durch die weitreichenden Schliessungen offensichtlich unter Kontrolle gebracht werden konnte, bleibt der weitere Verlauf der prägende Faktor auch für die Frage der künftigen Preissteigerungen.

Uli Krämer, Chief Investment Officer, KEPLER-Fonds Kapitalanlagegesellschaft
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Uli Krämer, Chief Investment Officer, KEPLER-Fonds Kapitalanlagegesellschaft

Geschichte wiederholt sich nicht – oder doch?

2009 griffen Zentralbanken, allen voran die US-FED und die EZB, mit unkonventioneller Geldpolitik den Märken unter die Arme. Angesichts stark steigender Bilanzsummen und Geldmengen wurden Inflationsängste wach – die, wie wir heute wissen, unbegründet geblieben sind. 2020 erleben wir „Unkonventionelle Notenbankpolitik mindestens 2.0“ und zusätzlich umfangreichste staatliche Konjunkturpakete. Kommt jetzt die Inflation?

Ein brauchbarer Ausgangspunkt, um Einschätzungen für zukünftige Inflationsentwicklungen zu erhalten, sind unseres Erachtens Inflationsswaps. Diese werden laufend gehandelt, drücken also zeitnah viel mehr als Meinungen oder Umfragen aus. Die Werte sind extrem niedrig und nur knapp über den historischen Tiefständen Mitte März. Der 2-jährige Inflationsswap in der Eurozone steht bei knapp -0,2 %, d.h. es wird ein rückläufiges Preisniveau erwartet. Der 10-jährige EUR-Inflationsswap notiert bei rund 0,6 % - d.h. im Schnitt wird für die nächsten 10 Jahre in der Eurozone eine Inflationsrate von nur 0,6 % erwartet.

Sind diese niedrigen Werte gerechtfertigt?

Wir bei KEPLER Fonds erwarten als Hauptszenario doch etwas höhere Werte. Und nur als Nebenszenarien gehen wir von einem Überschießen der Inflation nach oben oder ein Abgleiten in Deflation aus. Im aktuellen Marktumfeld gefallen uns inflationsgeschützte Anleihen trotzdem gut – als günstige Absicherung falls unser Hauptszenario doch nicht eintritt.

Adrian Hilton, Leiter Globale Zinsen und Währungen bei Columbia Threadneedle Investments
© Columbia Threadneedle Investments

Adrian Hilton, Leiter Globale Zinsen und Währungen bei Columbia Threadneedle Investments

Unserer Ansicht nach stellt Inflation kurzfristig kein Risiko für die Eurozone dar. Der Umfang der politischen Unterstützung ist massiv: Die Haushaltsdefizite dürften in diesem Jahr durch zusätzliche Ausgaben deutlich steigen. Gleichzeitig verlängert die EZB in beeindruckendem Tempo ihre Bilanz.

Trotz dieser monetären Expansion liegt der politische Fokus darauf, dass Unternehmen liquide, Risikoaufschläge im Rahmen und Haushalte solvent bleiben. Die Politik ist bestrebt, gewissermaßen „das Licht am Brennen zu halten“, wo verordnete Shutdowns zu einem Nachfrageeinbruch geführt haben. Die Wirtschaft befindet sich in einer Liquiditätsfalle, da die Zinsen ihre mögliche Untergrenze erreicht haben.

In Branchen, in denen Mobilitätseinschränkungen zu Unterbrechungen der Lieferketten geführt haben, könnte es mitunter einen gewissen Preisdruck geben. Insgesamt dürften desinflationäre Faktoren aber schwerer wiegen als solche Entwicklungen. Angesichts des bewusst herbeigeführten Nachfragerückgangs und des zu erwartenden Anstiegs der Arbeitslosigkeit in Verbindung mit deutlich geringeren Energiepreisen fällt es uns scher, einen steigenden Inflationsdruck festzustellen.

