Dun & Bradstreet Chefökonom: „Zwei Themen dürften die globalen Wirtschaftsaussichten trüben“

Die Weltwirtschaft steht vor großen Herausforderungen, die jüngste Bankenkrise und die drohende Rezession übt Druck auf die Märkte aus. Erfahren Sie im exklusiven e-fundresearch.com Interview mit Dr. Arun Singh, Chefökonom bei Dun & Bradstreet, mehr über die globalen Wachstumsperspektiven, die weiteren Entwicklungen in den Schwellenländern und deren treibende Faktoren. Markets | 07.06.2023 14:00 Uhr
Dr. Arun Singh, Chefökonom, Dun & Bradstreet / © e-fundresearch.com / Dun & Bradstreet
Dr. Arun Singh, Chefökonom, Dun & Bradstreet / © e-fundresearch.com / Dun & Bradstreet

e-fundresearch.com: Herr Singh, wie beurteilen Sie die globalen Wirtschaftsaussichten für die nächsten 12-24 Monate?

Dr. Arun Singh: Zwei Themen dürften die globalen Wirtschaftsaussichten trüben: Die Aussicht auf eine Rezession in den entwickelten Märkten und ein schwieriges geopolitisches Umfeld. In den USA und Europa neigt sich der aggressive Zinserhöhungszyklus dem Ende zu, und die Inflation liegt immer noch über den Zielen der Zentralbanken. Man kann argumentieren, dass die Rezession möglicherweise durch bewusste politische Entscheidungen herbeigeführt wird. Die Unternehmen sollten sich jedoch eher Sorgen über eine längere Periode mit schleppendem Wachstum und hoher Inflation als über eine Rezession machen. Gleichzeitig führen geopolitische Erwägungen zu strukturellen Verschiebungen in den Lieferketten und Handelsströmen, und die Auswirkungen werden über 12 bis 24 Monate hinaus andauern.

e-fundresearch.com: Wie hat sich die jüngste Bankenkrise auf die wirtschaftliche Entwicklung ausgewirkt? Und wie hat sich die Bankenkrise auf das Vertrauen der Verbraucher und Investoren ausgewirkt?

Dr. Arun Singh: Die Bankenkrise hat die Kredit- und Darlehensbedingungen zusätzlich zum geldpolitischen Straffungszyklus verschärft. Bestimmte Sektoren, wie z. B. Gewerbeimmobilien in den USA, dürften von diesem Schock unverhältnismäßig stark betroffen sein. Sowohl das Vertrauen der Verbraucher als auch das der Investoren ist sichtlich erschüttert. Zwar räumten die Behörden den Interessen der Einleger Vorrang ein. Dennoch setzte sich die Flucht der Einleger von Wettberbern der gescheiterten US-Banken in die Sicherheit größerer Banken fort. Anleger, die Aktien und Anleihen dieser Banken halten, mussten erhebliche Verluste hinnehmen. Das hat dazu geführt, dass Investoren in Bezug auf eine ganze Anlageklasse nervös wurden. Es ist nicht auszuschließen, dass es zu weiteren Panikreaktionen von Einlegern oder Anlegern kommt.

e-fundresearch.com: Welche Lektionen haben die Zentralbanken aus der jüngsten Bankenkrise im Hinblick auf das Risikomanagement gelernt?

Dr. Arun Singh: Erstens sind Versäumnisse des Managements der Kern dieser in Schwierigkeiten geratenen Finanzinstitute. Für die Zentralbanken besteht eine offensichtliche Lehre darin, sich der Nebenwirkungen ihrer politischen Maßnahmen bewusst zu sein, da sie die Kosten für die Finanzierung erhöhen. Während ihre Maßnahmen (angesichts der hohen Inflationsrate) zwingend notwendig waren, kann über Tempo und Aggressivität der Zinserhöhungen diskutiert werden. Zweitens räumte die US-Notenbank Fed ein, dass sie bei der Beaufsichtigung und Regulierung kleinerer Banken mehr hätte tun können. Diese Lücken müssen jetzt geschlossen werden. Und eine weitere Lehre besagt, dass es wichtig ist, umfassend, klar, entschlossen und mutig zu sein, um eine Panik zu verhindern - im Einklang mit dem, was die Behörden bereits getan haben. Es kann sein, dass das trotzdem nicht klappt - man denke etwa an die Credit Suisse oder die First Republic Bank -, aber Untätigkeit hätte noch schlimmere Folgen haben können.

e-fundresearch.com: Wie sehen die Wachstumsperspektiven für die Schwellenländer aus und welche Faktoren treiben sie an?

