e-fundresearch.com: Von anfänglicher Euphorie bis hin zum „bösen Erwachen“ im vierten Quartal – das letzte Jahr wird vielen Investoren als besondere Herausforderung in Erinnerung bleiben. Worin bestanden Ihrer Meinung nach die größten Überraschungen und welche Lehren haben Sie für sich aus dem Kapitalmarktjahr 2018 gezogen?
Bert Flossbach: Überraschend war weniger, dass die Volatilität zurückgekehrt ist an die Börsen – der lineare Anstieg in 2017 war eher eine Ausnahme. Das Ausmaß der Korrektur zum Jahresende dagegen war schon überraschend, insbesondere in den USA. Sie hat gezeigt, dass auch die USA nicht immun sind gegen einen weltweiten Handelskonflikt. Und sie hat einmal mehr gelehrt, wie wichtig es in einem Umfeld voller Strukturbrüche ist, ein Portfolio möglichst robust aufzustellen.
e-fundresearch.com: Licht & Schatten: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer, im vergangenen Jahr erzielten, relativen Performance? Welche Positionierungen haben sich rückblickend gesehen als besonders positiv beziehungsweise belastend erwiesen?
Bert Flossbach: Für uns war 2018 das erste Verlustjahr seit 2008. Es ist ernüchternd, seinen Kunden und Anlegern ein Minus zu präsentieren, auch wenn ein solches Jahr im langfristigen Kontext eher die Ausnahme ist. Dass sich der Fonds in diesem Umfeld vergleichsweise stabil gehalten hat, ist dabei nur ein schwacher Trost.
e-fundresearch.com: Angezogene Handbremse oder kontrollierte Offensive: Mit welcher Positionierung sind Sie in das neue Jahr gestartet und in welchem Ausmaß haben Sie die Kursverluste der vergangenen Wochen bereits für Portfolioumschichtungen oder Nachkäufe genutzt?
Bert Flossbach: An der grundsätzlichen Positionierung ändert sich nichts. Das globale Zinsniveau bleibt angesichts des weltweiten Schuldenproblems tief, eine tiefe Rezession ist unseres Erachtens unwahrscheinlich. In diesem Umfeld sind und bleiben Aktien erstklassiger Unternehmen unverzichtbar für ein breit aufgestelltes Portfolio und machen deshalb den Großteil des Fondsvermögens aus. Ein wichtiger Bestandteil ist zudem Gold – unsere Versicherung gegen die bekannten und unbekannten Risiken des Finanzsystems. Bei Anleihen gehen wir opportunistisch vor. Die Kasseposition ist ausreichend groß, um Anlagegelegenheiten wahrnehmen zu können.
e-fundresearch.com: Ist es mit Blick auf das Investmentteam und den Investmentprozess im vergangenen Kalenderjahr zu Anpassungen beziehungsweise Erweiterungen gekommen, die Fondsselektoren bewusst sein sollten?
Bert Flossbach: Nein, keine grundsätzlichen Veränderungen.
e-fundresearch.com: Ein struktureller Trend, der auch 2018 nicht zum Erliegen kam, ist die zunehmende Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei Investmententscheidungen. In welchem Ausmaß trägt Ihre Investmentphilosophie und Ihr Prozess dieser Entwicklung Rechnung?
Bert Flossbach: Es spricht nichts dagegen, ESG-Analysen zu lesen, aber man sollte sich niemals darauf verlassen. Wir verwenden sie als komplementäre Betrachtung, die uns vielleicht auf den ein oder anderen kritischen Punkt aufmerksam machen könnte. Dabei ist allerdings Vorsicht geboten. Die schablonenhafte Arbeitsweise der Ratingagenturen vermag die Beschaffenheit eines Unternehmens nur selten angemessen zu erfassen. Wir versuchen, das Thema vielmehr ganzheitlich zu betrachten: Nachhaltigkeit kann durch Attribute wie dauerhaft, beständig und zukunftsfähig beschrieben werden. Letztlich bedeutet Nachhaltigkeit langfristiger Erfolg. Nur wer langfristig denkt, kann nachhaltig agieren. Dies gilt für Unternehmer, Investoren, Staatschefs oder Forstwirte.Nachhaltiges Management basiert auf kaufmännischem Denken, gesundem Menschenverstand und Integrität und fokussiert sich auf die langfristigen Perspektiven eines Unternehmens oder Investments. Anders ausgedrückt: Ein Unternehmen kann nur dann langfristig erfolgreich und damit nachhaltig wirtschaften, wenn es seine Kunden gut bedient, seine Mitarbeiter motiviert, fair mit seinen Geschäftspartnern umgeht, ausreichend investiert, Steuern zahlt und keine Umweltschäden anrichtet.
e-fundresearch.com: Von den weiterhin ungelösten Handelsstreitigkeiten, dem bevorstehenden Brexit bis hin zu einer nachlassenden Wirtschaftswachstumsdynamik und vermehrt auftretenden Gewinnwarnungen: Auf welches Kapitalmarktumfeld sollten sich Investoren 2019 einstellen und welche Entwicklungen werden Sie in Ihrer Rolle als Marktteilnehmer besonders genau im Fokus behalten?
Bert Flossbach: Wir gehen davon aus, dass uns die Volatilität erhalten bleibt. Von großer Bedeutung ist sicherlich China, dessen wirtschaftliche Entwicklung und damit eng verbunden der Handelsstreit mit den USA. Das von politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Unsicherheiten geprägte Umfeld erfordert von Investoren intellektuelle Demut. Die Anlagestrategie ist so zu gestalten, dass sich mögliche negative Auswirkungen der eigenen Fehlbarkeit in Grenzen halten können. Ein klug diversifiziertes, robustes Portfolio trägt dieser Erkenntnis Rechnung.