Sundaresh: „Alle Augen werden auf den nächsten WTI-Terminkontrakt gerichtet sein, der am 19. Mai ausläuft. Wenn der Kontrakt ausläuft, könnten die Preise wieder negativ werden. Negative Preise könnten schwerwiegende Auswirkungen auf Risikomanagement und Optionspreismodelle haben. Zum Beispiel geht das häufig verwendete Modell von Black und Scholes davon aus, dass der Preis eines Vermögenswerts immer größer als Null ist. Das trifft zwar auf Aktienpreise zu, aber nicht unbedingt auf schwer zu lagernde Rohstoffanlagen, wie wir gesehen haben. Die CME, die weltgrößte Börse für Finanzderivate, war sich dieser Möglichkeit bewusst und hat das Black-Scholes-Modell schnell durch das Bachelier-Modell ersetzt, ein weiteres Optionspreismodell, das negative Preise berücksichtigen kann.
Das einzige Heilmittel gegen niedrige Ölpreise sind niedrige Ölpreise. Mit anderen Worten: Wir können das Problem nur lösen, wenn der Preis strukturelle Angebotsrückgänge erzwingt. Wir glauben, dass die jüngsten Kürzungen und eine Fördermengenbegrenzung der OPEC+ nicht ausreichen werden, um den Ölmarkt in sehr naher Zukunft zu retten. Öl ist ein schwer zu lagerndes Gut, was bedeutet, dass Angebot und Nachfrage auf dem Spotmarkt aufeinander treffen müssen. Andernfalls wird die Lagerung zu einem Problem werden.
Obwohl wir bei Rohöl kurzfristig sehr pessimistisch sind, gibt es Potenzial für eine Erholung. Die Ölnachfrage ist in der Regel unelastisch und wird sich wahrscheinlich sehr schnell wieder erholen, sobald die Lockdown-Maßnahmen aufgehoben werden. Die Nachfrage in China hat fast wieder das Niveau von vor dem COVID-Virus erreicht, und wir erwarten, dass die Nachfrage in anderen Ländern diesem Beispiel folgen wird. Berücksichtigt man die OPEC+-Kürzungen und den strukturellen Förderrückgang, dann könnten wir bereits im dritten Quartal dieses Jahres einen ausgeglichenen Markt sehen.“