Hinweis: Dies ist Teil 2 von 2 unserer Ökonomen-Umfrage zur EZB-Sitzung. Teil 1 finden Sie hier.
e-fundresearch.com #EconomicsForum: Wagt die EZB die „Flucht nach vorn“?
In der Regel ist es so, dass die US-Notenbank Fed den Takt vorgibt und die EZB diesem Takt folgt. Anfang Juni könnte die EZB jedoch aus dem Takt tanzen und noch vor der Fed eine Leitzinswende nach unten starten.
In unserer aktuellen #EconomicsForum Ausgabe beleuchten wir, wie Chefvolkswirte und Kapitalmarktstrategen die möglichen Auswirkungen einer vorzeitigen Zinssenkung der EZB im Vergleich zur Fed einschätzen.
Unsere Fragen an das internationale e-fundresearch.com Ökonomen-Netzwerk:
- Ist eine Juni-Zinssenkung durch die EZB eine ausgemachte Sache?
- Ist eine Zinswende auf Basis der Datenlage gerechtfertigt?
- Wie sinnvoll ist es, dass die EZB noch vor der Fed mit Zinssenkungen startet?
- Könnten sich daraus ernsthafte Implikationen ergeben oder würde es sich bei einem vorzeitigen Agieren der EZB lediglich um eine nette Schlagzeile, einen sonst aber zu vernachlässigenden Umstand handeln?
Alle erhaltenen Statements haben wir Ihnen nachfolgend aufbereitet. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und interessante Denkanstöße für Ihre makroökonomischen Prognosen.
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Jörg Held, Head of Portfolio Management, ETHENEA Independent Investors S.A.
Von einer „Zinswende“ zu sprechen, wäre jedoch voreilig. Die Vergangenheit hat gezeigt: Ein zu frühes Ausrufen des Sieges über die Inflation kann fatale Schäden anrichten. Sollte die europäische Inflation erneut aufflammen, wäre unter Umständen ein erneuter Richtungswechsel der EZB erforderlich, der das schwache Wirtschaftswachstum abwürgen würde. Das Schreckgespenst Stagflation wäre ein Szenario, mit dem wir uns dann beschäftigen müssten.
Zinsschritte haben Signalwirkung für die Finanzmärkte und sind daher nicht zu unterschätzen. Sie folgen in der Regel einer sehr fundierten, gesamtheitlichen, makroökonomischen Begründung. Die Ausgangssituationen in der Eurozone und den Vereinigen Staaten sind dabei grundverschieden. In den USA können sich die Währungshüter mehr Zeit für ihren ersten Zinsschritt lassen. Denn die US-Wirtschaft ist sehr stark, der Arbeitsmarkt robust und außerdem fällt die Teuerungsrate im Trend langsamer.
Daniel Kerbach, Chief Investment Officer, BayernInvest
Florian Kuhn, Senior-Portfoliomanager, QC Partners
Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt FERI, FERI AG
Dass der ersten Zinssenkung in schneller Abfolge weitere folgen werden, ist nicht sehr wahrscheinlich: Erstens wird auch die EZB die zuletzt gestiegene Lohnentwicklung im Euroraum beobachten, weil von dieser Seite Gefahr für die Fortsetzung des Disinflationstrends droht. Zweitens wird sich die EZB mit Blick auf den Euro-Dollar-Wechselkurs nicht allzu weit von der Fed entfernen wollen, auch wenn sie dies derzeit anders kommuniziert. Schließlich würden auch von einem schwachen Euro neue Inflationsgefahren ausgehen.
Positive konjunkturelle Impulse sinkender Zinsen sind im Euroraum dringend notwendig. Allzu große Euphorie ist angesichts der üblichen Wirkungsverzögerungen der Geldpolitik allerdings nicht angebracht.
