Dies ist das Ergebnis einer aktuellen qualitativen Umfrage der Frankfurter Asset-Management Gesellschaft Tungsten Capital unter mehr als 50 Anlegern, darunter vornehmlich institutionelle und semi-institutionelle Investoren.
Datenqualität entscheidend
Spannenderweise ist Rendite nicht der wichtigste Faktor, mit dem Anleger den Einsatz neuer KI-Technologien bei der Geldanlage bewerten. Lediglich 26 Prozent der Befragten nennen Performancevorteile als Top-Priorität. Dagegen kommen der Verbesserung des Chance-Risiko-Verhältnisses (51 Prozent) und der Eliminierung des Behavioral Bias (43 Prozent), also emotionaler Einflüsse, jeweils eine deutlich höhere Bedeutung zu (Mehrfachnennungen waren möglich). Schlüsselkriterium ist jedoch die Berücksichtigung einer Vielzahl von Variablen und relevanter Datenquellen (70 Prozent). „Das Thema Daten spielt für Investoren eine wichtige Rolle“, kommentiert Michael Günther, Portfoliomanager von Tungsten TRYCON, die Ergebnisse. „Fortschritte in Hard- und Software ermöglichen es, die Portfolioauswahl mittels maschineller Intelligenz und Analysetechnologien zu unterstützen. Der Aufwand für die Rechenleistung und Datenverknüpfung ist dabei mithin immens“.
Allerdings nimmt ein großer Teil der Anleger (47 Prozent) die Qualität der verfügbaren Daten auch als größte Herausforderung bei der Umsetzung einer von Algorithmen gestützten Investmentstrategie wahr. „Inwieweit die Leistungsfähigkeit von KI den menschlichen Analysten ergänzt und welche Art von Daten dabei zum Einsatz kommen, dies wird die Asset Management-Branche in den nächsten Jahren verstärkt beschäftigen“, führt Pablo Hess, ebenfalls Portfoliomanager von Tungsten TRYCON, weiter an. „Einige Anbieter nutzen vornehmlich strukturierte Finanzinformationen und Zeitreihen, etwa Preis- und Umsatzdaten, andere versprechen sich Erkenntnisse beispielsweise aus Social Media-Nachrichten wie Twitter oder Blogs“.
Hinkt die Finanzindustrie anderen Branchen hinterher?
Während in anderen KI-Anwendungsbereichen – etwa Spracherkennung für Mobiltelefone – eindeutigere Muster vorherrschen, sind die Kapitalmärkte von einem hohen Maß an Ungewissheit geprägt. Fast jeder zweite Teilnehmer (47 Prozent) hält daher neben der Datenqualität die Eigenheiten und Komplexität der Finanzmärkte für die größte Herausforderung in der Praxis. „Künstliche Intelligenz im Fondsmanagement arbeitet mit Wahrscheinlichkeiten für den Eintritt möglicher Szenarien und Kursentwicklungen. Eine Gewissheit über zukünftige Entwicklungen kann auch die KI nicht geben“, bekräftigt Michael Günther. Vorangegangene Umfragen, etwa jüngste Studien des BVI, fokussierten vornehmlich auf administrativen, prozessualen sowie IT- und vertriebsseitigen Einsatzgebieten von KI. „Mit unserer Umfrage verfolgten wir das Ziel, einige qualitative Einschätzungen aus Anlegersicht dezidiert zum Nischenthema KI im Investment Management einzuholen“. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Umfrageteilnehmer die Finanzbranche beim Einsatz von KI im Branchenvergleich nur auf einem der hinteren Plätze verorten. Im Automobilsektor wird KI aus Sicht der befragten Anleger bislang am erfolgreichsten eingesetzt (Platz 1), gefolgt von der Telekommunikations- und Pharmaindustrie. Die Finanzbranche rangiert auf dem letzten Platz, knapp hinter dem Energiesektor. „Die Anwendung von KI in der Finanzbranche ist vermutlich weniger greifbar als in anderen Industrien, denkt man nur an das autonome Fahren. Automatisierungen und Prozesseffizienzen sind nur eine Einsatzmöglichkeit von KI im Finanzbereich, die Identifizierung von Handelsgelegenheiten im Portfoliomanagement bildet eine weitere“, gibt Pablo Hess zu bedenken. „Gleichsam wird das Thema auch innerhalb der Finanzbranche nicht immer trennscharf - zum Beispiel gegenüber Robo-Advisory - behandelt“.
Aufholpotenzial gegenüber USA und China
Fortschrittliche KI-Technologien wurden bisher, so die Ausgangsthese für die Umfrage, vornehmlich mit dem Silicon Valley assoziiert. Die Ergebnisse der Umfrage deuten darauf hin, dass die befragten Anleger Nachholbedarf für Deutschland und Europa sehen. Bei der Frage, welche Länder und Regionen künftig KI-Zukunftstechnologien dominieren werden, konnten die Teilnehmer Schulnoten (1 = sehr gut bis 6 = ungenügend) für die Wettbewerbsfähigkeit der Standorte vergeben. Den USA und China stellen die Anleger mit der Note 2 jeweils ein gutes Zeugnis aus, Deutschland und Europa schneiden nur mit Note 4 ab.
Inwieweit KI im Fondsmanagement in Deutschland weiter Verbreitung finden wird, dies wird aus Sicht der Autoren nicht nur auf der Angebotsseite entschieden. „Wir gehen davon aus, dass mehr Anbieter die Potenziale von KI erschließen wollen und entsprechende Technologiekenntnisse an Bord holen werden“, so Michael Günther. „Die Umstellung auf einen größeren Anteil der KI im Investmentprozess wird die Branche in den nächsten drei bis fünf Jahren ein Stück weit verändern“. Wichtig sei aber, dass dieser Innovationsschub mit der Nachfrageseite korrespondiert. „Investoren erwarten einen Mehrwert gegenüber einer Anlagelösung, die keine KI einsetzt“. Wenn die Branche ihre Hausaufgaben macht, dann dürfte der Wertbeitrag von KI im Investment Management aus Sicht der befragten Anleger künftig hoch (62 Prozent) oder sogar sehr hoch (13 Prozent) sein. Über drei Viertel der Umfrageteilnehmer (81 Prozent) gehen davon aus, dass die Nachfrage nach KI-basierten Investmentstrategien in den nächsten fünf Jahren (erheblich) zunehmen wird.
Über die Studie
Die Umfrage „Künstliche Intelligenz im Investment Management 2019“ wurde in diesem Jahr erstmals von TRYCON im Zeitraum 6. bis 14. Mai 2019 online durchgeführt. An der Umfrage nahmen 53 Anleger teil, davon ca. 82 Prozent institutionelle Investoren, Vermögensverwalter, Family Offices und Anlageberater sowie ca. 18 Prozent Privatanleger. Die Befragung erhebt nicht den Anspruch einer quantitativen Erhebung und beleuchtet Einschätzungen und Trends zur Wahrnehmung der Vorteile und Herausforderungen beim Einsatz von KI in Fonds und Investmentstrategien.