"Wir bleiben defensiv" | Im Interview mit Frank Fischer

Worauf Star-Fondsmanager Frank Fischer im aktuellen Konjunkturumfeld achtet, was ihn am Kapitalmarktjahr 2018 besonders überraschte und warum es vor einer Trendwende an den Märkten noch deutlich weiter abwärts gehen könnte, diskutierte der Shareholder Value Management CEO & CIO im Interview mit e-fundresearch.com. Managers | 23.01.2019 07:30 Uhr
Frank Fischer, CEO & CIO, Shareholder Value Management AG / © Shareholder Value Management AG
Frank Fischer, CEO & CIO, Shareholder Value Management AG / © Shareholder Value Management AG
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

e-fundresearch.com: Von anfänglicher Euphorie bis hin zum „bösen Erwachen“ im vierten Quartal – das letzte Jahr wird vielen Investoren als besondere Herausforderung in Erinnerung bleiben. Worin bestanden Ihrer Meinung nach die größten Überraschungen und welche Lehren haben Sie für sich aus dem Kapitalmarktjahr 2018 gezogen?

Frank Fischer: Für uns war die größte negative Überraschung im vergangenen Jahr die besondere Schwäche der europäischen Aktienmärkte. Die Aussichten zum Jahreswechsel 2017/2018 waren deutlich besser. Doch im Jahresverlauf haben die politischen Sorgen überwogen, von denen uns die meisten leider weiterhin erhalten bleiben: Der ungelöste Brexit und seine Folgen, der Haushaltsstreit zwischen der EU und Italien und über allem die sich abschwächende Konjunktur.

e-fundresearch.com: Licht & Schatten: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer im vergangenen Jahr erzielten relativen Performance? Welche Positionierungen haben sich rückblickend gesehen als besonders positiv beziehungsweise belastend erwiesen?

Frank Fischer: Wir haben aufgrund unseres Investmentansatzes einen starken Fokus auf Nebenwerte und Value-Titel. Das war im vergangene Jahr eine Belastung, denn beide Segmente sind nicht gut gelaufen. Wir sind zwar schon sehr früh davon ausgegangen, dass die Hausse der Aktienmärkte nicht ewig weitergehen würde und haben unsere Portfolios entsprechend abgesichert. Das war grundsätzlich richtig, aber in einigen Phasen vielleicht zu früh. Die meisten Unternehmen in unseren Fonds haben letztes Jahr an inneren Wert zugelegt, auch wenn die Börse aktuell niedrigere Preise aufruft. Die Sicherheitsmarge ist also größer geworden. 

e-fundresearch.com: Angezogene Handbremse oder kontrollierte Offensive: Mit welcher Positionierung sind Sie in das neue Jahr gestartet und in welchem Ausmaß haben Sie die Kursverluste der vergangenen Wochen bereits für Portfolioumschichtungen oder Nachkäufe genutzt?

Frank Fischer: Wir sind zum Jahresanfang sehr selektiv unterwegs. Zwar gibt es durchaus gute Einstiegsgelegenheiten, denn konjunktursensible Werte und Unternehmen, die temporäre Probleme haben, wurden schon enorm bestraft. Aber der Konjunkturzyklus macht uns Sorgen, denn wir sind in einem deutlichen Abwärtstrend und die Impulse von Politik und Notenbanken sind zu schwach, um das zu stoppen. Vor einer Trendwende kann es unter Umständen noch deutlich weiter abwärts gehen. Deshalb bleiben wir defensiv. Aber wenn der Pessimismus und die Skepsis unter den Anlegern zunehmen, dann kann das Jahr durchaus positive Überraschungen bieten.

e-fundresearch.comEin struktureller Trend, der auch 2018 nicht zum Erliegen kam, ist die zunehmende Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei Investmententscheidungen. In welchem Ausmaß trägt Ihre Investmentphilosophie und Ihr Prozess dieser Entwicklung Rechnung?

Frank Fischer: Wir bei Shareholder Value Management verstehen uns als Miteigentümer der Unternehmen in die wir investieren. Für uns ist wichtig, dass die Interessen von Unternehmensführung und Eigentümern deckungsgleich sind. Von daher spielen Governance-Aspekte bei der Titelauswahl für uns eine große Rolle und wir arbeiten in den Unternehmen auch aktiv daran, diese zu verbessern. Daneben haben wir für einige kontroverse Geschäftsfelder wie geächtete Waffen strikte Ausschlusskriterien. Bei anderen Themen wie Kernenergie oder Spirituosen gelten Beschränkungen, sie dürfen 10 Prozent des Gesamtumsatzes nicht überschreiten, sonst investieren wir nicht in dem Unternehmen.

e-fundresearch.com: Von den weiterhin ungelösten Handelsstreitigkeiten, dem bevorstehenden Brexit bis hin zu einer nachlassenden Wirtschaftswachstumsdynamik und vermehrt auftretenden Gewinnwarnungen: Auf welches Kapitalmarktumfeld sollten sich Investoren 2019 einstellen und welche Entwicklungen werden Sie in Ihrer Rolle als Marktteilnehmer besonders genau im Fokus behalten?

Frank Fischer: Vieles spricht dafür, dass 2019 ein Jahr mit hoher Volatilität werden wird. Das größte Sorgenkind bleibt China. Der Einbruch der Apple-Aktie Anfang Januar war unter anderem auf das schwächelnde China-Geschäft zurückzuführen. Hier machen sich die konjunkturellen Bremsspuren, auch durch den Handelskonflikt, bemerkbar. Eine Entwicklung, die an den sinkenden Umsätzen von diskretionären Konsumgütern wie Autos und eben Smartphones abzulesen ist. Das wird auch noch andere Unternehmen betreffen.

Zudem verschlechtern sich in Deutschland und Europa die Erwartungen der Unternehmen weiter: Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist jetzt schon viermal hintereinander gesunken. Erstaunlich ist, dass die OECD eigentlich von einem Wachstum der Weltwirtschaft um 3,7 Prozent ausgeht. Diese Diskrepanz zwischen soliden Wachstumsaussichten und der zunehmenden Verunsicherung lässt sich am ehesten mit den anhaltenden Gefahren erklären, die die Weltwirtschaft bedrohen. Für die deutsche Wirtschaft spielen weiterhin europäische Faktoren wie der Brexit, die Europa-Wahl im Mai oder die Schuldensituation in Italien und Frankreich eine Rolle. Vor diesem Hintergrund dürfte 2019 eher ein ungemütliches Jahr werden.

e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Fischer!


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