Wunderglaube oder Illusion – aber keinesfalls realistisch sind für Thomas Planell, Portfoliomanager bei der französischen Investmentgesellschaft DNCA, die Hoffnungen auf eine baldige geldpolitische Wende. Trotz vieler guter Nachrichten, zuletzt vom Arbeitsmarkt, hinge über all den optimistischen Szenarien ein Damoklesschwert, das offenbar auch die Notenbanken besorge: Könnte eine westliche Wirtschaft, die sich widerstandsfähiger zeigt als erwartet, und ein chinesisches Wachstum von über 5 % im Jahr 2023 eine Rückkehr der Überhitzung auslösen, gegen die die Zentralbanken seit über einem Jahr ankämpfen?
Planell: „Die Inflation gibt nach, ohne dass die Zinserhöhungen oder die Verlangsamung der Wirtschaftstätigkeit in Europa und den USA zu einem auch nur merklichen Anstieg der Arbeitslosigkeit geführt hätten. Überraschenderweise bleibt die Arbeitslosigkeit auf einem Rekordtief: laut Eurostat 6,5% in der Eurozone und 3,6% in den USA.
Wird das Wunder des Soft-Landing, die Eindämmung der Inflation ohne Arbeitsplatzvernichtung, vor unseren ungläubigen Augen vollzogen? Vielleicht ist das der Grund, warum sich EZB-Granden in falkenhafter Rhetorik üben: um die Gerüchte über eine Zinserhöhung um nur 25 Basispunkte zu zerstreuen. Das größte Risiko für Anleger besteht also darin, dass sich die Märkte etwas zu schnell auf den Weg der geldpolitischen Wende begeben haben.“
Daraus schlussfolgert Michael Jäger, Senior Sales Director bei Natixis IM, dass nach einem besonders günstigen Jahr für quantitative Fonds 2023 das Stock-Picking wieder an seine glorreichen Zeiten anknüpfen könnte. Für die Anleger könnte nach diesem historischen Jahresauftakt an den europäischen Märkten Alpha nun wichtiger sein als Beta: „In dieser Hinsicht ist der Abstand von 12 % zwischen Morgan Stanley und Goldman Sachs am Tag der Veröffentlichung ihrer Ergebnisse letzte Woche Dienstag aufschlussreich.“