Entgegen allen Kassandrarufen ist dieser Jahresbeginn einer der besten der vergangenen Jahre. Trotz einer deutlichen Konjunkturabkühlung im ersten Quartal 2019 hat sich die Wette auf Risikoanlagen mehr als ausgezahlt. Aus den Geschäfts-sowie den ersten Quartalsberichten geht nichts hervor, was auf eine scharfe weltweite Rezession schließen lässt. So nehmen sämtliche Aktienindizes Kurs auf die Performance-Marke von 20 % oder touchieren diese, ob in den Vereinigten Staaten oder in Europa. Jenen Kunden, die diese Wertentwicklungen realisiert haben, ist somit vernünftigerweise zu raten, einige Gewinne mitzunehmen und sich über den Sommer eine Verschnaufpause zu gönnen, zumal die erneute Verhärtung der Fronten zwischen den USA und dem Iran den Ölpreis in die Höhe getrieben hat.
„April, April, der weiß nicht, was er will“ lautet die bekannte Wetterregel. Diesmal galt es nicht nur bei der Kleidung, sondern auch in puncto Aktien, gut eingedeckt zu bleiben und vor allem die Erholung der Value-Werte abzuwarten, die der allgemeinen Aufwärtsbewegung an den Aktienmärkten trotz allem noch hinterherhinken. Europäische Aktien werden von den großen internationalen Anlegern weiterhin gemieden (und mussten in der 56. der vergangenen 58 Wochen Nettoabflüsse hinnehmen). Ebenfalls für eine überraschende Statistik sorgt das Phänomen der anhaltenden Aktienrückkäufe in den Vereinigten Staaten (die mit 270 Mrd. US-Dollar das im selben Quartal des Vorjahres erreichte Volumen um 22 % übertreffen). Die Unternehmen nutzen die lockeren geldpolitischen Rahmenbedingungen und die Solidität ihrer Bilanzen also weiterhin für den Rückerwerb eigener Titel. Auch vor Neulingen auf dem Parkett (wie zuletzt Pinterest) macht die Börseneuphorie nicht Halt. Es wäre also nur logisch, wenn die Aktienmärkte eine Pause einlegten.
Eine beliebte Börsenweisheit im englischsprachigen Raum lautet „Sell in May and go away“. Es gibt jedoch noch manche Sektoren und Unternehmen, deren Börsenkurse noch nicht wieder zu ihrem Stand von vor dem letzten Quartal 2018 zurückgefunden haben. In eben diese Kategorien dürfte es sich lohnen, noch das ganze Jahr 2019 hindurch anzulegen, vor allem vor Beginn der Saison der Dividendenausschüttungen, die bald anbrechen wird. Das Bonmot der Engländer zu beherzigen ist also nicht unbedingt empfehlenswert. Vielmehr könnte es sich auszahlen, auf eine französische Redensart zum Wonnemonat zu hören: „En mai fais ce qu’il te plait“ – mach im Mai was dir gefällt!
Igor de Maack, Fondsmanager und Sprecher, DNCA