Brexit: Ein Jahr danach – Wie ist die Lage einzuschätzen?

Ein Jahr nach dem Brexit-Referendum ist die Zukunft Großbritanniens keineswegs klar. Nach der Euphorie aus dem vergangenen Sommer hat sich die Stimmung jenseits des Kanals geändert. So hat der konjunkturelle Trend inzwischen nachgelassen, während sich gleichzeitig die durchaus berechtigte Frage stellt, wie sich die Briten den Brexit denn nun konkret vorstellen. Natixis Investment Managers | 14.07.2017 11:56 Uhr
Philippe Waechter, Chefvolkswirt, Natixis Asset Management
Philippe Waechter, Chefvolkswirt, Natixis Asset Management
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Ein Vorwort von Jörg Knaf, Executive Managing Director, DACH Countries, Natixis Global AM: „Während sich die Franzosen zuerst noch mit arbeitgeberfreundlichen Reformen auseinandersetzen müssen, machen sich schon die ersten Großbanken auf den Weg nach Frankfurt. Seit dem Brexit-Referendum vor einem Jahr haben sieben der zwölf größten Investmentbanken angekündigt nach Frankfurt umzuziehen. Damit stehen den Briten harte Zeiten bevor, denn der Londoner Finanzsektor macht immerhin fast ein Zehntel  des gesamten BIP’s in den UK aus. Aber damit nicht genug, denn die Hessen werben auch um die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA). Mit mehr als 20 Arzneimittelherstellern, zahlreichen Universitäten und mehr als 20.000 Angestellten in der Industrie, hat die Region beste Voraussetzungen, ein geeignetes Umfeld zu bieten. Da haben sich die Briten selbst ein Bein gestellt. May’s Wahlschlappe war die Ohrfeige obendrauf.“

Ein Jahr nach dem Brexit-Referendum ist die Zukunft Großbritanniens keineswegs klar. Nach der Euphorie aus dem vergangenen Sommer hat sich die Stimmung jenseits des Kanals geändert. So hat der konjunkturelle Trend inzwischen nachgelassen, während sich gleichzeitig die durchaus berechtigte Frage stellt, wie sich die Briten den Brexit denn nun konkret vorstellen. Für mich gibt es in diesem Zusammenhang drei wichtige Aspekte:

- Welche Strategie verfolgen die Briten? Was wünschen sie sich für ihre Zukunft?

- Die ersten Auswirkungen auf die Wirtschaftsaktivitäten sind bereits erkennbar.

- Die nächsten Jahre werden für die Briten eine schwere Zeit.

Welche Strategie?

Nach einem Jahr ist dies die wichtigste Frage überhaupt. Das Votum für den Brexit war in erster Linie politisch motiviert. Es beruhte auf der vermeintlichen Notwendigkeit, dass die für Großbritannien relevanten Entscheidungen wieder in London und nicht mehr in Brüssel getroffen werden sollen. Ein weiterer entscheidender Faktor war auch das Thema Migration. Die britische Regierung sollte in die Lage versetzt werden, die Zuwanderung zu steuern. Dies war mit einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union jedoch nicht vereinbar.

Die Zeit unmittelbar nach dem Referendum war eine sehr politisch dominierte Phase. Es musste ja jeder Brite und jede Britin für die Pläne der Regierung und den angestrebten Brexit-Prozess gewonnen werden. Dies war jedenfalls die Strategie von Theresa May. Im Sommer und Herbst letzten Jahres überzeugte sie die Bürger dank der guten wirtschaftlichen Lage zwischenzeitlich auch davon. Seinerzeit hatte der Brexit einen positiven Effekt auf das Wachstum. Damals ging man noch von einem „harten“ Brexit aus, im Zuge dessen die Beziehungen zur EU endgültig beendet werden sollten. Auch mit der Unterstützung von Donald Trump wurde eine solche Strategie als nachhaltig betrachtet, und man nahm an, dass Großbritannien in diesem Prozess seine Geschicke selbst in der Hand haben würde.

