"Prognosen machen dann Freude, wenn sie eintreffen: Anfang 2018 hatten wir vorausgesagt, dass die Korrektur bei Emerging-Markets-Anleihen erst der Anfang einer größeren Kursbewegung ist und dass sich Anleger mit Investitionen Zeit lassen sollten. Und genau so ist es auch gekommen.
Besonders der festere US-Dollar belastet Anlagen in den Schwellenländern, weil dadurch die Gefahr besteht, dass die dortigen Zentralbanken zu Verkäufen ihrer US-Staatsanleihen-Bestände gezwungen sind, um die eigene Währung zu stabilisieren. Dies wiederum beflügelt den Anstieg der US-Renditen und unterstützt die Attraktivität von Dollar-Anlagen zusätzlich. Auch Zinsanhebungen in den Emerging Markets zur Stützung der eigenen Währung waren bereits zu beobachten. Damit treffen höhere Zinsen und ein festerer Dollar auf eine gestiegene Verschuldung sowie einen erhöhten Refinanzierungsbedarf seit der Finanzkrise. Daraus entsteht eine gefährliche Mischung.
Der gestiegene Ölpreis brachte zunächst noch keine Entlastung: Die Erdöl produzierenden Länder können zwar in der Regel ihre Einnahmen erhöhen, aber nur sofern der Wechselkurs stabil bleibt. Weil aber Ölpreis und US-Dollar in die gleiche Richtung tendierten, ergab sich hier keine Verbesserung der ökonomischen Situation.
In den vergangenen Wochen hat sich die Lage in den Schwellenländern beruhigt. Zwar hat sich die konjunkturelle Lage nicht geändert, aber die Investoren haben sich an das globale Störfeuer aus Handelskrieg und Zollbeschränkungen angepasst. In der Folge sind die Risikoprämien von Emerging-Markets-Anleihen etwas gesunken und ihre Kurse entsprechend gestiegen. Die durchschnittliche Gesamtrendite, gemessen am »Bloomberg Barclays EM USD Aggregate Total Return Index«, ist seit Jahresanfang von 4,5% auf etwa 5,7% geklettert und notiert damit am oberen Ende der Bandbreite der vergangenen sieben Jahre. Das spricht für ein deutlich verbessertes Chance-Risiko-Profil und bietet für mutige Investoren die Gelegenheit zum taktischen Wiedereinstieg. Auch die Analyse der Mittelbewegungen zeigt, dass sich die markttechnische Situation beruhigt hat: Emerging-Markets-Anleihenfonds verzeichneten zuletzt wieder Nettozuflüsse.
Für die weitere Entwicklung von Schwellenländeranleihen bleibt der US-Dollar maßgeblich. Eine weitere Aufwertung gegenüber anderen Währungen wirkt sich nachteilig aus. Bei stagnierenden Wechselkursen oder bei wieder schwächerem Dollar profitieren, je nach Richtung der Rohstoffpreise, entweder die lateinamerikanischen und afrikanischen Rohstoffe produzierenden Emerging Markets oder die asiatischen Rohstoffe nachfragenden Länder.
Solange sich in der Kursentwicklung des US-Dollars keine grundlegende Umkehr abzeichnet und politische Unsicherheiten sowie schwächelnde Konjunkturaussichten weiter bestehen, sollten Anleger nur Positionen in geringem Umfang aufbauen. Dabei ist der Kauf ausgewählter Anleihen von Rohstoffe produzierenden Ländern Lateinamerikas sowie von weniger anfälligen Emittenten aus Osteuropa sinnvoll. Um gegen jederzeit mögliche Renditeanstiege gewappnet zu sein, sollte das Zinsänderungsrisiko begrenzt bleiben. Deshalb empfehlen wir Laufzeiten von maximal vier Jahren."
Alexander Posthoff, Senior Portfolio Manager, Bantleon
Gastkommentare werden von anerkannten Experten verfasst, deren Meinungen nicht mit jener der e-fundresearch.com Redaktion übereinstimmen müssen.