Schwellenländer-Veteran Bruno Vanier: „Internationale Investoren weiter auf der Bremse, lokale am Gas“

Lokale Anleger treiben die Schwellenländermärkte und entwickeln sich zunehmend zu einer dominanten Kraft – allen voran in China, wo inländisches Kapital die jüngste Rallye maßgeblich befeuert hat. Internationale Investoren dagegen treten trotz schwächerem Dollar, stabiler Währungen und attraktiver Bewertungen weiter auf die Bremse. Welche Folgen diese Divergenz hat und wie sich das Chancen-Risiko-Profil in den Emerging Markets verändert, erläuterte EM-Veteran Bruno Vanier (Gemway Assets) beim Wien-Event von Andreas Willenbacher (Willenbacher Advisory). Markets | 11.09.2025 15:38 Uhr
Bruno Vanier, Präsident von Gemway Assets / © e-fundresearch.com / Gemway Assets
Bruno Vanier, Präsident von Gemway Assets / © e-fundresearch.com / Gemway Assets

Interview mit Bruno Vanier, Präsident von Gemway Assets


e-fundresearch.com: Herr Vanier, wie beurteilen Sie die Stimmung internationaler Investoren gegenüber den Emerging Markets?

Bruno Vanier: Wir spüren bei internationalen Anlegern weiterhin große Zurückhaltung. Seit Jahresbeginn 2025 sehen wir per Saldo Mittelabflüsse, viele globale Allokatoren bleiben untergewichtet. Diese Zurückhaltung kontrastiert mit der Tatsache, dass sich die Performance der Emerging Markets 2025 sehr solide entwickelt hat. Interessant ist, dass die jüngsten Aufwärtsbewegungen vor allem durch lokale Investoren getragen wurden. Das gilt insbesondere für China, wo Privatanleger und institutionelles Onshore-Kapital eine entscheidende Rolle spielen. Internationale Investoren hinken dem Geschehen daher hinterher – und riskieren, Momentum zu verpassen.

e-fundresearch.com: Passt das aus Ihrer Sicht mit den zugrundeliegenden Fundamentaldaten überein?

Bruno Vanier: Nicht wirklich. Fundamentaldaten und Kapitalströme laufen derzeit auseinander. Auf der einen Seite haben wir ein sehr konstruktives Makrobild: Der US-Dollar ist schwächer geworden, EM-Währungen sind erstaunlich stabil und in vielen Fällen weniger volatil als Industrieländerwährungen. Historisch gesehen sind das genau die Bedingungen, die Emerging Markets stützen. Auf der anderen Seite sind internationale Investoren nach wie vor vorsichtig und haben Kapital abgezogen. Diese Diskrepanz eröffnet aber Chancen für diejenigen, die den Mut haben, den Fundamentaldaten zu folgen und nicht nur den Flows.

Bruno Vanier (Gemway Assets, rechts) mit Andreas Willenbacher (Willenbacher Advisory, links), der als lokaler Vertriebspartner die Veranstaltung in Wien organisierte.

e-fundresearch.com: Ohne gutes China-Momentum scheint nichts zu gehen, korrekt?

Bruno Vanier: China bleibt das Herzstück der Assetklasse. Rund 30 Prozent des MSCI Emerging Markets entfallen auf China, und in der Wahrnehmung vieler Investoren steht und fällt die Assetklasse mit diesem Markt. Nach sehr schwierigen Jahren zwischen 2021 und 2023 hat sich das Bild seit Mitte 2024 gewandelt. „China ist zurück“ – und zwar nicht nur dank politischer Unterstützung, sondern auch, weil lokale Anleger massiv kaufen. Internationale Investoren beginnen erst langsam, ihre Untergewichtungen zu überdenken. Gleichzeitig sind die Bewertungen im historischen Rahmen attraktiv. Natürlich gibt es nach wie vor Risiken, aber selektiv finden wir in China sehr interessante Unternehmen, etwa im Bereich Industrie-Automatisierung, Internet oder neue Technologien.

e-fundresearch.com: Indien war zuletzt der Investoren-Liebling innerhalb der Emerging Markets, wie beurteilen Sie das weitere Potenzial?