Daniel Feix, Geschäftsführer und Head of Portfolio Management, Impact Asset Management GmbH
Dieser wahrscheinliche Zinsschritt hat vor allem dahingehend Signalwirkung, dass die Zeiten hoher Inflation der Vergangenheit angehören (zuletzt lag die Inflationsrate im Euroraum im April bei 2,4%) und die EZB bereit ist, in einem herausfordernden makroökonomischen Umfeld unterstützend zu agieren.
Eoin Walsh, Partner & Portfolio Manager, TwentyFour Asset Management
Die mögliche Abweichung von der Fed erregt viel Aufmerksamkeit, aber die EZB muss letztendlich Entscheidungen auf Grundlage der wirtschaftlichen Triebkräfte für die europäische Wirtschaft treffen. Man sollte die EZB nicht davon abhalten, die Zinsen zu senken, nur weil sie die erste sein könnte. Sie wird jedoch wahrscheinlich nicht zu sehr von der Fed abweichen wollen und könnte zögern, mehr als zwei Zinssenkungen vor der Fed vorzunehmen. Aber am Ende wird sie auch weiterhin von den Daten abhängig sein, dabei spielt dann der Euro/USD-Wechselkurs eine Rolle und seine mögliche Auswirkung auf die Inflation eine Rolle.
Sebastian Vismara, Finanzökonom, BNY Mellon Investment Management
Die Flash-PMIs für die Eurozone stiegen im April dank eines Aufschwungs im Dienstleistungssektor stärker als erwartet auf 51,4, während das verarbeitende Gewerbe leicht zulegte, aber weiterhin unter 50 liegt. Die Daten deuten darauf hin, dass das Wachstum anzieht, wenn auch von einem verhaltenen Tempo ausgehend. Da die Inflation weiterhin in Richtung der EZB-Ziele tendiert, dürfte die bescheidene Stabilisierung der Wachstumserwartungen die Zentralbank nicht davon abhalten, die Zinssätze in den kommenden Monaten zu senken.
Andrea Conti, Head of Macro Research, Eurizon
Die Tatsache, dass die EZB vor der Fed handelt, mag aus journalistischer Sicht eine interessante Nachricht sein, hat aber eine wirtschaftliche Begründung, da die US-Wirtschaft eine heißere Wachstums-Inflations-Mischung aufweist als die der Eurozone; die US-Inflation liegt bei rund 3,5% und das reale BIP-Wachstum betrug im ersten Quartal des Jahres 3,0%.
Vor diesem Hintergrund ist der Refinanzierungssatz der EZB mit 4,5% real restriktiver als der der Fed mit 5,5%.
Natürlich können sich diese Erwartungen ändern. Sollte sich das Wirtschaftswachstum in den kommenden Monaten deutlich abschwächen, würde die geldpolitische Lockerung umfangreicher ausfallen und schneller erfolgen als derzeit erwartet.
Liam O'Donnell, Verantwortet im Fixed-Income-Team die Strategie für die Bereiche Macro und Rates, Artemis IM
Zudem erscheint es plausibel, dass die EZB der US-Notenbank Fed zuvorkommt, denn in den USA ist die Inflation nicht weiter gesunken. Grund genug für den Offenmarktausschuss, sich neu auszurichten und zu verkünden, dass es bis zur ersten Zinssenkung noch länger dauern könnte. Die EZB dürfte das kaum beeinflussen, denn sie will künftige Senkungen von der Konjunktur abhängig machen und hat sich nicht auf weitere Zinsschritte nach Juni festgelegt.
Thomas Böckelmann, Leiter Portfoliomanagement, Dolphinvest Capital GmbH
Mit Zinssenkungen einher geht der politische Wunsch, Staatsschulden auszuweiten – bei Herausforderungen von Infrastruktur über Energie bis Verteidigung nachvollziehbar, Verteilungskämpfe drohen.
Die USA zeigen sich ein stückweit cleverer, indem sie die Datenabhängigkeit für Zinsentscheidungen obenan stellten - sich nicht zu vorschnellen Äußerungen verleiten ließen.
