Wie gemeinhin bekannt sind wir, die wir uns in der Finanzindustrie verdingen, Meister im Erklären und Begründen und Verorten von nicht ganz so klaren Umständen, Ursachen und Kausalzusammenhängen, am liebsten und natürlich auch am besten in Hindsight. :-) Dass das im Nachhinein immer hervorragend klappt und es immer auch ein paar gibt, die´s natürlich sowohl vorher gewusst und auch irgendwo gesagt haben, ist dabei selbstverständlich. Tatsächlich ist es aber natürlich schon auch so, dass hier ein immenser Pool an vernetzten Wissen am Werk ist und das nicht erst seit Facebook, Twitter und Reddit. Irgendwo im Kollektiv, das auf Nachfragen natürlich behaupten wird, dass alles originär, geheim und proprietary ist, sind meistens recht früh plausible Erklärungen für fast alles was da so passiert zu finden bzw. zu hören. Wichtig ist heut hier vielleicht abzugrenzen, dass hier – in der Regel ;-) – keine Verschwörungstheoretiker am Werk sind, die sich in irgendwelchen Feedbackräumen die Wahrheit suchen, die ihnen gerade passt, sondern höchst qualifizierte, ebenso bezahlte Professionals.
Wenn also Marktbewegungen stattfinden, deren Ursache nicht in dem Maße augenfällig sind, fängt alles mit der meistens für den Stellenden recht beunruhigenden Frage an: Was ist mir da entgangen? So unlängst geschehen beim massiven Anstieg der Gaspreise. Inzwischen scheint sich die Gemengelage soweit verdichtet zu haben, dass hier eine Reihe von Faktoren (wie meistens ;-)) identifiziert werden können, die Mitschuld an der Geschichte haben. Spekulation, Inflation, die Diskussion, ob Gas im Rahmen der Taxonomy nicht doch grün sein wird, russische Lieferspielerein im Rahmen von Nordstream 2, niederländische Vorratskavernen, die wegen Erdbeben aus dem Spiel genommen wurden, Distributionslogistik Probleme etc. - um hier nur die wichtigsten anzuführen - haben sich als Erklärungspuzzelsteine herauskristallisiert, wobei so ganz befriedigend ist das alles irgendwie nicht, oder? 150% Anstieg von März bis September sind jedenfalls eine Bewegung, die irgendwo ihre Spuren hinterlassen wird..
Weniger aufregend, weil vermeintlich leichter erklärbar, sind die Bewegungen auf den Zinsmärkten, wo sich vor allem am längeren Ende langsam aber sicher was abzuspielen beginnt, was nicht darauf hindeutet, dass die meisten nicht ganz schlecht informierten Anleiheninvestoren hüben wie drüben davon ausgehen, dass die Inflation nicht nur vorübergehend sein könnte. Beunruhigt uns das? Noch nicht, weil sich ja an der Grundstruktur der saturierten, westlichen Märkte in all ihren, auch demographischen Aspekten, nichts geändert hat und nicht davon auszugehen ist, dass wir längerfristig überhitzen werden. Blöd wäre allerdings, wenn sich das Wachstum einbremst, die Lohn-/Preisspirale sich aber weiter – weil deutlich träger – weiter hochschraubt. Auch das ist, bleiben wir in Europa, bis drei, vier vielleicht fünf Prozent kein Problem, dann wird´s allerdings spannend, weil sich die EZB unter Rücksichtnahme auf die Länder mit weniger guten Bonitäten was überlegen wird müssen.
Legen wir das, was auf den Assetmärkten insbesondere bei Immobilien und Aktien in den letzten Jahren passiert ist – und es spricht einiges dafür das Phänomen, das sich die Realwirtschaft mittelfristig nicht ganz von den Kapitalmärkten entkoppeln kann -, auf den Warenkorb von Familie Mustermaus um, dann verspricht das eventuell noch spannend zu werden und zwar nicht im Sinne des Hollywood Films. Ob, wenn es denn so sein soll, diese Erkenntnis dann sozusagen am Rückweg wieder auf den Kapitalmärkten ankommt, ist zur Stunde völlig offen. Die Fed hat jedenfalls mit ihrer diesmal ausgesprochen behutsamen Vorbereitung auf das Tapering gute und breit Arbeit geleistet, nur was hilfts, wenn kaum einer zuhört. :-) Hoffentlich naschen wir nicht wieder alle gleichzeitig vom Apfel der Erkenntnis. Das nur weil grad der 19. Oktober war… :-)
Zum Schluss noch eine Beobachtung, die ich in den letzten Tagen machen durfte: Unsere Industrie scheint, wobei das möglicherweise ein Österreichisches Spezifikum ist, zwar nicht mehr so in zu sein wie das vielleicht in den 90er Jahren war, aber dafür wird das Interesse offensichtlich dort wo es vorhanden ist inzwischen über die Generationen weitergegeben und die nächsten top ausgebildeten, engagierten Young-Professionals stehen schon vor der Tür, was mich durchaus optimistisch und hoffnungsfroh stimmt. Deshalb aus gegebenem Anlass ein kleiner Tipp: Erscheinen sie zu einem Vorstellungsgespräch, auch wenn es nur um ein Praktikum geht, geschnäuzt, gekammpelt – der feinste Zwirn ist wohl nicht mehr notwendig, aber Jeans und T-Shirt geht nicht – fachlich und inhaltlich vorbereit, weil das dem Gegenüber Respekt vermittelt und allen leere Kilometer spart, weil nicht alle Unternehmen sind Start-Ups. :-)
So long!
Florian Gröschl, Geschäftsführer und Miteigentümer der Absolute Return Consulting GmbH
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