Frank Häusler, Chief Strategist, Vontobel Asset Management
© Vontobel Asset Management

Frank Häusler, Chief Strategist, Vontobel Asset Management

Während geringeres Produktivitätswachstum und umfangreiche Steuerpakete von Regierungen auf der ganzen Welt für einen Anstieg der Verbraucherpreise sprechen würden, wird der verstärkte Einsatz neuer Technologien die inflationären Kräfte abschwächen. Insbesondere werden sich kurz- bis mittelfristig die Inflationsrisiken abschwächen, da sich die Weltwirtschaft von einer Rezession erholen muss. Die Staaten werden große Schuldenberge tragen müssen und sind auf niedrige Zinsen angewiesen. Die sogenannte "Modern Monetary Theory" dürfte sich wachsender Beliebtheit erfreuen, womit kein Schuldenabbau sondern die Ankurbelung von Produktivität und Wachstum ohne Rücksicht auf die steigende Verschuldung das Ziel ist. Die Staaten können sich dies leisten, da hierbei die Zentralbanken die Zinsen tief halten in dem sie Anleihen im großen Stil kaufen. Dieses Vorgehen und die daraus resultierende Schuldenlast könnte längerfristig für einen Anstieg der Inflation sorgen, ist aber aktuell noch wenig wahrscheinlich.

Harald P. Holzer, MBA, CFA, Chief Investment Officer & Vorstandsmitglied, Kathrein Privatbank AG
© Kathrein Privatbank

Harald P. Holzer, MBA, CFA, Chief Investment Officer & Vorstandsmitglied, Kathrein Privatbank AG

Das aktuelle Umfeld zeigt extreme deflationäre Tendenzen, was man am Ölpreis und andere Rohstoffpreise sieht. Die Nachfrage ist teils massiv eingebrochen. Die Fiskal- und geldpolitische Maßnahme steuern dagegen, oder versuchen dies zumindest. Ja es stimmt, dass die Notenbank sogenanntes High Powered Money massiv durch die Anleihenkaufprogramme ins Bankensystem pumpen. Direkte fiskalische Zuwendungen und Geldmengenerhöhungen würden dann zur Inflation führen, wenn die Umschlagshäufigkeit des Geldes wieder steigt, was bis dato jedoch nicht passiert ist.

Inflation kommt nicht von heute auf Morgen. Man würde diese Entwicklung in den breiteren Geldmengenwachstumszahlen beobachten können. Es gibt die Instrumente der inflationsgeschützen Anleihen im Wertpapier-Bereich, mit denen man sich ganz gut absichern kann und natürlich auch Realwerte, wie z.B. Gold, andere Rohstoffe und Immobilien. Die Notenbanken wissen wie Inflation zu bekämpfen ist und haben deswegen keine Angst vor zu aggressiver Geldpolitik. Sehr großen Respekt hat sie aber vor Deflation.

Große Angst vor stark steigender Inflation ist aus Sicht von Kathrein derzeit nicht berechtigt. Gefährlich werden kann es bei Deflation, besonders in Hinblick auf die hohe Verschuldung von Privatpersonen und Firmen.

Mark Richards, Multi-Asset Strategist, Jupiter Asset Management
© Jupiter Asset Management

Mark Richards, Multi-Asset Strategist, Jupiter Asset Management

Deflationär wirkende strukturelle Faktoren wie die andauernde demografische Alterung, steigende Staatsschulden oder technischer Fortschritt werden weiterhin Bestand haben. Wir halten dennoch eine moderate Inflation – zwar nicht notwendigerweise sofort, aber mittel- bis langfristig – für wahrscheinlich.

Wenn die Wirtschaft nach dem weltweiten Nachfrage-Schock erst einmal wieder komplett hochgefahren worden ist, werden die gigantischen geld- und fiskalpolitischen Stimulusmaßnahmen das globale Wachstum fördern und die Notenbanken vor die schwierige Herausforderung stellen, dem Markt wieder Liquidität zu entziehen. Die Haushaltsdefizite werden vermutlich strukturell höher sein und die Produktionslücke dürfte sich schneller schließen als nach einem normalen Konjunkturabschwung.

Zudem könnten manche deflationäre strukturelle Faktoren an Bedeutung verlieren. Beispielsweise hat die Krise deutlich gemacht, wie abhängig die Gesellschaften von relativ schlecht bezahlten systemkritischen Berufsgruppen sind. Die öffentliche Unterstützung für deren bessere Bezahlung und Konditionen könnte nachhaltig zunehmen und ein höherer Lohnanteil am BIP zu einer höheren Inflation führen.

Die Notenbanken würden eine über ihrem Ziel liegende Inflation wohl tolerieren, um die seit vielen Jahren zu niedrigen Teuerungsraten zu kompensieren und um die Staatsverschuldung real zu reduzieren.

