e-fundresearch.com: Frau Szeiler, welche persönlichen Lehren ziehen Sie aus den Marktentwicklungen 2015?
Ingrid Szeiler: Auch 2015 gab es Beispiele dafür, dass der Markt die Nachrichten beeinflusst und nicht wie sonst üblich, die Nachrichten die Märkte. Insofern ist es wichtig, den Blick fürs Wesentliche zu wahren und sich nicht durch die Informationsflut irritieren zu lassen. Nicht zuletzt diese Fähigkeit macht die Qualität des guten Fondsmanagers aus, was allerdings keine neue Erkenntnis ist. Neuerlich konnten gemischte Produkte mit ihren vielfältigen Veranlagungsmöglichkeiten ihre Stärke ausspielen. Das Timing von Kauf- und Verkaufsentscheidungen diverser Assetklassen ist für den Privatkunden sehr schwierig, für den Fondsmanager jedoch sein täglich Brot - und auch 2015 wieder gut gelungen.
"Das Timing von Kauf- und Verkaufsentscheidungen diverser Assetklassen ist für den Privatkunden sehr schwierig, für den Fondsmanager jedoch sein täglich Brot (...)"
e-fundresearch.com: Fondsperformance 2015: Von welchen Trends konnten Sie im vergangenen Jahr besonders profitieren und welche Entwicklungen haben Sie „auf dem falschen Fuß“ erwischt?
Ingrid Szeiler: Besonders gut konnte im vergangenen Jahr die Entwicklung der westlichen Aktienmärkte antizipiert werden. Beginnend im ersten Quartal wurde die Aktienquote schrittweise reduziert. Glücklicherweise hatten vor allem die Mischportfolios im Crashmonat August eine stark unterdurchschnittliche Aktiengewichtung. Die niedrigeren Niveaus wurden dann genützt, um selektiv wieder zuzukaufen. Somit konnte auch an der Erholung partizipiert werden. Die Entwicklung des Themenkomplexes Emerging Markets / Rohstoffe / Inflation hat uns hingegen überrascht. Mit einer dermaßen stark negativen Performance hätten wir nicht gerechnet.
"Insofern ist die Analyse der Geldpolitik heute wichtiger als in früheren Jahren. Dies wird sich auch im Jahr 2016 nicht ändern."
e-fundresearch.com: Leitzinswende in den USA – weiteres QE in Japan und Europa: Inwiefern beeinflussen die zunehmend divergierenden Notenbankpolitiken Ihre Investmentstrategie?
Ingrid Szeiler: Die Notenbanken waren in den Jahren seit der Finanzkrise Taktgeber an den globalen Finanzmärkten. Fundamentaldaten sind ob der massiven Maßnahmen der Notenbanken oft in den Hintergrund gerückt. Insofern ist die Analyse der Geldpolitik heute wichtiger als in früheren Jahren. Dies wird sich auch im Jahr 2016 nicht ändern. Hier ist lediglich anzumerken, dass mit der Fed erstmals eine Notenbank versucht, einen Normalisierungspfad einzuleiten, während andere Notenbanken weiter expansiv bleiben. Diese Divergenz wird jedoch nicht stark ausgeprägt sein, denn die Möglichkeiten der Fed für höhere Zinsen sind angesichts hoher Schulden, einer niedrigen Inflation, eines lediglich moderaten Wirtschaftswachstums und internationaler Unwägbarkeiten limitiert. Und die Auswirkungen dieser Divergenz scheinen zu einem guten Teil vorweggenommen in Form eines sehr starken US-Dollars und eines historisch hohen Unterschied der Zinsen am jeweils kurzen Ende der Zinskurve. Tendenziell wird der US-Dollar aber fest bleiben bzw. sich noch leicht verstärken. Stärker könnte die Notenbankpolitik nach wie vor auf langlaufende Staatsanleihen wirken. Hier wurde ja vermutet, dass die Tiefstände der Renditen vom ersten Halbjahr 2015 eine einmalige Gelegenheit waren, um Staatsanleihen zu verkaufen. Jetzt sieht es so aus, als ob diese Tiefstände zumindest vorübergehend wieder erreicht werden könnten.
"Wenn hier die Trendwende geschafft ist, besteht erhebliches Potenzial für eine Erholung."
e-fundresearch.com: In welchen Investmenthemen identifizieren Sie derzeit das vielversprechendste Wertpotenzial?
Ingrid Szeiler: Die Beantwortung der Frage hängt stark von der Fristigkeit des Fragenden ab. Für heuer rechnen wir noch mit einer moderat positiven Performance der Aktienmärkte, vor allem der europäischen, während man auf einen Investmenthorizont von 5 Jahren zwischenzeitlich einen zyklischen Abschwung einplanen muss. Bei den Rohstoffen wird es andererseits noch dauern, bis sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage verbessert hat, auf mittlere Sicht ist aber eine spürbare Erholung der Preise sehr wahrscheinlich. Wenn diese These stimmt, werden auch die Schwellenländer (Aktien, Anleihen, Währungen) wieder interessant. Wenn hier die Trendwende geschafft ist, besteht erhebliches Potenzial für eine Erholung.
"Wenn sich der Dollar nicht an dieses Drehbuch hält und schwächer gehen sollte, aus welchem Grund auch immer, werden die Auswirkungen auf diverse Branchen und Märkte nichtlange auf sich warten lassen."
e-fundresearch.com: Welche Konsensus-Trades bereiten Ihnen im aktuellen Umfeld die größten Sorgen?
Ingrid Szeiler: Der Markt scheint aktuell in mehrerlei Hinsicht einseitig positioniert zu sein. Dies betrifft zum Beispiel die Branchen innerhalb der Aktienmärkte. Dort herrscht großer Optimismus für die so genannten Wachstumswerte, vor allem aus dem Konsum- und Technologiebereich, während niemand in Grundstoff- und Energiewerte investieren möchte. Auf regionaler Ebene wird die Eurozone von vielen verhältnismäßig besser gesehen, während für die Emerging Markets große Zurückhaltung herrscht. Die gemeinsame Klammer dieser Positionen ist möglicherweise der Ausblick für den US-Dollar. Zu den oben erwähnten Positionen passt die Konsensus-Erwartung, dass der US-Dollar stärker, vielleicht sogar unter die Parität, geht. Wenn sich der Dollar nicht an dieses Drehbuch hält und schwächer gehen sollte, aus welchem Grund auch immer, werden die Auswirkungen auf diverse Branchen und Märkte nichtlange auf sich warten lassen.
e-fundresearch.com: Wo lauern 2016 die größten Herausforderungen und welche generellen Volatilitätsniveaus erwarten Sie für das neue Jahr?
Ingrid Szeiler: Wir rechnen damit, dass 2016 (wie auch bereits 2015) die Erträge selektiver und in Summe geringer bzw. die Schwankungen höher sein werden als in den Jahren davor. Für den Fondsmanager stellt dies naturgemäß eine größere Herausforderung dar, als Jahre, in denen die Liquiditätsflut alle Boote hebt.