Zweistelliges Wachstum in den USA: Wiederbelebung des Zweitmarkts für Lebensversicherungen?

Die Lebenserwartung in den USA hat sich dem American Council of Life Insurers zufolge dramatisch verbessert. Ein 25-jähriger Amerikaner kann heute davon ausgehen, im Schnitt noch 54,7 Jahre zu leben. Im Jahr 1900 waren das nur 39,1 Jahre gewesen. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines 2018 geborenen Amerikaners beträgt 76,2 Jahre, die einer Amerikanerin 81,2 Jahre. Die National Association of Insurance Commissioners musste die statistische Altersobergrenze auf ihren Sterbetafeln bereits auf 120 ausdehnen. Markets | 08.06.2021 09:52 Uhr
Dr. Rainer Grünig, CEO von Plenum Investments / © Plenum Investments / e-fundresearch.com
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Steigende Lebenserwartung in den USA unterstützt die Wiederbelebung des Zweitmarkts für Lebensversicherungen 

Für Versicherer stellt die Langlebigkeit neben dem Liquiditätsrisiko die größte Herausforderung dar und sie erhöht langfristig die Kosten. Dennoch nimmt die Bedeutung der Lebensversicherung nach Volumen, Zahl und Umsätzen in den USA stetig zu, wobei die Einzellebensversicherung die am weitesten verbreitete Form ist und 2019 etwa 62 Prozent aller Lebensversicherungen ausmachte. Der individuelle Lebensversicherungsschutz belief sich Ende 2019 auf 12,4 Billionen US-Dollar und ist seit 2009 um 1,8 Prozent pro Jahr gewachsen. Die durchschnittliche Höhe der neu abgeschlossenen Einzellebensversicherungen ist von 2009 (172.040 $) auf 178.150 $ im Jahr 2019 gestiegen. 2019 wurden Policen im Wert von 3,1 Billionen US-Dollar abgeschlossen, ein Anstieg von 2,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 

Obwohl der grundlegende Zweck der US-Lebensversicherung darin besteht, den Erben oder Begünstigten gegen die wirtschaftlichen Risiken des Todes des Versicherten zu schützen, kann sie auch durch Storno oder Verkauf auf dem Zweitmarkt einen Wert für den einzelnen Versicherungsnehmer generieren. Eine Police verfällt, wenn die Prämie nicht bis zum Ende einer bestimmten Zeitspanne gezahlt wird. Versicherungsnehmer verwenden ihre Policen, um finanzielle Notlagen zu beheben oder langfristige Ziele zu erreichen. Dabei verkaufen sie die in einer fernen Zukunft liegende große Ablaufleistung gegen einen deutlich geringeren Betrag, der heute ausgerichtet wird, was  die bessere Option darstellt, als die Police durch Nichtbezahlen der Prämie wertlos verfallen zu lassen oder sie der Versicherung zum Rückkauf anzubieten: Auf dem Zweitmarkt erhält der Policeninhaber in der Regel ein Vielfaches des Rückkaufswertes. 2019 wurden auf diese Weise Policen im Wert von 3 Milliarden US-Dollar gehandelt.  

Zunehmender Disintermediationsprozess

Die Life Settlement-Markt erfreute sich in den letzten Jahren an zweistelligen Wachstumsraten. Plenum Investments, ein Spezialist für Insurance Linked Capital, rechnet damit, dass der Markt nach einer pandemiebedingten Verlangsamung bald wieder zu den alten Wachstumsraten zurückfinden wird. Bezüglich der durchschnittlichen Policenwerte wird langfristig erwartet, dass diese im Zuge eines zunehmenden Disintermediationsprozesses und der damit verbundenen abnehmenden Bedeutung von Maklern, dem Wegfall der Transaktionskosten und einer allgemeinen Ausweitung des Marktes weiter sinken werden. Mit anderen Worten: Auch kleinere Policen werden attraktiv für den Zweitmarkt. Verbesserungen in der medizinischen Risikoprüfung versprechen zudem eine höhere Genauigkeit und Effizienz bei der Policenbewertung. Die zunehmende Genauigkeit des medizinischen Underwritings ist eine weitere Wachstumsposition für Life Settlements. Da sich die Vorhersagen zur Lebenserwartung verbessern, werden die Renditen langfristig konsistenter, was sich wiederum positiv auf die Nachfrage nach Policen auswirkt.  

Während die steigende Lebenserwartung die Versicherer belastet, kann der Zweitmarkt davon sogar profitieren: «Eine höhere Lebenserwartung bedeutet einen höheren Abschlag auf dem realisierbaren Verkaufspreis; der Investor will sich das höhere Risiko entschädigen lassen», erläutert Dr. Rainer Grünig, CEO von Plenum Investments: «Gleichzeitig steigt mit der Lebenserwartung beim Versicherungsnehmer aber auch der Druck, die Police zu verkaufen, denn damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass der Versicherungszweck letztlich wegfällt. Der Druck, die im hohen Alter überproportional ansteigenden Prämien weiterhin zu zahlen, fällt mit dem Verkauf ebenfalls weg – das übernimmt künftig der Investor. Mit steigender Lebenserwartung nimmt die Zahl der Menschen zu, die sich zu solchen Themen überhaupt Gedanken machen dürften. Somit steigt auch das Angebot an Policen. So betrachtet muss für den Käufer einer Police der Anstieg der Lebenserwartung kein erhöhtes Risiko darstellen.», begründet Grünig die Marktentwicklung. 

Potential: 500.000 Stornos stehen 1.250 Verkäufe auf dem Zweitmarkt gegenüber 

Dennoch ist das größte Marktpotential bislang ungenutzt: Nach Untersuchungen des Insurance Studies Institute stornieren jährlich mehr als 500.000 Senioren ihre Lebensversicherung und nur 1.250 nutzen die Vorteile eines Life Settlements. Das bedeutet, dass aktuell nur etwa 0,25 % des adressierbaren Marktes erreicht werden.  

Bis 2030 werden alle Babyboomer 65 Jahre und älter und jeder fünfte US-Bürger im Rentenalter sein. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 waren etwa 15 % der Bevölkerung 65 Jahre und älter. Die Nation altert und das volle Gewicht der Babyboomer-Generation beginnt, auf die Altersdemografie in Amerika zu drücken. Eine Hauptsorge sind die unerschwinglichen Kosten für die Gesundheitsversorgung. «Viele lernen gerade, dass der vergessene Vermögenswert der Lebensversicherung monetarisiert und zur Finanzierung der Langzeitpflege verwendet werden kann», fasst Grünig die Aussichten zusammen. 

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