Diese Euphorie ist nach der Berufung auf Artikel 50 der EU-Verträge vom 29. März jedoch verflogen. Inzwischen konzentrieren sich alle auf die konkreten Folgen der Trennung von der EU. Dann schlug May vor, die Parlamentswahl auf den 8. Juni vorzuziehen. Seitdem herrscht heilloses Durcheinander. Die Regierung hat mittlerweile keine Mehrheit mehr, und der Wahlausgang hat gezeigt, dass man sich anstelle eines „harten“ eher einen „weichen“ Brexit wünscht. Bei einem „weichen“ Brexit bliebe der Zugang um EU-Binnenmarkt bestehen. Allerdings könnten die Briten die Zuwanderung nicht nach eigenem Ermessen steuern, und auch die Vorgaben für Großbritannien im Hinblick auf den Binnenmarkt kämen nach wie vor aus Brüssel. Und über die Regeln könnte auch nicht mehr diskutiert werden, selbst wenn sich diese in Zukunft noch ändern würden. Für Großbritannien ist dies wohl die denkbar schlechteste Ausgangslage. Und genau in dieser Konstellation begannen am 19. Juni die Verhandlungen mit der EU.

Man realisiert zunehmend, dass Großbritannien ein wichtiger Teil der europäischen Wertschöpfungskette war und deshalb nun das Risiko besteht, aus diesem Markt gedrängt zu werden. Dieses Argument wurde kürzlich von Airbus vorgebracht. Dieses europäische Unternehmen ist sich nicht sicher, ob der Erhalt der britischen Produktionsstätten nach dem Brexit überhaupt noch effizient ist und sich innerhalb der EU nicht vielleicht bessere Produktionsbedingungen bieten.

Der letzte Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Glaubwürdigkeit von Theresa May. Momentan ist sie Premierministerin mangels Alternativen. Was kann sie tun? Ihre Strategie in Richtung eines „harten“ Brexit wird von den Wählern nicht befürwortet, und ihre Sparpolitik wurde von Jeremy Corbyn strikt infrage gestellt. Mit anderen Worten: Wir wissen nicht, wie sich die Briten ihre Zukunft vorstellen. Die Entscheidungen, die es nun zu treffen gilt, werden zwar langfristige Auswirkungen auf die britische Gesellschaft, die britische Wirtschaft sowie den Platz Großbritanniens in der Welt haben. Wir können allerdings davon ausgehen, dass die Briten derzeit nicht wissen, was sie wollen.

Aus Sicht der Europäischen Union scheint diese Strategie dafür zu sprechen, dass sich die Briten auf die Freundlichkeit der EU-Unterhändler verlassen und davon ausgehen, dass die EU letztlich die Entscheidungen für sie trifft. Das ist jedoch wirklich bizarr und dürfte sich als absolut problematisch erweisen, falls Michel Barnier, der Chef-Unterhändler der EU, an seiner harten Linie festhalten sollte. Und davon sprach er kürzlich in einem Interview mit der FT. Er möchte schließlich keinen Präzedenzfall schaffen und wird deshalb hart bleiben. Dieser Schlingerkurs Großbritanniens sorgt für Unsicherheit hinsichtlich der Absichten sowie der Zukunftsaussichten des Landes. Und das wiederum kann internationale Investoren abschrecken.

Die Auswirkungen

Nach dem Referendum ist das Wirtschaftswachstum zunächst durch die schwächere Währung und die niedrigeren Zinsen beflügelt worden. In dieser Phase hat man sich über die Volkswirte lustig gemacht. Ihre pessimistischen Prognosen erwiesen sich nämlich als falsch. Doch diese Volkswirte haben auch stets betont, dass der Wachstumstrend in Großbritannien belastet werden würde – von einem abrupten Einbruch war jedoch nie die Rede.