Wir werden den ersten zaghaften Zinsschritt im Juni seitens der EZB sehen, die aber zurückrudern wird, sobald sich die Inflation nicht weiter verbessert oder sich die FED hawkish zeigt – insofern ist eine Zinssenkung unmittelbar im Juli alles andere als gesetzt, eine erhoffte Zinssenkungswelle alles andere als sicher.
Spannend werden daher die Entwicklung der Wechselkurse und das Anlegerinteresse für Staatsanleihen dies- wie jenseits des Atlantiks im Superwahljahr 2024.
Michael Hünseler, Chief Investment Officer, LBBW Asset Management
Alternativ stehen Ihnen sämtliche Statements auch in der nachfolgenden Listenansicht zur Verfügung.
Jörg Held, Head of Portfolio Management, ETHENEA Independent Investors S.A.
Von einer „Zinswende“ zu sprechen, wäre jedoch voreilig. Die Vergangenheit hat gezeigt: Ein zu frühes Ausrufen des Sieges über die Inflation kann fatale Schäden anrichten. Sollte die europäische Inflation erneut aufflammen, wäre unter Umständen ein erneuter Richtungswechsel der EZB erforderlich, der das schwache Wirtschaftswachstum abwürgen würde. Das Schreckgespenst Stagflation wäre ein Szenario, mit dem wir uns dann beschäftigen müssten.
Zinsschritte haben Signalwirkung für die Finanzmärkte und sind daher nicht zu unterschätzen. Sie folgen in der Regel einer sehr fundierten, gesamtheitlichen, makroökonomischen Begründung. Die Ausgangssituationen in der Eurozone und den Vereinigen Staaten sind dabei grundverschieden. In den USA können sich die Währungshüter mehr Zeit für ihren ersten Zinsschritt lassen. Denn die US-Wirtschaft ist sehr stark, der Arbeitsmarkt robust und außerdem fällt die Teuerungsrate im Trend langsamer.
Daniel Kerbach, Chief Investment Officer, BayernInvest
Florian Kuhn, Senior-Portfoliomanager, QC Partners
Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt FERI, FERI AG
Dass der ersten Zinssenkung in schneller Abfolge weitere folgen werden, ist nicht sehr wahrscheinlich: Erstens wird auch die EZB die zuletzt gestiegene Lohnentwicklung im Euroraum beobachten, weil von dieser Seite Gefahr für die Fortsetzung des Disinflationstrends droht. Zweitens wird sich die EZB mit Blick auf den Euro-Dollar-Wechselkurs nicht allzu weit von der Fed entfernen wollen, auch wenn sie dies derzeit anders kommuniziert. Schließlich würden auch von einem schwachen Euro neue Inflationsgefahren ausgehen.
Positive konjunkturelle Impulse sinkender Zinsen sind im Euroraum dringend notwendig. Allzu große Euphorie ist angesichts der üblichen Wirkungsverzögerungen der Geldpolitik allerdings nicht angebracht.
Daniel Feix, Geschäftsführer und Head of Portfolio Management, Impact Asset Management GmbH
Dieser wahrscheinliche Zinsschritt hat vor allem dahingehend Signalwirkung, dass die Zeiten hoher Inflation der Vergangenheit angehören (zuletzt lag die Inflationsrate im Euroraum im April bei 2,4%) und die EZB bereit ist, in einem herausfordernden makroökonomischen Umfeld unterstützend zu agieren.
Eoin Walsh, Partner & Portfolio Manager, TwentyFour Asset Management
Die mögliche Abweichung von der Fed erregt viel Aufmerksamkeit, aber die EZB muss letztendlich Entscheidungen auf Grundlage der wirtschaftlichen Triebkräfte für die europäische Wirtschaft treffen. Man sollte die EZB nicht davon abhalten, die Zinsen zu senken, nur weil sie die erste sein könnte. Sie wird jedoch wahrscheinlich nicht zu sehr von der Fed abweichen wollen und könnte zögern, mehr als zwei Zinssenkungen vor der Fed vorzunehmen. Aber am Ende wird sie auch weiterhin von den Daten abhängig sein, dabei spielt dann der Euro/USD-Wechselkurs eine Rolle und seine mögliche Auswirkung auf die Inflation eine Rolle.
