Die Befragung ist Teil einer weltweiten Studie, die im Juli und August unter 2.550 Finanzberatern in 15 Ländern durchgeführt wurde. Laut den heute veröffentlichten Studienergebnissen sind 65 % der deutschen Teilnehmer (im Vergleich zu 66 % weltweit) der Meinung, dass Anleger häufig die Risiken unterschätzen, die mit übermäßigem Vertrauen in passive Anlageformen verbunden sind. Die Berater betrachten mit Sorge, dass die Entscheidung für passive Anlageformen häufig nicht aufgrund des möglichen Mehrwerts fällt, sondern einfach nur aufgrund ihrer günstigeren Kostenstruktur.
Denn angesichts der zunehmenden Marktvolatilität meinen 78 % der deutschen Anlageberater und ihrer internationalen Kollegen, dass nahezu bei allen Performance-Indikatoren aktive Anlageformen passive Anlageformen übertreffen. Diese beinhalten etwa die Alphagenerierung, die risikobereinigte Rendite, die Ausnutzung kurzfristiger Marktbewegungen und eine bessere Diversifizierung durch alternative Anlagen.
Weltweit rechnen die Berater damit, dass der Anteil passiver Anlageformen in den Portfolios ihrer Kunden von aktuell 30,2 % auf 37,7 % in 2019 steigen könnte. Aber 73 % der deutschen Berater sind überzeugt, dass dem aktiven Management eine wichtige Rolle zukommt, da es eine Möglichkeit darstellt, die Marktvolatilität zum Vorteil des Anlegers zu nutzen.
Risikotoleranz der Kunden nicht aus den Augen verlieren
Rund um den Globus wenden sich die Berater einem zielbasierten Planungsansatz zu. Etwa 95 % der deutschen Berater (im Vergleich zu 88 % weltweit) haben ihre Kundenberatung bereits auf die zielgerichtete individuelle Finanzplanung umgestellt. Denn so können sie die Risikobereitschaft, die finanziellen Ziele und die individuellen Erwartungen jedes einzelnen Kunden stärker in den Fokus rücken und folglich seine Investitionsentscheidungen, sein Verhalten und seine Gewinnerwartungen besser verstehen und umsetzen. 96 % der deutschen Berater halten es für wichtig, ein genaueres Bild von der Risikotoleranz ihrer Kunden zu gewinnen.
„Am Anfang jeder Anlageentscheidung steht das Erkennen des Risikos. Daher ist es beunruhigend, dass so viele Anleger aufgrund der niedrigen Kosten übermäßig auf passive Anlageformen zu vertrauen scheinen. Das Ergebnis ist, dass sie sich der inhärenten Risiken in ihren Portfolios nicht vollständig bewusst sind“, erläutert Jörg Knaf, Executive Managing Director DACH-Countries bei Natixis Global Asset Management.
„Das ist insbesondere im heutigen Marktumfeld von Niedrigzinsen und hoher Volatilität ein echtes Problem. In den letzten 30 Jahren des 20. Jahrhunderts gab der DAX gerade achtmal während des ersten Quartals nach. Seit der Jahrtausendwende ist er schon sechsmal gefallen und die Wertverluste haben von minus 5,4 % auf durchschnittlich minus 11,6 % (1) stark zugenommen. Anleger benötigen fundierte professionelle Beratung um zu verstehen, wie aktives Management dazu beitragen kann, in einem solch komplexen Umfeld entgegenzusteuern und langfristige Portfolios aufzubauen“, schließt Knaf.
Die echte Herausforderung besteht darin, die Reaktion der Anleger auf Märkte und Volatilität zu managen
Ein weiteres Ergebnis der Umfrage: Nicht Märkte und Volatilität scheinen die Berater am meisten zu beunruhigen, sondern die Reaktion der Kunden auf diese Szenarien. So sagten beispielsweise auf die Frage nach den Folgen des britischen EU-Austritts 79 % der deutschen Berater, dass diese Entscheidung die Anleger selbst stärker beeinflusse als tatsächlich die Märkte. Von den Reaktionen auf den „Brexit“ abgesehen, ist das Management der Kunden und ihrer Emotionen mit Sorgen auf einer ganz anderen Ebene verbunden. Laut 87 % der deutschen Berater besteht ein entscheidender Erfolgsfaktor in ihrer Fähigkeit, über die Portfolio-Strukturierung und Gespräche zur Anlageperformance hinaus Mehrwert zu bieten. Die deutschen Berater müssen dabei drei schwerwiegende Fehler berücksichtigen, zu denen Anleger nach ihrer Aussage neigen:
- emotionsgeleitete Investmententscheidungen (63 % im Vergleich zu 61 % weltweit)
- unrealistische Renditeerwartungen (50 % im Vergleich zu 51 % weltweit)
- zu starke Konzentration auf kurzfristige Marktbewegungen (36 % im Vergleich zu 47 % weltweit)
Die Untersuchung zeigt, dass deutsche Investoren einen jährlichen Gewinn von 10 % erwarten, während ihre Berater 5,3 % für eine realistische Gewinnerwartung halten.
