Nun ist es amtlich. Das Statistische Bundesamt geht nach ersten Berechnungen von einer Schrumpfung der deutschen Wirtschaftsleistung im Jahr 2023 um 0,3 Prozent aus. Auch wenn zwischenzeitlich ein noch größeres Minus erwartet wurde, zeigt der internationale Vergleich die offensichtliche Wachstumsschwäche Deutschlands, denn sowohl in den Ranglisten der europäischen Nachbarstaaten als auch im Vergleich mit außereuropäischen Industriestaaten liegt Deutschland am Ende. Dabei wird die deutsche Volkswirtschaft besonders von der zyklischen globalen Nachfrageschwäche der Industrie getroffen, wie die zuletzt schwachen Exportdaten widerspiegeln. Hinzu kommen strukturelle Veränderungen aufgrund der in den letzten Jahren deutlich nachlassenden Standortqualität. So erreicht die energieintensive Produktion derzeit nur noch rund 80 Prozent des Niveaus von Anfang 2022, also vor dem Ausbruch des Ukrainekriegs. Doch vergleichsweise hohe Energiepreise sind nur ein Schwachpunkt, der allerdings auch in den kommenden Jahren die Industrieproduktion belasten wird. In einer von diversen Unsicherheitsfaktoren – von stark gestiegenen Preisen über geopolitische Konfliktfelder bis zu erneuten Belastungen von Lieferketten durch die Umfahrung des Roten Meeres – geprägten Zeit, wiegen weitere Schwächen des Wirtschaftsstandorts umso schwerer.
Die Schwächen des Wirtschaftsstandorts Deutschland
Allen voran sind es altbekannte Themen wie die Bürokratie und langwierige Genehmigungs- und Umsetzungsverfahren, die unternehmerische Zukunftsentscheidungen erschweren. Hinzu kommen mit immer gravierenden Folgen die Entscheidungsschwäche und der fehlende langfristige Zukunftsplan der Bundesregierung im Zusammenhang mit einem dogmatischen Festhalten an der Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form. Eine direkte Folge dieser Konzeptlosigkeit ist eine deutlich zunehmende Frustration Vieler bzgl. der politischen Ausrichtung und der wirtschaftlichen Perspektiven skeptischer Bevölkerungsteile, die sich aktuell in Streiks und Blockaden äußert. Der Versuch die Wogen zu glätten, reißt allerdings neue Löcher auf, die die Zukunftsfähigkeit des Standorts weiter untergraben. Es wird immer offensichtlicher, dass Deutschland einen positiven emotionalen Ruck braucht, um die anstehenden Aufgaben zuversichtlich anzugehen. Solange dieser aber nicht absehbar ist, hängt die Wirtschaft weiter am Tropf des Außenhandels. Vor diesem Hintergrund sind die zur Veröffentlichung anstehenden Daten aus China zur Entwicklung der Anlageinvestitionen, der Einzelhandelsumsätze und der Industrieproduktion besonders wichtig. Denn nur eine dynamischere Belebung der chinesischen Wirtschaft könnte den deutschen Exportmotor wieder ankurbeln. Wenn man es Sicht der Kapitalanleger positiv sehen möchte, dann dürfte die anhaltende wirtschaftliche Schwäche zumindest den Inflationsdruck weiter senken und der EZB im Laufe des ersten Halbjahrs 2024 erste Leitzinssenkungen ermöglichen.
Von Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL
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