Bruno Vanier: Indien hat eine beeindruckende Entwicklung hinter sich. Viele internationale Investoren waren stark übergewichtet, was die Bewertungen auf ein hohes Niveau gehoben hat. Fundamental ist die Story aber weiterhin intakt: sinkende Inflation, erste Zinssenkungen nach Jahren der Straffung, eine robuste Binnenwirtschaft und stark wachsender Konsum. Für uns ist Indien daher nach wie vor attraktiv, aber wir investieren sehr selektiv. Chancen sehen wir vor allem bei Banken, die von der Belebung des Kreditwachstums profitieren, und bei Unternehmen, die auf den ländlichen Konsum setzen. Weniger optimistisch sind wir dagegen bei IT-Dienstleistern und Exporteuren, die aktuell unter Druck stehen.

e-fundresearch.com: Eine Sache, die Sie mit dem MSCI Emerging Markets gemeinsam haben: Taiwan Semiconductor ist auch Ihre absolute Top-Position im Portfolio. Warum überzeugt Sie das Unternehmen so sehr?

Bruno Vanier: TSMC ist das Rückgrat der globalen Halbleiterproduktion. Kein anderes Unternehmen beherrscht die Fertigung im Hochleistungsbereich so wie TSMC. Alle großen Cloud- und AI-Anbieter – von Nvidia bis Microsoft – sind auf diese Kapazitäten angewiesen. Die Nachfrage nach High-End-Chips für künstliche Intelligenz wächst weiterhin sehr dynamisch. TSMC ist technologisch führend, hervorragend geführt und weist eine außergewöhnlich solide Bilanz auf. Für uns ist das eine klare „Core Holding“. Wenn es regulatorisch möglich wäre, würden wir noch mehr davon halten.

e-fundresearch.com: Was ist das größte Risiko in den Emerging Markets und wie gehen Sie damit um?

Bruno Vanier: Das größte Risiko sind Value Traps – Aktien, die auf den ersten Blick günstig erscheinen, aber strukturell keine Wertschöpfung generieren. Oft handelt es sich dabei um staatlich kontrollierte Unternehmen, etwa Banken oder Energiegesellschaften. Diese Werte bleiben dauerhaft billig, weil ihre Governance- und Cashflow-Strukturen schwach sind. Wir begegnen diesem Risiko durch strenge Filter. Governance, Liquidität und nachhaltiger Cashflow stehen im Zentrum unseres Investmentprozesses. Lieber zahlen wir einen etwas höheren Preis für Qualität, als uns in „billigen“ Titeln zu verfangen, die langfristig keine Rendite bringen.

e-fundresearch.com: Auch wenn das internationale Investoreninteresse zuletzt eher gedämpft war, sind Emerging-Markets-Aktien eine der umkämpftesten Assetklassen – sowohl auf aktiver als auch auf passiver Seite. Wie können Sie sich hier differenzieren?

Bruno Vanier: Wir sind eine reine EM-Boutique. Das ist unser entscheidender Unterschied. Wir machen nichts anderes und haben auch nicht den Anspruch, ein globaler Multi-Asset-Anbieter zu werden. Mit einem kleinen Team von elf Mitarbeitern, davon fünf im Investmentbereich, und überschaubaren Fondsgrößen können wir flexibel agieren. Unsere Fonds sind bewusst so konstruiert, dass wir auch in weniger liquiden Märkten beweglich bleiben. Hinzu kommt unser kollaborativer Ansatz: Wir arbeiten nicht in Ländersilos, sondern das ganze Team diskutiert jede Investmentidee. Dazu kommen über 300 Unternehmensgespräche pro Jahr und die enge Zusammenarbeit mit unabhängigen Research-Häusern. Das alles sorgt dafür, dass wir uns klar vom passiven Investieren abgrenzen können.

e-fundresearch.com: Herr Vanier, vielen Dank für das Gespräch!

Über Gemway Assets

Gemway Assets wurde 2012 von Bruno Vanier und Michel Audeban gegründet und positioniert sich als unabhängige Asset-Management-Boutique mit ausschließlichem Fokus auf Emerging Markets. Die Produktpalette umfasst unter anderem die Fonds GemEquity, GemAsia, GemChina und GemBond. Seit Anfang 2017 kooperiert Gemway mit der Willenbacher Advisory GmbH. Andreas Willenbacher, Managing Partner, verantwortet den Vertrieb für institutionelle und semi-institutionelle Anleger in Österreich, Liechtenstein sowie ausgewählten Märkten in Südost- und Zentraleuropa (SEE & CEE). Die Partnerschaft erleichtert Gemway den Zugang zu Investoren im deutschsprachigen Raum und angrenzenden Regionen.

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