Seit Anfang 2017 hat sich die Lage aber allmählich verändert. So kam es beispielsweise bei der Entwicklung der Immobilienpreise zu einer Trendwende, denn diese steigen mittlerweile nicht mehr an. Darüber hinaus könnten ausländische Direktinvestitionen in Mitleidenschaft gezogen werden, während die Inflationsrate gleichzeitig bei fast 3% liegt. Darin spiegeln sich die Folgen der oben erläuterten Unsicherheit sowie die Gefahr wider, den Zugang zum EU-Binnenmarkt zu verlieren. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, von welchen Wettbewerbsvorteilen Großbritannien profitieren kann.

Bisher wurden folgende Aussagen gemacht: Der Brexit hat zwar keinen Bruch zur Folge, aber was sich nach der Trennung von der EU alles ändern wird, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Worauf soll eine neue Wachstumsstrategie denn basieren? Es gibt keinen besonderen Vorteil, der einen Verlust des Zugangs zum Binnenmarkt auffangen könnte. Auch aus diesem Grund könnten sich internationale Anleger mit Investitionen in Großbritannien zurückhalten. Mit anderen Worten: Mit dem Strategiewechsel haben sich auch die Aussichten für die Wirtschaft des Landes sowie für deren Entwicklung verändert.

Die Verhandlungen und die langfristigen Folgen Jetzt wird das Ganze für Großbritannien richtig kompliziert. In diesem Zusammenhang sind vier Aspekte zu beachten.

1 – Zu Beginn der Verhandlungen wird es um den Beitrag Großbritanniens zum EU-Haushalt gehen. Dieser könnte sich auf rund 60 Mrd. Euro belaufen. Die Einigung über den zu zahlenden Betrag wird richtungsweisend sein. 

2 – Die europäischen Unterhändler möchten zunächst die Bedingungen für die Trennung klären, bevor sie über neue Handelsbeziehungen verhandeln. Die EU möchte also zuerst einmal alle Verbindungen kappen, bevor neue Beziehungen geknüpft werden. Auf diese Weise wird der Verlauf des Prozesses zwar nachvollziehbarer, sich für Großbritannien aber verlängern.

Ein weiterer Faktor ist, dass Großbritannien nach dem EU-Austritt nicht mehr von den 759 Verträgen zwischen der EU und dem Rest der Welt profitieren wird. So wird Großbritannien eigenständige Verhandlungen mit diesen Ländern (laut einem Artikel der Financial Times sind es derer 168) aufnehmen und neue Abkommen aushandeln müssen.

Dieser Umstand kann sich als nachhaltiger Schock erweisen, von dem sich Großbritannien nur schwer wieder erholt – zumal Großbritannien nicht ausreichend Ressourcen bereitstellen kann, um alle diese Verhandlungen gleichzeitig zu führen. Mit anderen Worten: Die Handelsbeziehungen werden sich zunächst zur EU sowie anschließend auch zum Rest der Welt hin verlagern. Dies aber wird negative Auswirkungen auf den britischen Arbeitsmarkt haben. 

3 – Der Finanzplatz London wird durch die Verhandlungen in Mitleidenschaft gezogen werden. Der „europäische Pass“ sowie der Clearing-Markt für Euro-Geschäfte, der nun in EU-Mitgliedstaaten umziehen muss, wird die Möglichkeiten britischer Finanzunternehmen, in den EU-Ländern tätig zu sein, einschränken. In der Folge wird der Finanzplatz London an Bedeutung verlieren. 

4 – Der nachhaltige negative Schock sowie der Bedeutungsverlust des Finanzplatzes London werden auch gravierende Folgen für den britischen Arbeitsmarkt haben. Dieser war bisher nämlich von ausländischen Arbeitskräften abhängig. Zwischen 2008 und 2016 kamen 85% der neuen Arbeitskräfte aus Ländern außerhalb Großbritanniens, und seit 2014 werden über 50% der neuen Arbeitsplätze von nicht-britischen Europäern geschaffen.

