"Seit der Präsidentschaftswahl sind die US-Aktienmärkte um mehr als 10% gestiegen. Solch eine Rallye führt per se zu Unsicherheiten. Ist der US-Aktienmarkt dank Donald Trumps angekündigter Reformen zu stark und zu schnell gestiegen? In der Realität können Verzögerungen auftreten, insbesondere wenn die US-Marktstimmung als übermäßig optimistisch beurteilt wird.
Dennoch gab es auch nach der Rede des Präsidenten vor dem Kongress am 28. Februar einen Anstieg an den US-Aktienmärkten. Die auffälligste Änderung war ein viel präsidialerer und traditionellerer Ton des Präsidenten vor dem Kongress, der im Gegensatz zur aggressiven Rhetorik steht, die nach dem Einzug in das Weiße Haus eingesetzt wurde. Ansonsten haben wir in dieser Rede keinen Wandel in Trumps Politik festgestellt. Darüber hinaus lieferte Präsident Trump keine Anhaltspunkte dafür, wie er beabsichtigt, seinen 1 Billion US-Dollar teuren Infrastrukturplan und die massiv erhöhten Verteidigungsausgaben zu finanzieren und gleichzeitig die Bundesschulden zu reduzieren. Darüber hinaus haben wir keine wesentlichen Einzelheiten zum Steuerhaushalt oder den Infrastruktur-Konjunkturprogrammen erfahren.
Die zunehmend positive Investorenstimmung trug zweifellos zu dieser Rallye bei. Die Investoren waren von der Bereitschaft und der Fähigkeit des Präsidenten überzeugt, seine wirtschaftliche Agenda umzusetzen. Dazu gehören das Konjunkturprogramm, die Finanzderegulierung und die Unternehmenssteuerreform zur Unterstützung des Exports und Verringerung des Imports. Allerdings besteht die Gefahr von Inflation, höheren Zinssätzen und einer möglichen neuen Aufwertung des US-Dollars. Obwohl der wirtschaftliche Aufschwung seit Mitte 2016 ein wichtiges und positives Investmentthema für Aktienmärkte gewesen ist, gibt es keinen konkreten Anhaltspunkt, der die Zuversicht rechtfertigt.
Das wahrscheinlich wichtigste Thema für US-Gewinne und somit auch für Investoren ist die US-Steuerreform. Die Aktienmärkte haben positiv auf die Aussichten für Unternehmenssteuersenkungen reagiert. Nach verschiedenen Berechnungen würde die Umsetzung von Trumps Steuerplan die Gewinne nach Steuern um 10 bis 15% erhöhen. Diese steuerliche Maßnahme unterstützt den Aktienmarkt zu einem Zeitpunkt, wo die operativen Gewinnmargen nach unten zeigen. Dies ist ein logischer Schritt, wenn sich die Wirtschaft dem Ende eines expansiven Zyklus nähert. Stand heute erwarten die meisten Analysen, dass die Gewinne des S&P 500 im Jahr 2017 um 10% steigen werden (über 15% mehr als für Europa!).
Die Aufwertung des US-Dollars gegenüber den meisten Währungen (9% gegenüber dem Euro seit Mai 2016) belastet die US-Exporte. Steuerliche Maßnahmen zur Verstärkung des Protektionismus könnten sich negativ auf den internationalen Handel auswirken. Die von Trump vorgeschlagene Grenzsteuerausgleich (Border Tax Adjustment) könnte den Dollar weiter aufwerten, aber zugleich einen erheblichen negativen Einfluss auf die Handelspartner der USA haben, insbesondere auf Asien und die Emerging Markets. Tatsächlich glauben wir, dass der Markt die Wahrscheinlichkeit einer solchen Maßnahme nicht unberücksichtigt lässt. Falls doch, könnten die Märkte sogar noch stärker getroffen werden.
Die Größe des kommenden Steuerpakets und dessen Auswirkungen auf das Wachstum sind noch unklar. Der Zeitpunkt des vorgeschlagenen Steuerpakets im Zyklus der US-Wirtschaft ist möglicherweise nicht optimal. Ein Beispiel dafür sind Konjunkturprogramme, die unter Ronald Reagan während einer schwachen wirtschaftlichen Situation umgesetzt wurden. Welchen Effekt könnte ein solcher ‚fiskalischer Multiplikator‘ auf das Wachstum haben, wenn es der Wirtschaft eigentlich gut geht? Mit einer Arbeitslosenquote von unter 5% und einer vermutlich kleinen Produktionslücke gibt es nicht viel Spielraum für weiteres Wachstum. Daher könnten die fiskalischen Maßnahmen von Präsident Trump einen geringeren Einfluss auf das US-Wachstum haben als erwartet und es sollte keine wirklichen Auswirkungen auf die Produktivität geben. Konjunkturprogramme könnten sogar zu Risiken führen. Ein solches Programm könnte potenziell eine überhitzende Wirkung auf den bereits aufgebauten Inflationsdruck haben. Dies würde die Fed dazu drängen, die Zinsen schneller zu erhöhen als erwartet und ein rezessives Risiko für die USA würde entstehen – ganz nach dem Sprichwort: „Economic cycles do not die of old age but usually are murdered“ (Wirtschaftszyklen sterben nicht an Altersschwäche, sondern werden meist ermordet). Wenn das Konjunkturprogramm kommen würde, würde es voraussichtlich erst Auswirkungen auf das Jahr 2018 haben.
Zusammengefasst geht es der US-Wirtschaft gut. Es gibt keine Anzeichen für eine Rezession in naher Zukunft. Das Problem besteht darin, dass die neue Regierung beabsichtigt, das Wachstum zu stimulieren, obwohl es keine Notwendigkeit für eine Ankurbelung der Nachfrage gibt. Es wird entscheidend sein, wie die Fed auf den neuen Inflationsdruck reagieren wird. Als Aktieninvestor sind wir der Meinung, dass der US-Markt überbewertet ist. Daher präferieren wir den europäischen Aktienmarkt. Wir haben eine neutrale Haltung gegenüber dem US-Markt, da die Wirtschaft sich noch immer verbessert und es einen potenziell großen Kapitalzufluss auf den Aktienmärkten nach mehr als einem Jahrzehnt mit fallenden Zinsen geben könnte."
Laurent Jacquier-Laforge, CIO Equities, La Française
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