Mabrouk Chetouane, Leiter der globalen Marktstrategie beim französischen Vermögensverwalter Natixis Investment Managers, rechnet mit einer anhaltenden Inflation und warnt vor einem Wahlsieg der extremen Rechten in Frankreich. Denn das Defizit des französischen Staatshaushalts stoße bereits jetzt an Grenzen, und die Maßnahmen, die sowohl vom Rassemblement National (RN) als auch der neu formierten Linken «Front Populaire» umgesetzt werden sollen, würden zusätzliche Schulden von mehreren Dutzend Milliarden Euro bedeuten.
Für ausgeschlossen hält er jedoch einen „Frexit“, also ein Verlassen der EU.
Chetouane: „Einer der Gründe für Probleme des Vereinigten Königreichs ist der Austritt aus der Eurozone. Wenn ein Land wie Frankreich austreten würde, wäre das nicht nur eine Frage des «Frexit». Es würde die Eurozone aus dem Gleichgewicht bringen, mit allen Konsequenzen für alle Länder, die Währung und die Zentralbank. Die Europäische Zentralbank (EZB) ist eine glaubwürdige Zentralbank, während die Banque de France allein nicht das gleiche Maß an Schutz bieten könnte. Das ist offensichtlich. Auch der RN muss das Vertrauen des Marktes gewinnen! Wie sonst kann Frankreich sich weiterhin Geld leihen?“
Die Inflation hält Chetouane noch nicht für besiegt. In einem Umfeld strukturell bedingter hoher Preissteigerungen werde sich der Aktienmarkt besser entwickeln als der Anleihemarkt. Nominales Wachstum würde bedeuten, dass die Erträge weiter steigen werden. Für den Aktienmarkt in der zweiten Jahreshälfte sei es entscheidend, nicht das erwartete Gewinnwachstum für 2024, sondern für 2025 im Auge zu behalten.
Chetouane: „Wir steuern auf eine inflationäre Welt zu, was zum Teil auf den Trend zurückzuführen ist, die Produktion in nähere Konsumentenmärkte zu verlagern. Zusätzlich werden die zunehmenden klimatischen Ereignisse, der Klimawandel an sich, die demografische Entwicklung und steigende Energiekosten voraussichtlich weiterhin einen Preisanstieg bewirken und zu mehr Inflationsvolatilität führen.“
Eine nachhaltige Abkoppelung der EZB unabhängig von der Federal Reserve hält der Chefstratege des französischen Investmenthauses für unrealistisch.
Chetouane: „Die Fed hat keinen Grund zur Eile. Die US-Wirtschaft zeigt Anzeichen einer Verlangsamung, und die Inflation kehrt allmählich in einen Bereich zurück, der dem Ziel der Zentralbank nahe kommt. Jerome Powell wird bis zum Ende des Sommers warten, um der US-Geldpolitik eine klare Richtung zu geben. Deshalb schätze ich die Wahrscheinlichkeit, dass die EZB im Juli Maßnahmen ergreift, auf Null Prozent.“