Für 82 % der deutschen Berater sind Gespräche über die unrealistischen Gewinnerwartungen ihrer Kunden ein vorrangiges Thema, wenn sie erfolgreich sein wollen.
Hin zu stärkerer Nutzung von alternativen Anlageformen und unkorrelierten Strategien
Die meisten deutschen Berater (73 % und 73 % weltweit) sind der Ansicht, dass der traditionelle Anlagemix von 60/40 in Aktien/Rentenwerten im gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld nicht länger geeignet ist, um Gewinne für ihre Kunden zu generieren und das Risiko zu steuern. 78 % der deutschen Befragten (im Vergleich zu 69 % weltweit) denken, dass neue Portfolio-Techniken – mit stärkerer Nutzung von alternativen Anlageformen und nicht korrelierten Anlageklassen – zum Zwecke der Diversifizierung besser geeignet sind. Laut Studie haben viele deutsche Anleger während der letzten 12 Monate nach konkreten Lösungen zur Kontrolle der Volatilität (36 % im Vergleich zu 55 % weltweit) und der Aufstellung einer Finanzplanung (41 % im Vergleich zu 27 % weltweit) gefragt.
Deutsche Anleger zunehmend an Investitionen im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG-Investitionen) interessiert
37 % der deutschen Berater gaben an, dass die Kundennachfrage nach Investitionen im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung in den vergangenen drei Jahren zugenommen hat. Weltweit trifft dies auf 32 % der Berater zu. „Die Nutzung von ESG-Investitionen im Portfolio kann zur Diversifizierung und besseren Risikokontrolle beitragen“, erläutert Knaf. „Die deutschen Berater scheinen sich dieser Tatsache immer bewusster zu werden: Fast die Hälfte der Befragten (43 %) äußerte, dass die Aufnahme von ESG-Investitionen innerhalb von fünf Jahren zu ihren Standardverfahren gehören wird. Weltweit galt dies für 34 %. Im Gegensatz zu ihren internationalen Kollegen sind deutsche Berater (54 %) stärker davon überzeugt, dass ESG-Investitionen Risiken der Unternehmensführung und soziale Risiken mindern (im Vergleich zu 40 % weltweit).“
Automatisierte Anlageberatung (Robo-Berater)
Finanzberater sind der Überzeugung, dass neue, technologiebasierte Geschäftsmodelle oder automatisierte Beratungsplattformen, die auch als „Robo-Berater“ bezeichnet werden, eine Lösung für die bevorstehende Beratungslücke bieten können – und zwar insbesondere unter jungen Anlegern und Investoren mit geringem und mittlerem Einkommen.
- 66 % (im Vergleich zu 53 % weltweit) der deutschen Studienteilnehmer glauben, dass eine vorgelagerte automatisierte Beratungsplattform eine Möglichkeit sein könnte, ihre eigene Geschäftstätigkeit noch effizienter und erfolgreicher zu gestalten.
- Die Mehrheit der Berater von 75 % (im Vergleich zu 72 %) ist nicht besorgt, dass traditionelle Beratungsmodelle, welche sehr stark auf die individuellen Bedürfnisse jedes Kunden eingehen, durch automatisierte Anlageberatung ersetzt werden könnten. Dies kann jedoch auch der Tatsache geschuldet sein, dass Robo-Berater nach Ansicht der Studienteilnehmer nie den Grad an taktischer Portfolio-Strukturierung bieten können, der insbesondere bei fallenden und fluktuierenden Märkten erforderlich ist.
(1) Quelle: Deutsche Börse (DAX Stand)