Börsenbarometer | Der abgesagte Montags-Blues und eine teure Wette

Pünktlich zum Start in das Wochenende kommentiert e-fundresearch.com Gastkolumnist & Kapitalmarktexperte Dr. Josef Obergantschnig wöchentlich das Börsengeschehen aus erfrischend neuen Blickwinkeln. Markets | 23.05.2025 16:00 Uhr
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH / © e-fundresearch.com / Obergantschnig Management GmbH (Foto: Vicky Posch)
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH / © e-fundresearch.com / Obergantschnig Management GmbH (Foto: Vicky Posch)

Wöchentlicher Börsenbarometer von Dr. Josef Obergantschnig | Der abgesagte Montags-Blues und eine teure Wette

Samstage sind für mich normalerweise Tage der Erholung und Entspannung, die mit der Lektüre aktueller Finanzmarktthemen und dem einen oder anderen Espresso beginnen. Am vergangenen Wochenende war es jedoch alles andere als entspannt. Die USA haben ihre letzte verbliebene Topbonitätsbewertung verloren. Auch Moody’s hat das Land auf „Aa1“ herabgestuft – damit ist das einst makellose Triple-A nun Geschichte.

Begründet wurde der Schritt mit dem drastischen Schuldenanstieg: Die US-Staatsverschuldung nähert sich der 37-Billionen-Dollar-Marke, das Defizit liegt konstant bei über zwei Billionen pro Jahr. Laut Einschätzung von Moody’s reicht die wirtschaftliche Dominanz der US-Wirtschaft nicht mehr aus, um die offensichtlichen Schwächen auszugleichen. Aus dem Weißen Haus kam – das mag wohl niemanden mehr ernsthaft verwundern – umgehend Kritik: Die Rede war von einer politisch motivierten Aktion der Ratingagentur und davon, dass der Zeitpunkt definitiv kein „Zufall“ sei. Ein politisches Downgrade? Auch wenn ich es nicht glaube – vielleicht. Ein berechtigtes und nachvollziehbares? Wohl ja.

Selbst große Gläubigerländer wie China scheinen nicht erst seit dem Zoll-Konflikt auf Distanz zu gehen und haben ihre Bestände in den letzten Jahren deutlich reduziert: Das Reich der Mitte hat im März weitere US-Staatsanleihen verkauft und ist hinter das Vereinigte Königreich zurückgefallen. Wobei: „UK“ ist in diesem Zusammenhang eine Chiffre für den Finanzplatz London – denn wer letztlich hinter den Käufen steht, bleibt offen.

Trotz der Herabstufung blieben Panik und Verkaufsdruck aus. Irgendwie hatte ich über das ganze Wochenende ein etwas mulmiges Gefühl. Doch der Montags-Blues an den Börsen blieb aus. Offenbar hat es sich bezahlt gemacht, dass Investoren zwei Nächte Zeit hatten, um die Nachricht zu verdauen. Die Kapitalmärkte reagierten erstaunlich gelassen. Kurzfristige Schockwellen blieben aus – und das spricht für eine gewisse Reife unter den Marktteilnehmern.

Und auch an anderer Stelle hellt sich die Stimmung auf: Die Big Techs konnten nach dem Sell-Off im April deutlich zulegen. Trotz der jüngsten Kursrallye liegen die Glorreichen Sieben rund um Apple, Amazon oder Nvidia performancemäßig im Hintertreffen gegenüber den übrigen S&P-500-Unternehmen. Und das wiederum haben wir seit Jahren nicht mehr gesehen. Ähnliches gilt auch für den internationalen Vergleich, den die US-Börsen über Jahre hinweg dominierten. Ein Blick auf die Kurstafel 2025 verdeutlicht: Der S&P 500 bleibt im internationalen Vergleich zurück – Indizes in Fernost und Europa haben 2025 bisher klar die Nase vorn. Besonders erfreulich: Der ATX und der DAX zählen zu den Top-Performern unter den Leitindizes.

Das Jahr 2025 ist also ein Europa-Jahr, und US-Aktien scheinen etwas an Glanz verloren zu haben. Das liegt auch am Bewertungsabschlag europäischer Unternehmen im Vergleich zu ihren US-Pendants. Ob das auch weiterhin so bleibt, wage ich nicht zu prognostizieren. Eines hat mich mein Börsianerleben durchaus gelehrt: Unterschätze nie den schwankenden Riesen Uncle Sam. Wetten gegen die USA haben in den letzten Jahrzehnten oft viel Geld gekostet. Es bleibt vermutlich auch in den nächsten Wochen sehr spannend. Und wenn’s mal wieder so richtig turbulent wird, hilft ein doppelter Espresso – oder auch zwei.

Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist

Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset-Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe bringt er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit ein, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben. Darüber hinaus ist es ihm ein besonderes Anliegen, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.

Infos zum aktuellen Buch: https://www.vonnullaufreich.com

Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at

Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at

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