Sommer, Sonne, Sonnenschein. Bei hochsommerlichen Temperaturen stellt sich für mich unweigerlich die Frage, ob wir als Familie nicht wieder einmal nach Italien fahren sollten. In dieser entspannteren Zeit gibt es vermutlich nichts Schöneres, als das Morgenritual in einem kleinen Café in einer italienischen Kleinstadt einzunehmen und tief in das dolce vita einzutauchen. Der erste Espresso des Tages, die Zeitung in der Hand – und schon ist man selbst an abgelegenen Orten mitten im Weltgeschehen.
An den Börsen scheint derzeit noch die Sonne. Die Nasdaq hat zuletzt ein neues Allzeithoch erreicht – und dass trotz zunehmender geopolitischer Unsicherheiten, etwa im Nahen Osten. Doch wie passt das zusammen? Während in den Nachrichten von Eskalationen zwischen Israel und Iran die Rede ist, feiern Technologiewerte Kursrekorde. Darüber kann man sich definitiv wundern, liebe Leserin und lieber Leser, oder es aber als typisches Beispiel für das Börsenparadox betrachten.
Die Stimmung für US-Aktien hat sich in den letzten Monaten merklich gedreht. Während amerikanische Werte lange Zeit von hohen Mittelzuflüssen profitieren konnten, hat sich die Euphorie zuletzt deutlich abgekühlt. „Bullenmärkte werden aus Pessimismus geboren, wachsen aus Skepsis, reifen aus Optimismus und sterben an Euphorie“, sagte einst Sir John Templeton. Und genau das erleben wir gerade: Die Skepsis ist zurück – nicht zwingend ein schlechtes Zeichen, aber ein warnendes. Doch die Börsenhistorie hat mich eines gelehrt: Der Weg vom Hoch zur nächsten Talsohle ist oft ein schmaler Grat.
Spannend wird es auch, wenn wir auf die Notenbanken blicken. Jerome Powell, Chef der US-Notenbank, hat sich zuletzt sehr zurückhaltend geäußert. Der Dauerkonflikt mit Donald Trump hat wohl seine Spuren hinterlassen. Powell mahnt zur Geduld und warnt davor, bereits in der Juli-Sitzung, wie vom lieben Donald vehement gefordert, die Zinsen zu senken. Begründet wird das mit den konjunkturellen Risiken durch neue Zölle und geopolitische Spannungen. Dass sich der Fed-Präsident bei einer Anhörung nicht dazu äußern wollte, ob er für eine zweite Amtszeit zur Verfügung steht, trägt zusätzlich zur Unsicherheit bei. Die Geldpolitik bleibt also ein Ritt auf der Rasierklinge – mit ständigen lauten Zwischenrufen des Präsidenten der größten
Volkswirtschaft der Welt. Bleibt zu hoffen, dass der liebe Jerome nicht amtsmüde wird und er sich auch in den nächsten Monaten nicht von diesen Zwischenrufen beeinflussen lassen wird.
Und dann ist da noch Apple: Der Tech-Gigant prüft laut Berichten die Übernahme von Perplexity AI – ein weiteres Signal dafür, wie stark die großen Konzerne in den KI-Markt drängen. Die strategische Bedeutung solcher Zukäufe ist kaum zu überschätzen. Denn die nächste Innovationswelle dürfte von jenen Unternehmen angeführt werden, die Künstliche Intelligenz nicht nur anwenden, sondern aktiv mitgestalten.
Zum Schluss noch ein kurzer Blick auf die Saisonalität: Historisch gesehen gehören die Sommermonate an der Börse zu den schwächeren Perioden. Die durchschnittliche Performance liegt deutlich unter jener des Winters oder Frühlings. Insofern steht einem Trip nach Italien wohl nichts mehr im Wege, meinen Sie nicht auch? Vielleicht kann ich ja dann auch den KI-Maschinenraum anwerfen und meine Füße in den heißen Sand stecken.
Dr. Josef Obergantschnig, Gründer, Obergantschnig Management GmbH & e-fundresearch.com Gastkolumnist
Dr. Josef Obergantschnig ist anerkannter Kapitalmarktexperte, Unternehmer, Autor und ehemaliger Chief Investment Officer eines Asset Managers. In der Führungsebene der NIXDORF Kapital Unternehmensgruppe hat er seine Expertise in den Bereichen Strategie, Finanzen und Nachhaltigkeit eingebracht, um das Thema Impact-Investing weiter voranzutreiben.
Ein besonderes Anliegen war es ihm, seinen jahrzehntelangen Erfahrungsschatz nicht nur an Finanzexperten und Privatpersonen, sondern vor allem auch an junge Menschen auf unterhaltsame Weise weiterzugeben.
Keynote Speaker: www.josefobergantschnig.at
Weitere Informationen unter: www.ecobono.com / www.obergantschnig.at
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