Laut einer weltweit durchgeführten Umfrage von Natixis Investment Managers unter 8.550 Privatanlegern sind die Renditeerwartungen im Zuge der Corona-Pandemie kräftig angestiegen. Die Befragung von Anlegern mit einem investierbaren Vermögen von mehr als 100.000 US-Dollar ergab, dass sie angesichts zweistelliger Renditen im Jahr 2020 optimistisch gestimmt sind und im Durchschnitt langfristig eine reale Rendite von 14,5 Prozent erwarten. Vergleicht man die Erwartungshaltung der Anleger mit den Einschätzungen von Finanzprofis, so klafft zwischen den Ansichten beider Gruppen eine erhebliche Lücke. Finanzberater halten gegenwärtig reale Renditen von 5,3 Prozent für realistisch. Die durchschnittliche Renditeerwartung der Privatanleger liegt damit um 173 Prozent über der von Finanzprofis. Deutsche Privatanleger haben demgegenüber mit zehn Prozent eine vergleichsweise bescheidene Renditeerwartung.
Unklare Risikoeinschätzung Um ihre Renditeziele zu erreichen, sind die Privatanleger mehrheitlich (58 %) bereit, Risiken einzugehen. In Deutschland fällt dieser Anteil mit 53,3 Prozent etwas geringer aus. Von einer erhöhten Volatilität lassen sie sich dabei nicht abschrecken. 68 Prozent der weltweit Befragten halten Marktschwankungen von bis zu zehn Prozent für normal. In Deutschland sagten dies sogar drei Viertel der Privatanleger. Fast 68 Prozent der Anleger hierzulande betrachten Volatilität als Chance für Investmentgewinne.
Ganz so eindeutig scheint die Risikobereitschaft dennoch nicht ausgeprägt zu sein. Das zeigen zum Beispiel die Antworten auf die Frage, ob man sich bei der Geldanlage im Zweifel sicherheitsorientiert oder renditeorientiert verhalten würde. Weltweit entschieden sich drei Viertel der Befragten für die Sicherheit. In Deutschland waren es 68 Prozent. Als Hauptrisiko, so zeigt die Studie, wird mit 40 Prozent die Marktvolatilität betrachtet, gefolgt von einer nur zögerlichen Wirtschaftserholung (39 %) sowie der Inflation (31 %). In Deutschland ist die Risikowahrnehmung eine etwas andere. Mit 42 Prozent betrachten Privatanleger hier ein anhaltendes Niedrigzinsumfeld als das größte Risiko. Fast genauso viele (41,5 %) sehen die Inflation als Gefahr für ihre Investments. 27,8 Prozent sorgen sich am stärksten über den Fortgang der wirtschaftlichen Entwicklung.
Wie lässt sich vor diesem Hintergrund der Renditeoptimismus der Anleger erklären? „Die Anleger folgen vermutlich dem aus der Behavioral Finance-Forschung bekannten Recency-Bias“, sagte Sebastian Römer, Leiter des Natixis Geschäfts in Mittel- und Osteuropa. „Viele haben im vergangenen Jahr unter schwierigen Bedingungen gute Rendite erzielen können und erwarten in dem sich in diesem Jahr verbesserten Umfeld noch höhere Ergebnisse. Dies erscheint gegenwärtig aber nicht wahrscheinlich. Die Finanzberatung und ihre Akteure können helfen, diese Einstellung im Kundengespräch zu hinterfragen und die Anleger auch für alternative Marktszenarios zu sensibilisieren.“
Covid lässt Investoren hierzulande unbeeindruckt Im Gegensatz zu anderen Regionen sind Privatanleger in Europa weitgehend gut durch die Corona-Krise gekommen. 60 Prozent gaben an, das Infektionsgeschehen habe sich nicht negativ auf sie ausgewirkt. Die Kombination aus schnellem Handeln der Politik und einem höheren Einkommensniveau führte dazu, dass sieben Prozent der Befragten ihren Job verloren und dass weniger als jeder Fünfte (19 %) Einbußen beim Haushaltseinkommen hinnehmen musste. Die optimistischen finanziellen Aussichten wurden auch durch eine durchschnittliche reale Anlagerendite von 11,2 Prozent in 2020 begünstigt. Infolgedessen glauben nur elf Prozent der Europäer, dass sie während der Pandemie einen signifikanten Rückschlag bei ihrer finanziellen Sicherheit erfahren haben - die niedrigste Zahl in allen Regionen. In Deutschland fällt der Anteil mit neun Prozent gemeinsam mit Schweden am geringsten aus.
Auch die Stimmung in Europa ist positiver als in Asien und Lateinamerika. Die überwiegende Mehrheit der Privatanleger (60 %) fühlt sich durch Corona nicht gestresst. Und insgesamt sagten fast zwei Drittel, dass sie hinsichtlich ihrer finanziellen Sicherheit zuversichtlich sind. Am stärksten ist diese Einstellung in Deutschland (74 %) und in den Niederlanden (78 %) zu finden.
Lehren aus der Coronakrise
In der Coronakrise scheint auch das Bewusstsein für fundamentale Regeln wirtschaftlichen und finanziellen Handelns geschärft worden zu sein. Auf die Frage, welche wichtigen Erkenntnisse die Krise gefördert habe, verwiesen im globalen Durchschnitt 43,3 Prozent auf die Bedeutung einer strikten Ausgabenkontrolle. Für 30 Prozent ist die Bildung von Notfallreserven besonders wichtig. 24,7 Prozent sahen es als wichtig an, die Risiken im Portfolio zu verstehen. Und fast ebenso viele (24,2 %) wiesen auf die Bedeutung des Rebalancing hin. Auch in Deutschland spielt der Grundsatz der Ausgabenkontrolle eine herausgehobene Rolle (39,3 %). Danach benannten 16,5 Prozent der hier Befragten das Rebalancing sowie 16,3 Prozent das Risikoverständnis als wichtigste Lehre aus der Coronakrise.
Für Sebastian Römer haben die meisten Privatanleger vor allem in Europa den Stresstest der Corona-Pandemie bisher gut überstanden und blicken mit optimistischen Renditeerwartungen in die Zukunft. „Dennoch sollten Anleger die Bodenhaftung nicht verlieren und sorgfältig abwägen, welche Ergebnisse sie vor dem Hintergrund ihrer persönlichen Risikotoleranz realistischerweise erreichen können. Ansonsten ist eine gewisse Enttäuschung am Ende programmiert.“