Das Marktumfeld für Anleihen war 2022 in vielfacher Hinsicht außergewöhnlich und herausfordernd. Alle Segmente zeigten einen in dieser Form noch nicht erlebten Renditeanstieg. So hat es beispielsweise seit knapp 100 Jahren am US-Kapitalmarkt nur vier Jahre gegeben, in denen Anleihen UND Aktien Kursrückgänge verzeichnet haben (1941, 1969, 1987 und 2022) - siehe Grafik.
Der Renditeanstieg war der Zentralbankpolitik dies- und jenseits des Atlantiks geschuldet, die sehr deutlich auf die Anleihekurse drückte. Sowohl die US-FED als auch die EZB wollen mit ihrem restriktiveren Kurs das Inflationsgeschehen in den Griff bekommen, bevor sich eine allgemeine Inflationsmentalität verwurzelt und über Zweitrundeneffekte (Lohn-Preis-Spirale) die Inflationsraten weiter angeheizt werden.
Diese Zentralbankpolitik hatte 2022 aus vier Gründen so starke Auswirkungen auf die Performance der Rentenmärkte:
· Sehr tiefes Ausgangsniveau: Null- bzw. Negativzinsen
· Längere Duration: Sowohl Staaten als auch Unternehmen haben im extremen Niedrigzinsumfeld Anleihen mit deutlich längeren Laufzeiten platzieren können. Damit ist der Hebel, wie sich Renditeänderungen auf die Kurse auswirken, erheblich größer geworden.
· Sehr großer Renditeanstieg: 10-jährige deutsche Staatsanleihen sind um 2,75 %-Punkte angestiegen, EUR-High-Grade-Unternehmensanleihen um 3,75 %-Punkte, Hartwährungsanleihen aus den Emerging Markets in der Spitze um 4,2 %-Punkte und europäische High-Yield-Unternehmensanleihen in der Spitze um 6 %-Punkte.
· Sehr schneller Renditeanstieg: Je nach Marktsegment erfolgte der Anstieg mehr oder weniger innerhalb eines Jahres.
Folgende Grafik verdeutlicht das große Ausmaß und die Rasanz des Anstiegs. Dieser führte einerseits zu den außergewöhnlichen Kursrückgängen bei Anleihen, andererseits sorgt er aber auch für Renditeniveaus, die so seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr investierbar waren.
Anleihen sind aktuell für eine Investition wieder sehr interessant - was führt zu dieser optimistischen Einschätzung?
Ein Grund ist, dass nach den bereits erfolgten Zinsanhebungen weitere Schritte nach oben erwartet werden. Diese sind in großem Umfang von den Märkten eingepreist. Nachstehende Grafiken verdeutlichen, dass in den USA ein Zinsgipfel rund um 5 % erwartet wird, in der Eurozone um 3,25 %.
Thema Inflation
Ein weiterer Grund betrifft die Inflationserwartungen: Jene am Markt gehandelten sind verankert und deutlich zurückgekommen. Der Hauptgrund dafür liegt in den zahlreichen Vorlaufindikatoren, die auf eine Entspannung der Inflationssituation hindeuten. Neben zuletzt stark gesunkenen Energiepreisen, insbesondere bei Gas und Strom, entspannen sich auch internationale Lieferketten merklich – siehe Grafik.
Resümee/Erwartungen für 2023:
Das „Unwetter“ an den Rentenmärkten im vergangenen Jahr hat zu Renditeniveaus geführt, die im Vergleich zu den letzten 10 Jahren sehr attraktive Möglichkeiten bieten, um mittel- und langfristig ansprechend verdienen zu können.
Wer Anleihenkäufe seit Jahren aufgeschoben hat, sollte unseres Erachtens jetzt die Chancen nutzen und das „Glück“, auf den tiefen Renditeniveaus nicht gekauft zu haben, nicht weiter ausreizen.
Denn: Weitere Zinserhöhungen sind bereits am Markt eingepreist, die Inflation hat ihren Höhepunkt überschritten. Und wenn zwischenzeitlich die Renditen doch noch etwas steigen sollten, dann federt die jetzt höhere laufende Rendite diese Anstiege besser ab.
Was bietet sich an?
Da man auch jetzt Emittentenrisiken nicht unterschätzen darf, sollte auf breite Diversifikation in Rentenportfolios gesetzt werden. Zudem bieten Ansparpläne die Möglichkeit, auch mit kleineren regelmäßigen Beträgen die momentanen Möglichkeiten zu nutzen.
Von Uli Krämer, Leiter Portfoliomanagement bei KEPLER-Fonds