"Erneut hat die Demokratie die Bedrohung durch politischen Extremismus knapp abgewendet. Österreich, Spanien, Italien, die Niederlande und nun Frankreich haben sich dafür entschieden, den Pfad der Weisheit einzuschlagen und auf beständiges und stetiges Bemühen zu setzen, trotz der freilich komplexen Situation in Europa seit 2008.
Die Wähler standen eindeutig auf Seiten der Demokratie, um mit ihrer Stimme den Ausschlag für die Wahl eines Präsidenten mit einem sozialliberalen, starken und euro-kompatiblen Wirtschaftsprogramm zu geben. Die Wähler wandten sich ab von den grandiosen Fantasien der Populisten mit ihren zweifelhaften Wirtschaftsprogrammen und Versprechungen von Staatsausgaben, die unmöglich zu finanzieren sind. Der Sieg von Emmanuel Macron vertreibt das Gespenst des politischen Extremismus in Europa für fünf Jahre, aber er benötigt eine absolute oder mindestens eine relative Mehrheit im Parlament, mit der er sein Reformprogramm durchsetzen und den berühmten „positiven Vertrauensschock“ herbeiführen kann. Eine große Zahl nationaler und internationaler Anleger wird ganz klar französische und danach europäische Aktien in ihre Portfolios aufnehmen. Immobilien als Anlageklasse dienen als private Einnahmequelle und dürften für die neue französische Regierung daher keine Priorität haben, da sie finanzielle Einsparungen bei den Produktionsvermögen anstrebt.
Nun ist es an der Zeit, sich wieder auf die Wirtschaft zu besinnen, da sich die konjunkturelle Erholung des Euroraums Tag für Tag bestätigt. Die Ergebnisse für das erste Quartal sind solide ausgefallen, und der Welthandel setzt zu einem verhaltenen Aufschwung an.
Die verschiedenen Beobachter, die seit 2011 das Ende unserer Demokratie verkünden und das Elend des europäischen Währungsraums beklagen, tragen einen großen Teil der Verantwortung für die Unsicherheit, die in der Öffentlichkeit in Bezug auf Europa herrscht. Dennoch haben es Terrorattacken, die Flüchtlingsfrage, die Verlockungen durch Extremisten sowie Wirtschaftskrisen noch nicht geschafft, den Traum von Frieden und Freiheit, den Europa seit 1945 träumt, zu zerstören. Es geht dabei um die Freiheit, zusammenzuleben, unsere Kinder zu erziehen, unsere Familien zu schützen, Unternehmen zu gründen und für ältere – und zukünftige – Generationen zu sparen und zu investieren. Der Schlüsselbegriff für die kommenden Jahre in Europa und andernorts ist daher ganz eindeutig Aufbau: Aufbau von Arbeitsplätzen, Aufbau von Unternehmen, Aufbau von Wohlstand, Aufbau von Talenten. Schon Albert Camus schrieb in seinem Essay Der Mythos des Sysiphos: „Etwas aufbauen heißt zweimal leben“. Nach dieser entscheidenden Wahl und nach dem Feiern zum Tag der Befreiung am 8. Mai werden viele erleichtert aufatmen, selbst wenn die Zukunft Frankreichs und des ganzen Kontinents nach wie vor ungewiss ist."