ESG-Reportings: Vom Nischenthema zum "Must-have" für Investoren & Produktanbieter

Von der Rohdatenbasis bis zum zielgruppenspezifischen & täglich aktualisierten ESG-Reporting ist es ein langer Weg: Worauf bei der Erstellung von ESG-Reportings in der Praxis zu achten ist, welche Chancen und Herausforderungen sich dabei für Produktanbieter ergeben und inwiefern der Regulator bereits konkrete ESG-Reporting-Leitlinien vorgibt, diskutierte e-fundresearch.com im Exklusiv-Interview mit Johannes Hauptmann, CEO & Co-Founder, Anevis Solutions GmbH. Markets | 13.10.2020 12:00 Uhr
Johannes Hauptmann, CEO & Co-Founder, Anevis Solutions GmbH / © Anevis Solutions
Johannes Hauptmann, CEO & Co-Founder, Anevis Solutions GmbH / © Anevis Solutions
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e-fundresearch.com: Laut Daten von Morningstar haben ESG-Fondsstrategien im zweiten Quartal 2020 mit weltweit +71,1 Milliarden US-Dollar ihren mit Abstand besten Netto-Quartalsabsatz seit Beginn der Aufzeichnungen erzielen können, der Löwenanteil entfällt dabei auf europäische Investoren. Worauf führen Sie dieses hohe Investoreninteresse zurück? 

Umweltfreundlichkeit ist damit kein Alleinstellungsmerkmal mehr, sondern wird zunehmend vorausgesetzt.

Johannes Hauptmann: Nachhaltigkeit ist das Thema der Zukunft. Nicht nur in den Medien ist es mit Fridays for Future oder der Diskussion rund um das Corona Hilfspaket omnipräsent. Das wachsende Interesse spiegelt sich auch im Investmentbereich wieder. Im Hinblick u.a. auf den Klimawandel steigt die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten. Umweltfreundlichkeit ist damit kein Alleinstellungsmerkmal mehr, sondern wird zunehmend vorausgesetzt. Wirtschaftliches und gesellschaftliches Handeln auf Nachhaltigkeit zu trimmen, stellt dabei eine Mammut-Aufgabe dar, die es zu bewältigen gilt.

Wir sind gespannt, die Entwicklung im ESG-Fondsstrategiebereich weiter zu beobachten. Mich würde es nicht wundern, wenn wir zum dritten und vierten Quartal ähnliche, wenn nicht sogar noch stärkere Wachstumszahlen sehen würden.

e-fundresearch.com: Vom Ausmaß der eingesparten Tonnen an CO2 im Vergleich zur Benchmark bis hin zu einem geringeren Verbrauch von seltenen Erden, Einwegplastik oder Trinkwasser: Zumindest in der Theorie bieten ESG-Fondsstrategien den großen Vorteil, Investoren regelmäßig klar messbare KPIs transparent reporten zu können und die Strategien dadurch etwas „greifbarer“ zu machen. Was beobachten Sie in der Praxis? Nutzen Produktanbieter dieses Potenzial bereits?

Mit Blick auf die EU-Verordnung steigt der Druck, ESG-Reportings zu liefern.

Johannes Hauptmann: Ja, einige Produktanbieter nutzen bereits das Potenzial. Allerdings können sie dieses oft nur bedingt ausschöpfen. Grund dafür ist die teils mangelnde Datenverfügbarkeit bzw. -qualität. Im CO2-Bereich sind beispielsweise schon viele Daten, wie Emissionsumfang in tCO2, relativer CO2 Fußabdruck, CO2 Intensität, etc. vorhanden. Hingegen ist die Rohdatenbasis für andere Themen leider nicht umfänglich genug, um schlüssig reporten zu können. ESG-Reporting umfasst eben nicht nur Umweltaspekte, sondern auch gesellschaftliche Aspekte. Gerade für den Bereich sozialer Kriterien, wie Chancengleichheit oder Menschenrechte sowie Führungsaspekte, lassen sich aktuell nur schwer verlässliche Daten finden. Inzwischen liefern aber zunehmend Nachhaltigkeits-Analysehäuser detaillierte Auswertungen für einzelne Bereiche, die sich natürlich gut in Reportings integrieren lassen. Mit Blick auf die EU-Verordnung steigt der Druck, ESG-Reportings zu liefern. Damit nimmt auch meiner Einschätzung nach der Bedarf an qualitativ hochwertiger Datenverfügbarkeit zu, welche letztendlich bedient werden wird. Ich denke, es ist nur noch eine Frage der Zeit bis auch in allen anderen Nachhaltigkeitsbereichen genug Daten für aussagekräftige Analysen gesammelt werden.

e-fundresearch.com: Wie kann Ihr Unternehmen Asset Managern bei diesen Aufgaben konkret weiterhelfen und worauf ist bei der Gestaltung von ESG-Reportings Ihrer Meinung nach besonders zu achten?

(...) wir achten dabei stets auf die Authentizität und Vergleichbarkeit der ESG-Reportings.

