e-fundresearch.com: Frau Kunrath, was hat Sie dazu bewegt, eine Karriere in der Finanzbranche und speziell im Asset Management anzustreben? Gab es Vorbilder oder Schlüsselpersonen, die Sie inspiriert oder beeinflusst haben? Wie haben diese Ihre berufliche Orientierung und Ihre Ansichten über die Branche geformt?
Karin Kunrath: Bereits mit 15 Jahren war das Interesse für die Kapitalmärkte sehr stark, so dass ich im Unterrichtsfach Volkswirtschaftslehre – zur Freude meiner Professorin – wöchentlich anhand von Zeitungsartikeln renommierter Tageszeitungen – über die Marktentwicklung berichtet habe. Aus den verschiedenen Job-Angeboten nach der HAK-Matura habe ich bewusst jene Position gewählt, die einen Bezug zum Asset Management hatte, obwohl sie damals am geringsten dotiert war. Mit Start meiner Berufslaufbahn 1992 (Vollzeit) als Assistentin im Portfoliomanagement habe ich ein berufsbegleitendes Studium der Handelswissenschaften – damals noch eine große Herausforderung in Bezug auf die notwendigen Präsenzveranstaltungen an der Wirtschaftsuniversität Wien – begonnen.
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Mir war immer wichtig neben den theoretischen Aspekten des Studiums die praktische Anwendung zu erleben und Theorie und Praxis damit in den richtigen Kontext zu setzen (meine Erkenntnis: nicht alles, was man im Studium lernt, hilft in der Praxis tatsächlich weiter. Mit der Wahl dieses herausfordernden Weges bin ich meinen Zielen a) mit spätestens 25 Jahren Fonds-/Portfoliomanagerin zu werden, und b) in der Folge eine Führungsposition zu übernehmen, rasch näher gekommen. Vorbilder aus der Asset Management-Branche hatte und habe ich nicht. Ich habe immer danach getrachtet, meinen Weg zu gehen und dabei mich selbst, meine Werte und meine Überzeugungen nicht zu verlieren. Betrachtet man heute die Branche im Vergleich zu vor 20-30 Jahren ist es erfreulich, mehr Frauen in verantwortungsvollen Positionen zu sehen. Dennoch ist unsere Branche (leider) nach wie vor eine Männer-Domäne.
e-fundresearch.com: Welche spezifischen Hindernisse oder Herausforderungen haben Sie in Ihrer Laufbahn im Asset Management erlebt, und wie haben Sie Strategien entwickelt, um diese erfolgreich zu überwinden?
Karin Kunrath: In einer männerdominierten Branche muss man oft noch immer die Extra-Meile gehen, um Erfolge zu haben, die den männlichen Mitbewerbern scheinbar zufliegen. Ich habe aber auch festgestellt, dass Authentizität sehr wichtig ist, um von Geschäftspartner:innen und Kund:innen als kompetent anerkannt zu werden.
Persönlich hatte ich am Beginn meiner Karriere und insbesondere mit der Übernahme von Performanceverantwortung das eine oder andere Mal mit Entscheidungen, dem Markt und der Performanceentwicklung zu kämpfen. Mit den Jahren lernt man über die Familie und Freizeit einen entsprechenden Ausgleich zu schaffen und das Kapitalmarktgeschehen nicht das Privatleben dominieren zu lassen.
2008 war ich in unserem Unternehmen die erste Frau in einer Führungsposition im Asset Management, die Mutter wurde – und auch in der Folge in einer Führungsposition tätig war. Ich habe damals gezeigt, dass eine erfolgreiche Karriere im Asset Management und Mutterschaft sich nicht ausschließen und war diesbezüglich ein Vorbild für Kolleginnen sowohl im Unternehmen als auch in der Branche.
Die Akzeptanz von Frauen im Asset Management hat sich in den letzten Jahren deutlich verbessert – auch unterstützt durch Initiativen, weshalb ich dem 2023 neu gegründeten Verein „Frauen im Asset Management“ beigetreten bin. Ich freue mich darauf, hier zur Förderung von mehr Diversität im Asset Management beizutragen.
e-fundresearch.com: Welchen Rat würden Sie Frauen geben, die noch am Beginn ihrer Asset Management Karriere stehen?
