„Eine straffere Geldpolitik deckt oft finanzielle Exzesse und Risikofelder in einer Volkswirtschaft auf“, schreibt Craig Burelle, Makrostratege bei der US-amerikanischen Investmentgesellschaft Loomis Sayles in seinem jüngsten Marktausblick. Im derzeitigen spätzyklischen Umfeld könne dies der Fall sein, seien doch strengere Kreditvergabestandards und Stress im Bankensektor keine willkommenen Ereignisse. Lediglich im Hinblick auf die Inflation dürften die eingeschränkte Verfügbarkeit von Krediten und das verlangsamte Wirtschaftswachstum ihre Wirkung entfalten. Denn auch wenn der Stress im Finanzsystem gerade im Fokus der Anleger stünde, sollten diese das Inflationsrisiko nicht vergessen. Die Fed werde ihre Zinserhöhungen zwar aussetzen, aber nur langsam zu Zinssenkungen übergehen, solange die Kerninflation deutlich über dem Zielwert liegt. „Wir sind ebenfalls der Meinung, dass ein Großteil der Spannungen im US-Finanzsystem durch weitere Zinserhöhungen nur noch verschärft werden würde. Allerdings kämpft die Fed nach wie vor gegen die Inflation und sie ist damit nicht allein: Die Kerninflation in der Eurozone und im Vereinigten Königreich dürfte für EZB und Bank of England ein noch größeres Problem darstellen als die Herausforderungen der Fed“, schreibt Burelle. Steht also in den USA eine Rezession bevor? Burelle und seine Kollegen schätzen die Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten sechs Monate auf mindestens 50%. Für die Anlagestrategie an den Aktienmärkten bedeute dies, dass die richtige Titelauswahl noch wichtiger werde: „Wir sind der Ansicht, dass die strengeren finanziellen Bedingungen, die geringere Preissetzungsmacht und die sinkenden Gewinnspannen dazu führen dürften, dass die Konsensgewinnschätzungen für den S&P 500 um etwa 10% unter dem derzeitigen Niveau von 220 US-Dollar liegen.“
Burelle weiter: „Unser Rahmenwerk zur Unternehmensgesundheit deutet darauf hin, dass sich die Unternehmen derzeit in einer guten Verfassung befinden, aber die Fundamentaldaten tendieren nach unten, was angesichts der hohen Bewertungen das potenzielle Gesamtrenditeplus begrenzen könnte. Das Wachstum der Unternehmensgewinne ist seit dem anfänglichen Aufschwung weltweit unter Druck geraten. Eine gewisse Verlangsamung wurde erwartet, aber ein weitreichender Rückgang scheint nun wahrscheinlicher. Wachstumsaktien insgesamt dürften den Markt weiterhin übertreffen, gestützt auf Unternehmen mit starken Fundamentaldaten im Vergleich zu breiteren Large-Cap-Indizes. Der Technologiesektor ist nach wie vor relativ führend in Bezug auf Eigenkapitalrendite und Gewinnspannen. In einigen Segmenten von Value-Aktien, darunter Industriewerte, sind die Gewinnschätzungen für das Kalenderjahr 2023 in den letzten Wochen gestiegen. Wir rechnen mit einer potenziellen Outperformance in Sektoren und Stilen, in denen sich die Fundamentaldaten verbessern oder zumindest relative Stärke zeigen. Die starke Underperformance von Finanztiteln ist zu einem globalen Phänomen geworden. Wir gehen jedoch davon aus, dass der Sektor aufgrund des scharfen Wettbewerbs und der geringeren Preissetzungsmacht langfristig vor Herausforderungen steht.“
Den vollständigen Ausblick für das Jahr 2023 finden Sie hier im englischen Original.
Von Craig Burelle, Senior Analyst bei Loomis Sayles