Für Regierungen ist Plastikmüll ein gewaltiges Problem und für Investoren ein heikles Thema. Aber zumindest wird es ernst genommen: 2017 erklärten die Vereinten Nationen dem Plastik in den Ozeanen den Krieg („War on Ocean Plastic“), und das ist keine Überraschung. Wenn sich nichts ändert, dürfte die Menge an Plastikmüll, die in das Meeres-Ökosystem gerät, bis 2023 jedes Jahr um etwa 53 Millionen Tonnen zunehmen. Das ist etwa doppelt so viel wie 2016.[1] Für 2018 wurden die weltweiten Kosten der Meeresverschmutzung durch Plastik – einschließlich der Auswirkungen auf Tourismus, Fischerei und Aquakulturen sowie der Reinigungsmaßnahmen – auf 6 bis 19 Millionen US-Dollar geschätzt. Bis 2040 könnten Unternehmen weltweit jährlich Schäden in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar entstehen.[2]
Aus unserer Sicht werden die nächsten Jahre für die Verringerung der Plastikverschmutzung von entscheidender Bedeutung sein. Im März 2022 verabschiedeten die Vereinten Nationen die erste weltweite Vereinbarung zu Plastikmüll. Sie soll die Verschmutzung der Erde mit Plastik beenden. 2024 soll ein internationales rechtsverbindliches Abkommen geschlossen werden.[3] Etwa 175 Länder haben diese bahnbrechende Vereinbarung unterzeichnet, die die gesamte Plastik-Wertschöpfungskette und ihre Folgen für Menschen und Natur betrifft.[4] Sehr bald dürfte das auch Auswirkungen auf die Wirtschaft haben. Für Investoren kann das eine Chance sein.
Bei den Veränderungen der von Plastik abhängigen Volkswirtschaften stehen vor allem die Unternehmen in der Pflicht. Nach einer umfassenden Analyse des Pew Research Center[5] aus dem Jahr 2020 dürfte der Wandel tiefgreifend sein. 600 Milliarden, wenn nicht bis zu 1,2 Billionen US-Dollar (nach Schätzungen des World Economic Forum) müssten in die Veränderung des weltweiten Plastikkreislaufs investiert werden, um im Rahmen einer Kreislaufwirtschaft Plastik wiederzuverwenden und zu recyceln. Hinzu kommen kleinere Neuerungen wie Bioplastik.
Pew schätzt, dass die Plastikneuverschmutzung durch die vorgeschlagenen umfassenden Maßnahmen in den nächsten 20 Jahren um 80% verringert werden kann. Es ist Zeit zu handeln. Um wirklich etwas zu bewirken, muss man die ESG-Risiken der Plastikverschmutzung klar benennen, aber auch mögliche Effizienzgewinne identifizieren und Alternativen zu konventionellem Plastik fördern. Hier kommen die Investoren ins Spiel.
Im Fokus
Ölpreise und Plastik
Rohöl ist ein wichtiger Rohstoff für die Kohlenstoffverbindungen, aus denen unter anderem Plastikwaren hergestellt werden. Wenn sich der Ölpreis ändert, hat das also Auswirkungen auf deren Preis. Die Internationale Energieagentur prognostiziert, dass mehr als ein Drittel der zusätzlichen Ölnachfrage bis 2030 auf die Petrochemie entfällt, während ansonsten weniger Öl verbraucht wird. Man schätzt, dass allein in den USA jedes Jahr etwa 12 Millionen Barrel Rohöl für die Herstellung von Plastiktüten benötigt werden.
Gefährdete Branchen
Nach einer aktuellen Studie von J.P. Morgan können steigende Ölpreise – und damit auch steigende Preise für Raffinerieprodukte und Plastik – enorme Auswirkungen auf die Gewinne von Unternehmen aus unterschiedlichen Sektoren haben. Dazu zählen auch die Lebensmittel- und Getränkeherstellung sowie der Automobilsektor. J.P. Morgan schätzt, dass etwa 50% aller Autoteile aus Plastik bestehen.
Von Liudmila Strakodonskaya, Responsible Investment Analyst und Jules Arnaud, Impact Investment Analyst bei AXA IM Core
Lesen Sie hier weitere Analysen zu Nachhaltigkeitsthemen von AXA Investment Managers
In der Serie „Was können Investoren gegen die Plastikberge tun?“ analysieren wir hier auf e-fundresearch.com, wie Investoren einen positiven Beitrag leisten können:
Investoren gegen Plastikberge – Schritt 1: Den ESG-Fußabdruck von Plastik verstehen
Investoren gegen Plastikberge – Schritt 2: Wo liegen die Chancen?
Investoren gegen Plastikberge – Schritt 3: Vom Plastikmüll zu einer neuen Plastikwirtschaft
[2] POLSOLSum.pdf (unep.org) Zum Vergleich: 2020 hatte der internationale Plastikmarkt ein geschätztes Volumen von etwa 580 Milliarden US-Dollar. Zugleich wird jedes Jahr in den Meeren Naturkapital im Wert von schätzungsweise 2.500 Milliarden US-Dollar verloren gehen.
[3] What you need to know about the plastic pollution resolution (unep.org)
[4] Die für Plastik und Plastikverschmutzung relevantesten UN-Nachhaltigkeitsziele sind SDG 3, SDG 6, SDG 12, SDG 13, SDG 14 und SDG 15.
[5] Breaking the Plastic Wave: A comprehensive assessment of pathways towards stopping ocean plastic pollution, The Pew Charitable Trusts, 2020.