- Wir gehen davon aus, dass die bevorstehende EZB-Sitzung ereignislos und ohne Entscheidungen verlaufen wird. Wahrscheinlich wird sich die EZB jedoch „offiziell“ gegen frühzeitige Zinssenkungen aussprechen, die der Markt derzeit schon eingepreist hat.
- Die jüngsten Daten zur Inflation und Wirtschaftstätigkeit lagen leicht unter den letzten Prognosen der Verantwortlichen und reichen nicht aus, um eine Änderung der geldpolitischen Ausrichtung zu rechtfertigen.
- Unser Basisszenario bleibt unverändert. Wir erwarten, dass die EZB die erste Zinssenkung im Juni nach vollständiger Überprüfung der Lohndaten vollzieht.
Die wirtschaftliche Situation hat sich seit den letzten Prognosen der EZB kaum verändert – es besteht eine leichte Abwärtsneigung. Die Gesamtinflation im Dezember war mit 2,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr niedriger als von der EZB prognostiziert. Für das gesamte vierte Quartal wurden 2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr prognostiziert, am Ende waren es jedoch 2,7 Prozent. In Bezug auf das BIP-Wachstum liegt ihre Prognose für das vierte Quartal bei plus 0,1 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Letzteres entspricht unseren Erwartungen, ist jedoch möglicherweise aufgrund der neuesten Daten etwas optimistisch. Wir sind jedoch der Ansicht, dass solche recht geringfügig negativen Nachrichten den gelpolitischen Kurs der EZB nicht beeinflussen. Zudem könnte trotz einer voraussichtlich wenig inspirierenden konjunkturellen Entwicklung im vierten Quartal die Struktur des BIP-Wachstums beruhigend wirken, da gemäß unserer Prognose der private Verbrauch weiterhin dynamisch bleibt.
Wir gehen davon aus, dass auf der Sitzung der EZB in dieser Woche keine Beschlüsse gefasst werden. Der Grund liegt darin, dass es keine deutlichen Fortschritte bei den drei entscheidenden Kriterien für den geldpolitischen Kurs der Europäischen Zentralbank gibt – nämlich der geldpolitischen Übertragungsstärke auf die Realwirtschaft, der zugrunde liegenden Inflation und dem Inflationsausblick.
Wir erwarten, dass sich die EZB nun auch offiziell gegen die vom Markt eingepreisten frühen Zinssenkungen stellen und im Januar eine Reihe von Kommentaren dazu abgeben wird. Sogar der als „dovish“ geltende Philip Lane räumte ein, dass eine Senkung der Zinssätze vor einer vollständigen Überprüfung der Lohndaten, die bis Ende April veröffentlicht werden sollen, zu früh käme. Auch von Präsidentin Christine Lagarde war in Davos deutlich zu vernehmen, dass Zinssenkungen vor dem späten Frühjahr unwahrscheinlich seien. Sie und Klaas Knot argumentierten zudem, dass zu schwache Finanzierungsbedingungen einen gegenteiligen Effekt haben würden und sie dann ihre restriktive Politik länger aufrechterhalten müssten. Wie wir bereits im Dezember festgestellt hatten, besteht nach wie vor ein bemerkenswerter Konsens innerhalb des EZB-Rats gegen frühe Zinssenkungen.
Unser Basisszenario aus dem September bleibt weiterhin unverändert. Wir halten es für wahrscheinlich, dass die EZB in den kommenden Monaten gegen die Zinssenkungserwartungen des Marktes ankämpfen wird, bis sie die März-Prognosen vorlegt. Sofern die Inflation in den kommenden Veröffentlichungen nicht mit einer deutlich negativen Überraschung aufwartet, und/oder ein wesentlich schwächeres Wachstum vorliegt, dürfte die EZB voraussichtlich bis Juni abwarten. Zu diesem Zeitpunkt wird sie eine vollständige Überprüfung der Lohndaten vornehmen, die mit ihrer Einschätzung und einer dauerhaften Rückführung der Inflation auf zwei Prozent vereinbar ist.
Von Hugo Le Damany, Economist und François Cabau, Senior Eurozone Economist, bei AXA Investment Managers