Die deutsche Industrie aus neutraler Sicht
Zunächst reduzierten Anleger willkürlich ihr Engagement bei Automobilunternehmen. Wir nicht. Zwar sind wir bereits seit Oktober 2014 nicht mehr an Volkswagen beteiligt, da sich die Angelegenheit jedoch nur um ein einziges Modell des Dieselmotors von VW dreht, schlussfolgerten wir, dass es sich aller Wahrscheinlichkeit nach eher um ein unternehmensspezifisches Problem handelt und nicht die ganze Industrie betrifft. Die Erholung der Aktienkurse von deutschen Autoherstellern Anfang Oktober legt nahe, dass andere Marktteilnehmer unsere Einschätzung allmählich teilen.
Unserer Ansicht nach sollten die Handlungen eines einzigen Unternehmens nicht das Bild des gesamten deutschen Industriezweigs schädigen. Wir sind zuversichtlich, dass Firmen mit soliden Fundamentaldaten, einer starken Marke und breit aufgestellten Produktportfolios, die außerdem von den Konjunkturerholungen in den USA und Europa profitieren können, eine bessere Aktienkursentwicklung aufweisen werden, sobald der Markt den VW-Abgasskandal vollständig verdaut und sich stabilisiert hat.
Chancen aus der Not
Wir sehen die Marktschwäche als Kaufgelegenheit für Unternehmen, die unserer Einschätzung nach hervorragende Wachstumsaussichten aufweisen – und zwar zu attraktiveren Preisen. Zu diesen Firmen gehört beispielsweise Daimler, der Hersteller für Oberklasse- und Nutzfahrzeuge. Der Konzern verbuchte im dritten Quartal außergewöhnlich hohe Absätze und könnte unserer Einschätzung nach sogar noch Marktanteile dazugewinnen, denn die VW-Causa allein wird letztendlich wahrscheinlich nicht die Gesamtnachfrage nach Automobilkäufen dämpfen.
Wir haben Vertrauen in die deutsche Unternehmenslandschaft. Wir sind sogar überaus optimistisch, was die vielen Unternehmenschancen im aktuellen Marktumfeld angeht. Deutschlands Industriebranche ist eine Exportmacht, die seit Langem den Neid der Nachbarn des Landes hervorruft und die Causa VW alleine wird daran nichts ändern.
Es gibt Bedenken über die Auswirkungen einer Konjunkturabkühlung in China auf deutsche Exportunternehmen. Durch unsere Unternehmensanalysen und aufgrund unserer Gespräche mit Geschäftsführungen sind wir jedoch der Auffassung, dass solche Bedenken nicht im Verhältnis zur tatsächlichen Gefahr stehen. Zu erwähnen ist, dass viele deutsche Unternehmen trotz der wirtschaftlichen Verlangsamung in China expandiert haben.
Darüber hinaus weist die Unternehmenstätigkeit in Deutschland und im weiteren Europa eine Stärke auf, die seit Jahren nicht mehr zu beobachten war. In einem solchen Umfeld werden wir auch weiterhin über kurzfristige Volatilitätsphasen hinwegblicken und in Unternehmen investieren, die unserer Einschätzung nach langfristig das größte Potenzial für eine überdurchschnittliche Wertentwicklung aufweisen.
Zwar gehen wir in naher Zukunft nicht von einer erheblichen Marktschwäche aus, aber ein solches Ereignis könnte grundsätzlich zusätzliche Kaufgelegenheiten eröffnen. Wir favorisieren Unternehmen, die über ein Qualitätsmanagement, solide Bilanzen und ein starkes Geschäftsfeld verfügen. Wir halten außerdem nach Firmen Ausschau, die ein attraktives Ertragswachstum sowie, ausgehend vom aktuellen Bewertungsniveau, ein gesundes Aufwärtspotenzial bieten, und aus unserem Blickwinkel heraus lassen sich in Deutschlands Unternehmenslandschaft weiterhin viele solcher Chancen ausmachen.
1 Quelle: Bloomberg, für den Zeitraum 21.09.2015 – 01.10.2015
Robert Smith
Investment Manager,
Baring German Growth Trust
Baring Asset Management, London