Hetal Mehta, Senior European Economist, Legal & General Investment Management
© LGIM

Hetal Mehta, Senior European Economist, Legal & General Investment Management

In diesem Stadium der Krise ist es viel zu früh, um einen abrupten Anstieg der Inflation zu befürchten. Natürlich werden die Basiseffekte des dramatischen Ölpreisverfalls die Inflation zum Jahreswechsel vorübergehend wieder in die Höhe treiben, aber hinsichtlich der Kerninflation bleibt viel Unsicherheit:

Erstens – Wie stark wird der Abschwung ausfallen? Im Euroraum wird das BIP wahrscheinlich etwas stärker sinken als global, vielleicht um 10% des jährlichen BIP.

Zweitens – Wie lange braucht die Erholung? Wie groß wird der wirtschaftliche Schaden? Länder mit starkem KMU-Sektor und geringerer steuerlicher Unterstützung wie etwa Italien werden wenig inflationäre Kräfte spüren.

Drittens – Wie stark steigen die Schulden? Schulden haben das Potenzial, die Nachfrage zu dämpfen.

Viertens – Wie entwickelt sich die Inflationserwartung? Marktbasierte Maßnahmen bleiben unterhalb der Zielwerte unverankert, was die Geldpolitik weniger effektiv macht.

Trotz allem: Eine niedrige Inflation – oder sogar Deflation – ist keine Selbstverständlichkeit. Fiskal- und Geldpolitik sind heute besser koordiniert als früher und setzen gemeinsam alles daran, die Wirtschaft schnell wieder auf die Beine zu bringen. Sie könnten insbesondere dann erfolgreich sein, wenn sich eine langfristig hohe Arbeitslosenquote verhindern lässt.

Nicolas Forest, Global Head of Fixed Income and Member of the Executive Committee, Candriam
© Candriam

Nicolas Forest, Global Head of Fixed Income and Member of the Executive Committee, Candriam

Es gibt in der Tat viele Fragezeichen hinsichtlich der Auswirkungen der aktuellen Pandemie auf die Inflation. Es lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass Populismus und De-Globalisierung langfristig zu Inflation führen. Ebenfalls denkbar ist, dass Inflation ein Teil des Problems der Staatsverschuldung sein könnte. Kurzfristig rechnen wir jedoch mit niedrigen Inflationsraten.

Ein klarer Negativpunkt ist der Energiemarkt: Den Absturz der weltweiten Ölnachfrage zu verstehen, ist recht einfach, wenn man weiß, dass mehr als 90 Prozent des weltweiten Ölverbrauchs entweder mit dem Verkehr oder mit der Industrieproduktion zusammenhängen und weniger als zehn Prozent mit den Privathaushalten. Und selbst wenn die Wirtschaftstätigkeit wieder anspringt, wird sie nur allmählich einsetzen, während die Auswirkungen auf den Luftverkehr länger andauern werden und damit auch die Auswirkungen auf die Ölpreise.

Hinzu kommt der Schock auf dem Arbeitsmarkt, der das Lohnwachstum belastet. Bei den Wohnungsmieten ist mit Abwärtsdruck zu rechnen. Dienstleistungen wie Reisen, Einkäufe oder Veranstaltungen werden weiter gedämpft, da die Haushalte darauf verzichten werden, auch wenn die Beschränkungen gelockert werden.

Gegenwärtig sind also sowohl disinflationäre als auch inflationäre Kräfte am Werk, zum Beispiel bei Nahrungsmitteln. Stellt man aber das Gleichgewicht beider Kräfte her, ist klar, dass die Abwärtskräfte die Oberhand gewinnen, jedenfalls kurzfristig.

Erik Weisman, Chefökonom, MFS Investment Management
© MFS

Erik Weisman, Chefökonom, MFS Investment Management

Um die durch den Kampf gegen das Coronavirus entstandene Lücke zu füllen, steigen die weltweiten Steuerausgaben dramatisch an. Zentralbanken weltweit kaufen Staatsschulden so schnell auf, wie die Finanzbehörden sie ausgeben. Viele sind nun besorgt, dass die Regierungen die Schulden monetarisieren könnten, was stets die Alarmglocken für eine drohende Inflation läuten lässt. Aber auf kurze Sicht sind diese Befürchtungen unbegründet.