Johannes Hauptmann: Wir unterstützen unsere Partner dabei, Rohdaten oder Analyseergebnisse in ein zielgruppenspezifisches Reporting umzuwandeln. Das machen wir sowohl für kollektive Investment Anlagen, wie z.B. UCITS oder AIF, als auch für die Vermögensverwaltung oder zum Beispiel das Depot A einer Bank. Dabei achten wir stets auf die Authentizität und Vergleichbarkeit der ESG-Reportings.

Außerdem gehen wir natürlich auch auf die besonderen Anforderungen privater und institutioneller Investoren ein. Zudem können wir durch die tägliche Aktualisierung der ESG-Reports sicherstellen, dass unmittelbare Änderungen durch Marktschwankungen oder Umschichtungen in Portfolien direkt abgebildet werden können.

e-fundresearch.com: Ihr Unternehmen verarbeitet ESG-Daten und Ratings unterschiedlichster Anbieter. Haben alle Datenanbieter eine Daseinsberechtigung oder erwarten Sie, dass sich in den kommenden Jahren nur mehr einige wenige Anbieter durchsetzen werden?

Vor einiger Zeit wirkte ESG-Reporting noch wie ein Nischenthema für Öko-Banken, mittlerweile ist es ein entscheidender Investitions Aspekt für Anleger.

Johannes Hauptmann: Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass der Markt sicherlich in Zukunft einem Konsolidierungsdruck ausgesetzt sein wird. Aktuell sehe ich das noch nicht. Es behaupten sich gerade viele tolle, teils junge Firmen, die mit kreativen Ideen oder wissenschaftlichen Modellen neue Informationen aus den bestehenden Nachhaltigkeitsdaten extrahieren können oder auf innovative Weise Rohdaten beschaffen. Meiner Einschätzung nach, wird sich das Angebot auf den Markt in naher Zukunft eher ausweiten. Vor einiger Zeit wirkte ESG-Reporting noch wie ein Nischenthema für Öko-Banken, mittlerweile ist es ein entscheidender Investitions Aspekt für Anleger. Damit wird es langfristig zum festen Bestandteil in der Finanzindustrie.

e-fundresearch.com: Mit Blick auf Europa: In welchem Ausmaß gibt der Regulator bereits konkrete Vorgaben was die Ausgestaltung und den Umfang von ESG-Reportings in der Asset Management Industrie anbelangt? Wo könnte die Reise aus regulatorischer Sicht hier mittelfristig noch hingehen?

Meiner Meinung nach ist das der richtige Schritt, um die Vergleichbarkeit verschiedener Finanzprodukte hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit zu ermöglichen.

Johannes Hauptmann: Die EU-Offenlegungsverordnung, die am 10. März 2021 in Kraft tritt, enthält im Grunde keine konkreten Vorgaben, wie genau die Informationen zu den Nachhaltigkeitsrisiken offengelegt werden müssen. Klar war bislang nur, dass die Finanzmarktteilnehmer einen Bericht veröffentlichen müssen, der Strategie und Informationen zur Nachhaltigkeit des Finanzproduktes beinhaltet. Dabei gibt es kein einheitliches Maß, wie die Nachhaltigkeitsrisiken bewerten werden sollen. Laut Verordnung muss aus dem Bericht nur ersichtlich sein, wie die Nachhaltigkeit für das Finanzprodukt gemessen wurde. Die Europäische Aufsichtsbehörde (ESA) hat deshalb damit begonnen, eine allgemein verbindliche Vorlage zu erstellen, die Standards für ESG-Reporting setzen soll. Meiner Meinung nach ist das der richtige Schritt, um die Vergleichbarkeit verschiedener Finanzprodukte hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit zu ermöglichen. Ziel ist am Ende eine verbindliche Vorlage für ESG-Reporting. Bis zum 16. Oktober 2020 können Interessenvertreter noch Kommentare zu den drei initial veröffentlichten Mock-Ups der ESA einreichen, wir sind gespannt auf das Ergebnis und die weitere Entwicklung.

e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Hauptmann!

Über den Gesprächspartner:

Johannes Hauptmann ist Co-Founder und CEO der 2012 gegründeten Anevis Solutions GmbH mit Sitz in Würzburg. Das Unternehmen ist auf IT-gestützte Reportinglösungen für die Finanzbranche spezialisiert.

Vor seiner Tätigkeit bei Anevis Solutions sammelte Hauptmann Erfahrung in verschiedenen internationalen Firmen, wie zuletzt bei Goldman Sachs in London. Den Anfang seiner Karriere begann er als Mitglied des Risikomanagement-Teams der VP Bank in Liechtenstein. Er verfügt über einen Master of Science in Finance- and Information Management der Technischen Universität München. Während seines Studiums war er als Assistent verschiedener Professoren an der Universität Augsburg, der University of Toronto und der Technischen Universität München, sowie als Teamleiter eines Forschungprojekts zur Modellierung von Kreditrisiken tätig. 

Hauptmann ist Mitautor verschiedener Publikationen in Fachzeitschriften, darunter „Forecasting Market Turbulences using Regime­Switching Models“ (erschienen in Financial Markets and Portfolio Management) oder „Fast and Accurate Estimation of Risk Measurements for a Large Mark-to-Market Credit Portfolio with Random Recovery and Correlation“ (erschienen in Journal of Credit Risk).

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