Dr. Arun Singh: Die Schwellenländer im asiatisch-pazifischen Raum sind besser positioniert, um die weltweite Konjunkturabschwächung zu überstehen und bieten einige der besten Wachstumschancen. Dies ist zum Teil auf die Wiedereröffnung Chinas und die erwartete wirtschaftliche Erholung der regional integrierten Volkswirtschaften zurückzuführen, zum Teil aber auch auf den starken Konsum in den binnenorientierten Volkswirtschaften. Für die Rohstoffexporteure im Nahen Osten und in Lateinamerika sind die Aussichten gemischt. Die Ölpreise liegen unter dem Niveau von 2022, und trotz Produktionskürzungen drückt die Nachfragedynamik derzeit auf die Preise. Die sich entwickelnden Märkte in Afrika südlich der Sahara und in Osteuropa leiden immer noch unter einem erheblichen Inflationsdruck. Einige Länder in Afrika sind für Investoren, die ihre Rohstofflieferanten diversifizieren wollen, attraktiv geworden.

e-fundresearch.com: Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen, denen sich die Schwellenländer derzeit stellen müssen? Und welche Schritte können unternommen werden, um diese Herausforderungen zu meistern?

Dr. Arun Singh: Kein Land, auch nicht die Schwellenländer, kann sich den Herausforderungen entziehen, die durch hohe Inflation, ein angespanntes Kreditumfeld, geopolitische Konflikte und Schocks im Finanzsektor entstehen. Es wird immer schwieriger, die Bevölkerung vor den steigenden Lebenshaltungskosten zu schützen und gleichzeitig die Schuldenverpflichtungen in einem Hochzinsumfeld zu erfüllen. Die Herausforderungen und die Priorität der erforderlichen Maßnahmen können jedoch von Land zu Land unterschiedlich sein. Auch die Innenpolitik ist eine "Wild Card": Dies könnte sich in Form von Überraschungen bei Wahlen und in der Politik oder in Form von Straßenprotesten manifestieren. Die Bemühungen um Abhilfe müssen derzeit darauf ausgerichtet sein, die Auswirkungen auf die Wirtschaftstätigkeit, die Staatsfinanzen und die gesellschaftlichen Spannungen zu minimieren. Ein größerer Bedarf besteht jedoch darin, diese Bemühungen so zu institutionalisieren, dass ein Regierungs- oder Führungswechsel nicht zu einem Rückfall in alte Verhältnisse führt.

e-fundresearch.com: Vielen Dank für das Gespräch Herr Singh.

Über Dr. Arun Singh

Dr. Arun Singh ist der globale Chefökonom bei Dun & Bradstreet. Das Global Economic Research Team bei Dun & Bradstreet arbeitet an Ländereinblicken in 132 Ländern, makroökonomischer Forschung, Modellierung und Vorhersage und führt pragmatische und lösungsorientierte Analysen zu strategischen wirtschaftlichen und geschäftlichen Entwicklungen durch, die sowohl Unternehmen als auch Regierungen helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen und den wirtschaftlichen und geschäftlichen Entwicklungen voraus zu sein.

Dr. Singh verfügt über mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung. Sein Arbeitsbereich umfasst quantitative und qualitative Wirtschaftsforschung, ökonometrische Modellierung, Prognosen, Analysen, Rohstoffforschung, maßgeschneiderte Forschung und Branchenforschung in einem breiten Spektrum von Sektoren. Vor seiner Tätigkeit bei Dun and Bradstreet India war Dr. Singh bei der Tata Group beschäftigt, wo er Projekte rund um Analyse und Erforschung verschiedener Wirtschaftsthemen bearbeitete. Er hat an der Universität von Mumbai, Indien, in Wirtschaftswissenschaften promoviert.

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