Erstens sollten wir die Schulden nicht als monetarisiert betrachten. Es sei denn wir denken, dass die Zentralbanken auf unbestimmte Zeit eine größere Bilanzsumme beibehalten. Die Bilanz der Fed erreichte 2014 mit 25% des BIP einen Höchststand und fiel dann 2019 auf weniger als 18% des BIP. Die Fed ließ einen Teil der von ihr gehaltenen Vermögenswerte abrollen, während das nominale BIP um die Bilanz herum wuchs. Es ist nicht ganz klar, ob die Fed nach der globalen Finanzkrise Schulden monetarisiert hat. Trotzdem führte dies nicht zu einer Inflation.

Zweitens geht die globale Gesamtnachfrage viel stärker zurück als das globale Gesamtangebot. Diese Diskrepanz wird zu einer gigantischen negativen Produktionslücke führen, wodurch die Volkswirtschaften weit weniger produzieren als ihr Potenzial. Dies wirkt von Natur aus disinflationär.

Und Drittens: Die Aussichten für eine Lohninflation, die die Verbraucherpreise in naher Zukunft in die Höhe treiben könnte, sind angesichts deutlich steigender Arbeitslosenzahlen gering.

Matthias Hoppe, Portfoliomanager Franklin Templeton Multi-Asset Solutions, Franklin Templeton
© Franklin Templeton

Matthias Hoppe, Portfoliomanager Franklin Templeton Multi-Asset Solutions, Franklin Templeton

Eine entscheidende Fragen ist, ob die Rekordsummen, die von der Geld- und Fiskalpolitik ausgehen, inflationäre Auswirkungen haben werden, nach dem die Wirtschaftsaktivität wieder vollständigen hochgefahren wurde. Momentan haben wir es mit einem Angebots- und Nachfrageschock zu tun: zunächst hat sich durch das temporäre Schließen von Fabriken und die Unterbrechung von Lieferketten das Güterangebot verknappt und dann durch den Lockdown auch die Güternachfrage. Der Einbruch der Nachfrage wirkt sich negativ auf das allgemeine Preisniveau aus, weshalb kurzfristig nicht mit Inflation zu rechnen ist. Neben dem heftigen Nachfrage- und Angebotsschock kommt noch der Preiseverfall beim Öl hinzu, der die Inflationserwartungen relativ stark beeinflusst. Aus heutiger Sicht erscheint somit eher eine disinflationäre, wenn nicht sogar deflationäre Tendenz wahrscheinlicher. Tiefe Rezessionen sind immer deflationär. Immerhin spricht der Internationale Währungsfonds vom schlimmsten Abschwung seit der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1939. Es ist davon auszugehen, dass Unternehmen und Haushalte eher Geld beiseitelegen, als es auszugeben. Vorsorgeeinsparungen dürften eine dauerhafte Rolle spielen und zu geringerer Nachfrage führen. Es erscheint deshalb unwahrscheinlich, dass bei einer schrittweisen Lockerung des Lockdowns die Wirtschaftsaktivität und die Gesamtnachfrage schnell auf ihr Vorpandemieniveau springen und ein Ausgabenschub stattfindet. Die Herausforderung für die Geld- und Fiskalpolitik dürfte somit auch nach dem Ende der Pandemie darin bestehen, eine Deflation zu vermeiden.

Susan Spinner, Geschäftsführender Vorstand, CFA Society Germany
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Susan Spinner, Geschäftsführender Vorstand, CFA Society Germany

