Die Entwicklung des Währungspaares EURUSD spiegelt vielfältige und oft instabile Gleichgewichte wider. Das Wachstumsgefälle, die Trends in den Portfolios von Investoren, die Divergenz in der Geldpolitik und die politischen Entwicklungen – all das sind Parameter, die berücksichtigt werden müssen, um die künftige Dynamik des Währungspaares zu beurteilen.
Der EURUSD wird seit Anfang 2023 in einer Spanne zwischen 1,05 und 1,11 gehandelt, aber wie lange noch? Und was wäre nötig, damit das Paar über oder unter diese Niveaus ausbricht? Wir sind der Ansicht, dass sowohl zyklische als auch strukturelle Gründe dazu führen dürften, dass der US-Dollar gegenüber dem Euro in den nächsten drei bis sechs Monaten an Wert gewinnt und somit die Marke von 1,05 unterschreitet. Danach dürfte der Euro dank der Verbesserung der europäischen Wirtschaftslage, die wir bis 2025 erwarten, und aufgrund der Stabilisierung der geldpolitischen Lücke wieder auf die Beine kommen.
Zyklische und strukturelle Faktoren im Spiel
Die implizite Volatilität des EURUSD (aus den Optionsmärkten abgeleitet) befindet sich auf einem historisch niedrigen Niveau, was darauf hindeutet, dass die Anleger keine Notwendigkeit sehen, sich gegen das Risiko einer starken Schwankung des Währungspaares abzusichern (Hedging). Jedes exogene und angstauslösende Ereignis, wie z.B. eine Verschärfung der politischen Spannungen, dürfte jedoch zu einem Anstieg dieser impliziten Volatilität führen, was den Greenback nach oben treiben dürfte. Denn wir sehen eine negative Korrelation zwischen der impliziten Aktienvolatilität (ein Indikator für Aktienstress) und dem Euro-Dollar-Wechselkurs.
Darüber hinaus ist das Wachstumsgefälle zwischen den USA und der Eurozone ein Faktor, der den US-Dollar mittelfristig begünstigen dürfte. Wir erwarten, dass das Wachstumsgefälle 2024 beträchtlich bleiben wird, was sowohl auf mikroökonomische als auch auf makroökonomische Kräfte zurückzuführen ist. Das für 2024 erwartete BIP-Wachstum reicht von 2,1% bis 0,7% auf beiden Seiten des Atlantiks. Das Gleiche gilt für das unterschiedliche Wachstum der Unternehmensgewinne der wichtigsten Unternehmen, aus denen sich die großen regionalen Aktienindizes zusammensetzen. Es wird erwartet, dass die Gewinne im Jahr 2024 bei den S&P500-Unternehmen um 10% und bei den Nasdaq-Unternehmen um 24% steigen werden, während der Konsens für die Stoxx600-Unternehmen nur ein Gewinnwachstum von 4,5% prognostiziert. Solche Wachstumsunterschiede dürften den Zufluss von Investoren in die USA fördern und damit den US-Dollar stützen. Tatsächlich verzeichnen börsengehandelte US-Fonds (ETFs) bereits seit Mitte 2023 erhebliche Zuflüsse.
Der geldpolitische Kurs der USA ist lediglich eine Reaktion auf eine Wirtschaft, die bisher nicht zu stoppen war. Nachdem die Anleger lange mehr als sechs Zinssenkungen für 2024 eingepreist hatten, stimmen sie nun mit den Erwartungen der FOMC-Mitglieder überein, die drei Zinssenkungen in diesem Jahr erwarten. Diese wahrscheinlichen Zinssenkungen könnten Ende des zweiten oder Anfang des dritten Quartals erfolgen. Unabhängig vom Zeitplan der Fed sind die Anleger jedoch der Ansicht, dass die EZB angesichts der Herausforderungen in der Eurozone proaktiver vorgehen muss. Die unterschiedliche Einschätzung des Zeitpunkts und des Ausmaßes der Reaktionen der Zentralbanken ist ein kurz- und mittelfristiger Unterstützungsfaktor für den US-Dollar, der innerhalb von drei bis sechs Monaten wieder auf 1,05 steigen dürfte. Dieser Trend dürfte jedoch bis Ende des Jahres zu Ende gehen und auf etwa 1,10 zurückgehen, wenn sich die Wirtschaft der Eurozone im Jahr 2025 wieder erholt.
Von Mabrouk Chetouane, Head of Global Market Strategy bei Natixis Investment Managers