Mit anderen Worten: Das mäßigere Wirtschaftswachstum sowie ein nicht mehr so dynamischer Finanzsektor werden für Unsicherheit sorgen und die nicht aus Großbritannien stammenden Arbeitnehmer dazu veranlassen, das Land zu verlassen. Viele dieser Arbeitskräfte sind jedoch gut ausgebildet und haben entscheidend zu dem kräftigen Wirtschaftswachstum und der jüngsten Konjunkturerholung in Großbritannien beigetragen. Wachstum hängt jedoch stets auch vom Humankapital ab. Deshalb werden die Arbeitnehmer, die nach Paris, Frankfurt oder anderswohin zurückgehen, das Wachstum an ihrem neuen Standort ankurbeln – aber nicht mehr in Großbritannien. Meiner Meinung nach stellt dieser Umstand das größte Problem für die britische Wirtschaft dar, weil dadurch die Basis des Wachstumsmodells geschwächt wird. 

Fazit

Seit dem Referendum aus dem letzten Juni war innerhalb der britischen Wirtschaft kein Wandel zu beobachten, der die konjunkturelle Entwicklung auf lange Sicht grundlegend verändern könnte. So verfügt Großbritannien nach wie vor über keinen Wettbewerbsvorteil, der Grund zu der Annahme gäbe, dass Großbritannien als „Gewinner“ aus dem Brexit hervorgehen wird.

Gleichzeitig scheinen die Briten mit einer gemäßigten Haltung seitens der EU zu rechnen, um die negativen Folgen des Brexit, die ihnen allmählich bewusst werden, einzudämmen. Wir können uns eine solche Vorgehensweise seitens der EU aber nicht vorstellen, so dass auch weiterhin von negativen Konsequenzen auszugehen ist, solange die neuen Rahmenbedingungen ausgearbeitet werden. Und das wird Jahre dauern. Schließlich möchte die EU auch keinen Präzedenzfall schaffen und wird deshalb an ihrer unnachgiebigen Haltung zulasten der britischen Wirtschaft festhalten. 

Ein „weicher“ Brexit wäre für Großbritannien aber auch keine akzeptable Lösung, weil das Land in diesem Fall die Zuwanderung nicht selbst steuern könnte und sich auch weiterhin den Vorgaben für den Binnenmarkt beugen müsste – ohne Einfluss darauf nehmen zu können. Wie aber stünde es im Falle eines „weichen“ Brexit um die Souveränität Großbritanniens? Sie wäre sogar schwächer als vor dem Referendum, weil London nicht in der Lage wäre, die Rahmenbedingungen sowie die Struktur des Binnenmarktes mitzugestalten. Somit könnten die Briten diese Vorgaben lediglich „umsetzen“. Ein „weicher“ Brexit wäre also eine Art Selbstaufgabe der Briten. Wie aber kann man damit umgehen? Ich weiß es nicht.

Das Referendum war eine wirkliche Schnapsidee, deren positiver Effekt sich darauf beschränkt, dass sie anderen EU-Mitgliedstaaten als Beispiel dafür dient, wie man es auf keinen Fall machen sollte. Aktuelle Presseberichte belegen, dass der Brexit und die Wahl von Donald Trump in den USA die Hauptgründe dafür waren, weshalb populistische Parteien bei den jüngsten Wahlen in Europa so schlecht abgeschnitten haben. Dies galt für die Niederlande ebenso wie für Österreich und Frankreich. Und auch in Deutschland liegt die populistische AfD in den Meinungsumfragen inzwischen wieder bei unter 10%. Dies dürfte das Konstrukt Europa zwar stärken – jedoch auf Kosten Großbritanniens.