Unser Verband versteht sich als Vertreter der Interessen von Anlegern und Sparern. Der Aufbau von Vermögen wird für viele Bundesbürger immer schwieriger. Die Gründe sind u.a.: 1.) Niedrigzinsen, die es vielen kaum ermöglichen, Geld ertragreich anzulegen. 2.) Hohe Steuer- und Abgabenbelastungen auf Arbeitseinkommen. 3.) Formen der Inflation in neuem Gewande. Selbst wenn die statistische Inflation bezogen auf die Verbraucherpreise in den letzten Jahren niedrig war (im März immerhin bei 1,4%), sank die reale Kaufkraft. Da sich nicht jeder Aktien, Immobilien oder Gold leisten kann, betrifft die Asset Price Inflation die Marktteilnehmer sehr unterschiedlich. Diese Effekte konnte man in jüngster Vergangenheit etwa bei den Immobilien- und Mietpreisen erkennen. Das Gerüst, welches die Märkte bis Anfang des Jahres trug, wurde bereits vor Beginn der wichtigen Maßnahmen zur Begegnung der Pandemie zunehmend fragiler. Klar ist, dass die Schuldenimplikationen über den Hebel der Fiskalpolitik sowie eine derartige Ausweitung der Geldmenge über die Notenbanken - wie sie jetzt im PEPP-Programm fortgesetzt wird - mittelfristig nicht folgenlos für Verbraucherpreise sein dürften. Regierungen und Zentralbanken haben hier eine ebenso hohe fiduziarische Verantwortung, wie sie marktwirtschaftlichen Akteuren auferlegt wird. Dieses Konzept und die kritische Überprüfung des Risikos fehlgeleiteter Anreize (Moral Hazard) sollten im Sinne einer guten Kontrolle auch in Sondersituationen Anwendung finden.

Maarten-Jan Bakkum, Senior-Stratege Multi Asset, NN Investment Partners
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Maarten-Jan Bakkum, Senior-Stratege Multi Asset, NN Investment Partners

Die Marktteilnehmer vertrauen weiter auf die Fähigkeit der Zentralbanken und Regierungen, den durch die Folgen des Coronavirus verursachten wirtschaftlichen Schaden durch beispiellose monetäre und fiskalische Anreize zu mildern. Die Erholung an den Aktienmärkten in den vergangenen Wochen lässt vermuten, dass die Investoren glauben, dass die Rezession nur kurz andauern wird und wir eine V-förmige Markterholung erleben werden.

Im Hinblick auf die Vermögenspreise sollten wir uns allerdings fragen, was letztlich mehr wiegen wird: die wirtschaftliche Realität oder die Hoffnung auf eine grenzenlos unterstützende Fiskal- und Geldpolitik? Unserer Ansicht nach ist die Ungewissheit nach wie vor zu groß, um eine eindeutige Überzeugung über die Wirtschafts- und Marktaussichten für die kommenden Quartale zu haben. Wir meinen, dass der Markt die Wahrscheinlichkeit einer tiefen Rezession, den Schaden für Unternehmen und die Staatshaushalte sowie die Risiken für die globalen Wertschöpfungsketten und den Handel nur unzureichend berücksichtigt. Marktsegmente, die nicht die Hauptnutznießer politischer Maßnahmen sind, z.B. der Ölmarkt oder Schwellenländerwährungen, spiegeln unsere eigene Einschätzung eher wider.

In unseren Multi-Asset-Portfolios bevorzugen wir daher weiter Anleihen gegenüber Aktien. Unsere Übergewichtung in Investment-Grade- und Hochzinsanleihen spiegeln die kurzfristigen Chancen wider, die wir in diesen Segmenten dank des “whatever it takes” Ansatzes der Fed und der EZB sehen.

Performanceergebnisse der Vergangenheit lassen keine Rückschlüsse auf die zukünftige Entwicklung eines Investmentfonds oder Wertpapiers zu. Wert und Rendite einer Anlage in Fonds oder Wertpapieren können steigen oder fallen. Anleger können gegebenenfalls nur weniger als das investierte Kapital ausgezahlt bekommen. Auch Währungsschwankungen können das Investment beeinflussen. Beachten Sie die Vorschriften für Werbung und Angebot von Anteilen im InvFG 2011 §128 ff. Die Informationen auf www.e-fundresearch.com repräsentieren keine Empfehlungen für den Kauf, Verkauf oder das Halten von Wertpapieren, Fonds oder sonstigen Vermögensgegenständen. Die Informationen des Internetauftritts der e-fundresearch.com AG wurden sorgfältig erstellt. Dennoch kann es zu unbeabsichtigt fehlerhaften Darstellungen kommen. Eine Haftung oder Garantie für die Aktualität, Richtigkeit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen kann daher nicht übernommen werden. Gleiches gilt auch für alle anderen Websites, auf die mittels Hyperlink verwiesen wird. Die e-fundresearch.com AG lehnt jegliche Haftung für unmittelbare, konkrete oder sonstige Schäden ab, die im Zusammenhang mit den angebotenen oder sonstigen verfügbaren Informationen entstehen.
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