Karin Kunrath: Ziele setzen, fokussiert sein, an sich glauben, über den eigenen „Tellerrand“ schauen und manchmal auch einfach Geduld haben und Durchhaltevermögen zeigen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Leistung zum Erfolg führt – nicht immer sofort, manchmal hat man mit Rückschlägen zu kämpfen (diese sollten immer Ansporn sein, den eigenen Weg konsequent weiterzugehen) – aber es lohnt sich, am Ball zu bleiben und für sich und seine Ziele zu kämpfen.
Erfahrungen in unterschiedlichen Bereichen des Asset Managements zu sammeln – durchaus auch aus verschiedenen Perspektiven (z.B. Produktlieferanten, Kund:innen etc.) – sehe ich, ebenso wie internationale Erfahrung, als wichtig an. Genauso wie ein absolutes Interesse an der Materie und der Bereitschaft zur Weiterentwicklung. Asset Management ist so vielseitig und abwechslungsreich, aber immer wieder auch rasch wechselnden Trends unterworfen. Unterschiedliche Unternehmenskulturen kennenzulernen und sich in diesen zu behaupten ist sicherlich auch nicht von Nachteil.
Von Kolleg:innen mit Erfahrung zu lernen und zu profitieren sowie über die eigene Leistung mögliche Mentor:innen auf sich aufmerksam zu machen ist ein weiterer Baustein für die persönliche und fachliche Entwicklung.
e-fundresearch.com: Welche Vorteile sehen Sie darin, dass mehr Frauen in Führungspositionen in der Asset Management Branche vertreten sind? Und wie können Unternehmen dazu beitragen, eine diverse und inklusive Kultur noch stärker zu fördern?
Karin Kunrath: Ich bin absolut davon überzeugt, dass Frauen in Führungspositionen eine differenzierte Sichtweise einbringen und eine Bereicherung für die Unternehmenskultur sind. Eine Förderung der diversen und inklusiven Kultur beginnt im Recruiting und setzt sich in der individuellen Förderung und Karriereplanung von Talenten fort. Heute können Unternehmen in diesem Zusammenhang die Weichen für die nächste Generation stellen. Dazu ist eine offene Unternehmenskultur, die sich nicht davor scheut, neue Wege zu gehen notwendig. In dieser Hinsicht ist gerade der Austausch zwischen jungen und erfahrenen Kolleg:innen von Vorteil, weil es das gegenseitige Verständnis fördert und neue Sichtweisen eröffnet.
e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch & weiterhin viel Erfolg, Frau Kunrath!
Über Karin Kunrath
Karin Kunrath (Jahrgang 1973) übernimmt mit 1. November 2023 die Position als Chief Investment Officer bei der Raiffeisen KAG. Die gebürtige Wienerin war schon von 1992 bis 2013 für die Fondsgesellschaft – vornehmlich im Bereich der Vermögensverwaltung – tätig. Die vergangen zehn Jahre war Karin Kunrath bei Valida Vorsorge Management beschäftigt, wo sie mehrere Führungspositionen inne hatte. Im Rahmen ihrer dortigen Tätigkeit hat sich Karin Kunrath intensiv mit nachhaltigen Investmentprozessen und deren Weiterentwicklung auseinandergesetzt.
Die Wahl-Niederösterreicherin hat ein abgeschlossenes Studium der Handelswissenschaften der Wirtschaftsuniversität Wien mit der Spezialisierung Finanzierung und Finanzmärkte sowie Unternehmensführung. Darüber hinaus hat sie eine Ausbildung zum Certified Portfolio Manager (CPM) absolviert.
Karin Kunrath im RoleModel-Wordrap:
In der Finanzbranche sollte mehr getan werden, um…
...die Finanzbildung bereits im Schulalter zu fördern – weil wir alle wissen „Langfristige Vorsorge ist die beste Vorsorge“.
Was ich anderen Frauen im Finanzbereich mit auf den Weg geben möchte...
...geht Euren Weg, glaubt an Euch – Rückschläge machen stärker und sind der Startschuss für neue Erfolge. Und: Familie & Erfolg im Asset Management sind machbar!
Nachhaltigkeit bedeutet für mich...
...mit meinem Handeln heute an dessen Bedeutung für die Zukunft zu denken
Für mich bedeutet Erfolg im Finanzbereich...
...die Erwartungen unserer Kund:innen zu erfüllen
Die Asset Management Branche hat mich gelehrt, dass..
...der nächste Morgen oft Überraschungen bereit hält
Größten Respekt habe ich...
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...ich habe eine Zwillingsschwester, die mir zum Verwechseln ähnlich sieht.