Waechter: „Dass die Fed die Zinsen gleich um 0,5 Prozentpunkte auf die Spanne von ein bis 1,25 Prozent gesenkt hat, zeigt, dass die Fed nicht erwartet, dass die Marktzinsen schnell wieder in die Spanne zurückkommen, die mit dem vorherigen Benchmark-Niveau konsistent wäre.
Mit anderen Worten: Die US-Notenbank ist der Ansicht, dass die Renditen für alle Laufzeiten für einen längeren Zeitraum niedrig bleiben und passt ihren geldpolitischen Kurs daran an. Dies bedeutet, dass die Fed eine schwächere wirtschaftliche Perspektive für die kommenden Monate befürchtet oder gar eine Rezession. Dies mag zwar die Finanzmärkte kurzfristig stabilisieren, aber wenn die Unsicherheit bestehen bleibt, ist keine nachhaltige Wende zu erwarten. Die Zinssenkung wird auch die Nachfrage nicht ankurbeln, sondern höchstens den Bankrott vieler US-Unternehmen vermeiden. Und eigentlich braucht die US-Wirtschaft auch derzeit keine Unterstützung der Nachfrage. Die Wohnungsbauinvestitionen sind dank der vergangenen Zinssenkungen robust. Die Refinanzierung von Hypotheken wird die Konsumausgaben der Haushalte unterstützen. Die meisten Aktivitätsindikatoren verbessern sich, so dass in den USA das BIP-Wachstum in den drei Monaten bis März bei etwa 2,5% liegen könnte.
Der interessante Punkt ist also, dass in diesem Umfeld die US-Notenbank kaum wirksame Instrumente hat. Solange es keinen Impfstoff gibt oder das Virus nicht verschwunden ist, wird die Fed ein Mitläufer und kein Anführer sein. Wenn diese große Unsicherheit bestehen bleibt, müssen wir in Zukunft mit niedrigeren Zinsen und einer erneuten Senkung des Leitzinses der Fed rechnen. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende.“
Philippe Waechter, Chefvolkswirt, Ostrum Asset Management