Sebastian Vismara, Finanzökonom, BNY Mellon Investment Management
Die Flash-PMIs für die Eurozone stiegen im April dank eines Aufschwungs im Dienstleistungssektor stärker als erwartet auf 51,4, während das verarbeitende Gewerbe leicht zulegte, aber weiterhin unter 50 liegt. Die Daten deuten darauf hin, dass das Wachstum anzieht, wenn auch von einem verhaltenen Tempo ausgehend. Da die Inflation weiterhin in Richtung der EZB-Ziele tendiert, dürfte die bescheidene Stabilisierung der Wachstumserwartungen die Zentralbank nicht davon abhalten, die Zinssätze in den kommenden Monaten zu senken.
Andrea Conti, Head of Macro Research, Eurizon
Die Tatsache, dass die EZB vor der Fed handelt, mag aus journalistischer Sicht eine interessante Nachricht sein, hat aber eine wirtschaftliche Begründung, da die US-Wirtschaft eine heißere Wachstums-Inflations-Mischung aufweist als die der Eurozone; die US-Inflation liegt bei rund 3,5% und das reale BIP-Wachstum betrug im ersten Quartal des Jahres 3,0%.
Vor diesem Hintergrund ist der Refinanzierungssatz der EZB mit 4,5% real restriktiver als der der Fed mit 5,5%.
Natürlich können sich diese Erwartungen ändern. Sollte sich das Wirtschaftswachstum in den kommenden Monaten deutlich abschwächen, würde die geldpolitische Lockerung umfangreicher ausfallen und schneller erfolgen als derzeit erwartet.
Liam O'Donnell, Verantwortet im Fixed-Income-Team die Strategie für die Bereiche Macro und Rates, Artemis IM
Zudem erscheint es plausibel, dass die EZB der US-Notenbank Fed zuvorkommt, denn in den USA ist die Inflation nicht weiter gesunken. Grund genug für den Offenmarktausschuss, sich neu auszurichten und zu verkünden, dass es bis zur ersten Zinssenkung noch länger dauern könnte. Die EZB dürfte das kaum beeinflussen, denn sie will künftige Senkungen von der Konjunktur abhängig machen und hat sich nicht auf weitere Zinsschritte nach Juni festgelegt.
Thomas Böckelmann, Leiter Portfoliomanagement, Dolphinvest Capital GmbH
Mit Zinssenkungen einher geht der politische Wunsch, Staatsschulden auszuweiten – bei Herausforderungen von Infrastruktur über Energie bis Verteidigung nachvollziehbar, Verteilungskämpfe drohen.
Die USA zeigen sich ein stückweit cleverer, indem sie die Datenabhängigkeit für Zinsentscheidungen obenan stellten - sich nicht zu vorschnellen Äußerungen verleiten ließen.
Wir werden den ersten zaghaften Zinsschritt im Juni seitens der EZB sehen, die aber zurückrudern wird, sobald sich die Inflation nicht weiter verbessert oder sich die FED hawkish zeigt – insofern ist eine Zinssenkung unmittelbar im Juli alles andere als gesetzt, eine erhoffte Zinssenkungswelle alles andere als sicher.
Spannend werden daher die Entwicklung der Wechselkurse und das Anlegerinteresse für Staatsanleihen dies- wie jenseits des Atlantiks im Superwahljahr 2024.
Michael Hünseler, Chief Investment Officer, LBBW Asset Management
Hinweis: Dies ist Teil 2 von 2 unserer Ökonomen-Umfrage zur EZB-Sitzung. Teil 1 finden Sie hier.
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