Der Abstimmungsreigen im britischen Unterhaus zieht sich unverändert fort. Es zeichnet sich keinerlei Austrittslösung ab, und im Hintergrund der Debatten lauert weiterhin das Risiko eines „harten“ Brexits wie das Gespenst Cromwells, jenes großen und in Großbritannien nicht unumstrittenen Staatsmanns. Interessant ist der Rückblick auf Cromwell, weil dieser wie Theresa May mit einem Aufstand des Parlaments konfrontiert wurde, dem er prompt einen Maulkorb verpasste.
Er war es auch, der Irland unterwarf, das im Brexit-Drama nun wieder eine entscheidende Rolle spielt: Im Ringen um eine Mehrheit sind die nordirischen Abgeordneten der Democratic Unionist Party (DUP) das Zünglein an der Waage. Und so ist die älteste moderne Demokratie (wenngleich es sich formal um eine Monarchie handelt) noch immer in denselben Problematiken gefangen wie vor fünf Jahrhunderten. Dort wie anderswo wird somit nicht aus der Geschichte gelernt. An den Märkten sind derzeit zwei gegenläufige Bewegungen zu beobachten. Einerseits überwiegt der Optimismus trotz zahlreicher Gewinnwarnungen globaler Konzerne (z. B. Infineon, Osram und DowDupont) und der Inversion der US-Zinskurve, die mitunter als Warnsignal für eine unmittelbar bevorstehende Rezession interpretiert wird. Andererseits bewegen sich Positionen, mit denen Anleger auf eine Jahrhundertstagnation und -deflation setzen, auf historisch hohen Niveaus.
Für Schlagzeilen sorgte diese Woche auch Mario Draghi, der die Folgen des Negativzinses (-0,4 %) ins Visier nahm, den Banken für Einlagen bei der EZB zahlen. Insgesamt ergibt sich hieraus für das europäische Bankensystem eine Belastung von rund 8 Mrd. Euro. Sollte diese Maßnahme zugunsten der Banken abgemildert werden, wäre dies ein sofortiges Aufwärtssignal für einen unterbewerteten und von den Anlegern sträflich verschmähten Sektor. Europäische Aktien verzeichnen noch immer Kapitalabflüsse (4,8 Mrd. US-Dollar). Möglicherweise sind manche Anleger darauf bedacht, vor dem Brexit-Epilog ihre Gewinne zu versilbern. Mit dem erwachenden Frühling ist auch wieder die Zeit der Börsenweisheiten gekommen („Sell in May and go away“). All dem zum Trotz lässt sich aus den Konjunkturdaten eines jedoch noch immer nicht herauslesen: ein Anzeichen für eine weltweite Rezession.
Igor de Maack, Fondsmanager und Sprecher, DNCA