- Kräftiger Ausbau des Geschäfts in den nächsten drei Jahren geplant
- Fast die Hälfte will den Schwerpunkt von der Portfolioverwaltung auf die Finanzplanung verlagern, um langfristige Beziehungen zu stärken.
Trotz einer zweistelligen Korrektur an den Aktien- und Anleihemärkten und einer fast zweistelligen Inflation in der ersten Jahreshälfte 2022 gehen Finanzberater davon aus, dass ihr Geschäft weiterwachsen wird. Laut einer aktuellen Umfrage von Natixis Investment Managers erwarten die europäischen Finanzberater in diesem Jahr ein Wachstum ihrer Vermögenswerte von sechs Prozent. Die in Deutschland befragten Finanzprofis sind demgegenüber deutlich zurückhaltender. Sie erwarten einen Zuwachs von lediglich 1,4 Prozent. Auf Sicht von drei Jahren jedoch gehen die Finanzberater hierzulande von einem jährlichen Wachstum von 15,8 Prozent aus. Mit diesem Zielwert liegen sie im europäischen Vergleich deutlich an der Spitze.
Zwischen Februar und April dieses Jahres befragte Natixis Investment Managers 1050 Finanzfachleute in Europa; darunter Vermögensverwalter, registrierte Anlageberater, Finanzplaner und unabhängige Broker. Die Ergebnisse zeigen, dass es für viele schwierig sein wird, ihre Wachstumsziele zu erreichen, da sie ihre Anlagestrategien anpassen und gleichzeitig die ehrgeizigen Erwartungen ihrer Kunden erfüllen müssen.
Schwieriges Umfeld für Wachstum
In der Geopolitik, der Inflation und der gestiegenen Volatilität sehen die Befragten die drei größten Marktrisiken. Die Besorgnis über geopolitische Risiken ist am stärksten ausgeprägt. Im europäischen Durchschnitt äußerten sich 78 Prozent entsprechend. In Deutschland waren es 82,7 Prozent. An zweiter Stelle steht das Thema Inflation. Rund zwei Drittel der Finanzfachleute in Europa (63 %) sieht darin ein Hauptrisiko für ihre Portfolios. In Deutschland sind es 60,7 Prozent. Auch die Phase der Volatilität - eine der längsten Phasen seit der Finanzkrise – bereitet Sorgen. Mehr als ein Drittel (31 %) in Europa sieht darin ein Hauptrisiko. In Deutschland sieht man dies entspannter. Lediglich 13,3 Prozent der Befragten zählen die erhöhte Volatilität zu den Hauptrisiken.
Trotz dieser Störeffekte erwarten die Befragten keine anhaltenden Kursrückgänge an den Märkten, sondern eher eine gewisse Erholung bis zum Jahresende. Sie gehen davon aus, dass die meisten großen Indizes bis Ende Dezember leichte Gewinne verzeichnen werden: Im europäischen Durchschnitt rechnet man beim S&P 500 mit einem Plus von 4,2 Prozent. Mit 2,8 Prozent sehen die deutschen Finanzberater hier deutlich weniger Aufwärtspotential. Für den DAX hingegen erwarten sie zum Jahresende ein Plus von sechs Prozent.
"Angesichts der aktuellen Herausforderungen an den Märkten erscheinen Wachstumspläne der Finanzberater sehr optimistisch. Kurzfristig werden sie ihre Portfolios und Empfehlungen taktisch anpassen müssen, um das Vertrauen ihrer Kunden zu erhalten. Langfristig kommen sie nicht umhin, sich strategisch auf die sich abzeichnenden Veränderungen einzustellen. Sie werden ihre Marktannahmen neu bewerten und sich die Frage stellen müssen, wie sehr sich die Welt wirklich verändern wird“, sagte Sebastian Römer, Leiter des Geschäfts in Zentral- und Osteuropa von Natixis Investment Managers.