David Lafferty, Chef-Marktstratege, Natixis Global Asset Management

Vor mittlerweile einem Jahr stimmten die Briten im Rahmen eines Referendums für den Austritt aus der EU. Mit jedem Tag, der seitdem verstrichen ist, ist immer deutlicher geworden, wie schwierig ein Rückzug Großbritanniens aus den gesetzlichen Regelungen, Institutionen und wirtschaftlichen Beziehungen der EU sein wird. Noch erschwert worden ist dieser Prozess durch den Umstand, dass sich Premierministerin May mit ihren vorgezogenen Neuwahlen schlicht verzockt hat. Dadurch ist ihre bereits schwache Verhandlungsposition noch zusätzlich beeinträchtigt worden. Die vielleicht größte Überraschung seit dem vergangenen Juni ist aber die robuste Tendenz, welche die britische Wirtschaft trotz des Referendums vorgelegt hat. Obwohl das Verbraucher- und das Unternehmervertrauen deutlich gesunken sind, haben sich die „harten Wirtschaftsdaten“ nämlich als sehr widerstandsfähig erwiesen. Allerdings könnten die guten Zeiten demnächst vorbei sein. So fiel das britische BIP im I. Quartal schwächer aus, und die Verbraucher spüren allmählich die Auswirkungen des niedrigen Lohnwachstums und der steigenden Inflation. Darüber hinaus haben die Industrieproduktion sowie die Aktivitäten im produzierenden Gewerbe zuletzt nachgelassen. Obwohl Notenbankchef Carney seinerzeit dafür kritisiert worden war, erscheint die proaktive Zinssenkung der Bank of England aus dem letzten September derzeit eher vorausschauend. Mit dem Beginn der Brexit-Gespräche nimmt also auch die wirtschaftliche Unsicherheit zu, und diese neue Realität spiegelt sich in den Wirtschaftsdaten bereits wider.

Ein zweiter wichtiger Faktor könnte darin bestehen, dass sich die vorrangingen wirtschaftlichen Hindernisse, die es zu überwinden gilt, zusehends wandeln. Zunächst konzentrierten sich die Ängste noch auf den Handel sowie auf die Frage, wie der Zugang der Briten zum EU-Binnenmarkt in Zukunft aussehen könnte. Aber selbst für den schlimmsten Fall – also einer Rückkehr zu den Vorgaben und Zöllen der WTO – ist ein Teil der Belastung für den britischen Exportsektor durch die 13%-ige Abwertung des britischen Pfund gegenüber dem Euro abgefedert worden. Besorgniserregender ist deshalb vermutlich die zunehmende Unsicherheit um die Freizügigkeit der Bürger, die Rechte von Arbeitnehmern sowie die Flexibilität des Arbeitsmarktes. So wächst die Verunsicherung britischer Firmen im Hinblick auf diese Probleme. Werden Unternehmen ihren Standort verlagern müssen? Wie werden sie nach dem Brexit noch qualifizierte Arbeitskräfte finden? Obwohl der „freie Zugang zu den Märkten“ sowie die „Freizügigkeit von Bürgern“ im Rahmen der Brexit-Verhandlungen wichtige Themen sind, könnten die Probleme im Hinblick auf den Status von Arbeitnehmern innerhalb der Wirtschaft die Handelsfragen im Exportsektor überwiegen.

Im letzten Jahr haben sich die Vertreter der EU sowie Großbritanniens kaum auf einen gemeinsamen Nenner verständigen können. Dies gilt nicht nur für die zu verhandelnden Themen selbst, sondern auch für die Verhaltensregeln sowie den Ablauf der Gespräche. Die britischen Verhandlungsführer fühlen sich an den im Referendum zum Ausdruck gebrachten Willen der Bevölkerung gebunden. Die EU-Vertreter können jedoch keine „Vorzugsbehandlung“ anbieten, ohne den Zorn der 27 übrigen Mitgliedstaaten auf sich zu ziehen. Stattdessen hat die EU sogar noch Öl ins Feuer gegossen, indem sie den Briten eine „Brexit-Rechnung“ in Höhe von 60 Mrd. Euro vorgelegt hat. Da es Theresa May nicht gelungen ist, die Stimmenmehrheit ihrer Konservativen Partei auszubauen, hat sich ihre Verhandlungsposition für die sowieso unübersichtlichen und schwierigen Gespräche noch einmal verschlechtert. Aus diesem Grund ist mittlerweile eine größere Zahl von Szenarios denkbar, obwohl anfangs viel für einen sauberen Schnitt – den sogenannten „harten Brexit“ – gesprochen hatte. Ein Jahr nach dem Votum ist die wirtschaftliche Unsicherheit im Zusammenhang mit dem Brexit deshalb also nicht kleiner, sondern größer geworden.

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