Die Bedeutung alternativer Investmentstrategien wird dabei voraussichtlich weiter zunehmen. Im europäischen Durchschnitt sind 68 Prozent der Finanzprofis der Meinung, dass die aktuellen Marktbedingungen alternative Anlagen wie Infrastruktur, Private Assets und Rohstoffe attraktiver machen. In Deutschland vertreten 63,3 Prozent der Befragten diese Auffassung.
Neukunden dringend gefragt
Um ihre ehrgeizigen Geschäftsziele zu erreichen, wird es für Finanzberater nicht nur auf die Stabilisierung bzw. den Ausbau des verwalteten Vermögens, sondern auch auf die Gewinnung neuer Kunden ankommen. Hier geben sich die Befragten in Europa optimistisch. Sie gehen davon aus, pro Jahr 44 Neukunden hinzugewinnen zu können. In Deutschland liegt die Zahl bei 43 Neukunden.
Bei ihrer Suche segmentieren die Finanzfachleute ihre potenziellen Kunden nach Alter. Im Fokus stehen dabei vor allem die 50 bis 60-Jährigen. Im europäischen Maßstab setzen 93 Prozent der Befragten auf diese Altersgruppe. In Deutschland sind es 85 Prozent. Noch stärker, nämlich zu fast 91 Prozent, fokussiert man hierzulande aber auf die 35 bis 50-Jährigen. Die Altersgruppe derjenigen, die kurz vor dem Ruhestand stehen (60 bis 65-Jährige), ist im europäischen Durchschnitt für 54 Prozent der Befragten sehr interessant. In Deutschland hingegen sind lediglich 40 Prozent dieser Ansicht.
Kundenempfehlungen sind für Finanzdienstleister mit Abstand das wichtigste Mittel zur Steigerung des Geschäftsvolumens: 77 Prozent der Befragten in Europa und 78 Prozent in Deutschland äußerten sich entsprechend. Wichtig für den Erfolg ist auch die Erbengeneration. 50 Prozent der in Europa befragten Finanzberater (53,3 % in Deutschland) glauben, dass ihr Erfolg von der Fähigkeit abhängt, Beziehungen zu den Erben der nächsten Generation aufzubauen. Die fortschreitende Digitalisierung erzwingt zudem den Ausbau entsprechender Kompetenzen. 44 Prozent der auf europäischer Ebene Befragten setzen auf den verbesserten Zugang zu neuen Technologien. In Deutschland hat dieses Thema für 44,7 Prozent eine besondere Relevanz. Die damit verbundenen Kosten gelten als zentrales Hindernis. Auf europäischer Ebene sagten dies 47 Prozent, in Deutschland 32,8 Prozent.
Mehrwert für Kunden schaffen
Von den Märkten dürften die Finanzberater künftig weniger Rückenwind erfahren als in der Vergangenheit. Vor diesem Hintergrund müssen Finanzberater ihre Portfolio- und Geschäftsstrategien anpassen, um die Wachstumserwartungen zu erfüllen. Fast die Hälfte der europäischen Berater (48 %) ist überzeugt, den Kunden einen Mehrwert bieten zu müssen, der über die reine Portfoliokonstruktion hinausgeht. In Deutschland ist diese Einsicht mit 31,3 Prozent allerdings geringer ausgeprägt. In diesem Zusammenhang könnten externe Modellportfolios helfen, Finanzberater zu entlasten und die eingesparte Zeit auf den Ausbau anderer Leistungen zu verwenden. Noch nutzt hierzulande allerdings gerade einmal ein Drittel der Befragten den Einsatz von Modellportfolios. Gegen den Einsatz sprechen vor allem zwei Überlegungen: Zum einen zählen die Finanzberater die Portfoliokonstruktion zu ihrem originären Leistungsversprechen (79 %). Zum anderen geben sie an, dass sich Modellportfolios nicht ohne Weiteres an individuelle Kundenwünsche anpassen ließen (29,2 %).
Die gesamte Studie finden Sie hier.