In den letzten 40 Jahren waren die Anleiherenditen die meiste Zeit über rückläufig1. Da die Zinsen über denselben Zeitraum gefallen sind, handelt es sich dabei um einen so dauerhaften Trend, dass manch einer während seiner gesamten Karriere im Investmentgeschäft nie etwas anderes gekannt hat. 2022 kam jedoch die Trendwende. Im Nachgang meldete sich ein alter Freund zurück – die Rendite.
Doch genau wie in der Geschichte vom verlorenen Sohn waren nicht alle glücklich über die Rückkehr der Renditen. Die konjunkturellen Rahmenbedingungen, die 2022 für diese Entwicklung sprachen – Inflationserwartungen, die Aussicht auf höhere Zinsen und empfindliche Kurseinbrüche bei Anleihen und Aktien –, sorgten Anfang das Jahres für Frust bei vielen Anlegern, von denen viele den größten Teil des Jahres eine abwartende Haltung einnahmen.
Wie Julien Dauchez, Head of Portfolio Consultants bei Natixis Investment Managers Solutions, feststellt, waren das Aufleben der Inflation, die Risiken einer geopolitischen Eskalation und höhere Zinsen allesamt Faktoren, die zu hartnäckigem Pessimismus bei den Anlegern beitrugen. In diesem Kontext kommt es nicht überraschend, dass viele Anleger auf Sicherheit setzen – die Sicherheit von Barguthaben oder Hold-to-Maturity-Rentenfonds, die eine sichere Rendite bieten.
Dazu Dauchez: „Unsere Analysen zeigen, dass die Allokationen von Vermögensverwaltern in liquide Mittel und Geldmarktfonds im Jahresverlauf zugenommen haben und mit knapp 17% einen Höhepunkt erreichten, als der Herbst anbrach. So etwas haben wir noch nicht einmal während der Covid-Krise erlebt.“
Während die Renditen 2023 die meiste Zeit über kontinuierlich anzogen – die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihe knackte im Oktober die 5%-Marke und erreichte damit den höchsten Stand seit 20072 – und viele Marktteilnehmer weiterhin mit höheren Renditen rechneten, änderte sich die Einstellung in den letzten Wochen drastisch.
Auf der geldpolitischen Sitzung der US-Notenbank Federal Reserve vom Dezember 2023 erklärte Fed-Chef Jerome Powell, auf der Sitzung werde über den Zeitpunkt von Zinssenkungen gesprochen. Dieses Eingeständnis wurde als Hinweis darauf gewertet, dass die Zentralbank früher umschwenkt. Prompt fielen die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen wieder unter 4% zurück3. Doch auch angesichts dieser niedrigeren Werte gilt unbedingt, dass die Rechnung für Anleger inzwischen anders aussieht.
Wie Matthew Eagan, Executive Vice President und Portfoliomanager bei Loomis, Sayles & Company, klarstellt, ist es die ureigene Struktur des Rentenmarktes, die den Anlegern neuerdings die größten Chancen eröffnet.
„Auf einem solchen Markt muss man keine größeren Risiken eingehen, um anständige Renditen zu erzielen … Anders als noch vor wenigen Jahren ist die Rendite Ihr Freund. In Anleihenportfolios sind mittlerweile ausgesprochen hohe Renditen eingebettet, was an sich schon eine abfedernde Wirkung hat – nicht nur als Ertragsquelle, sondern auch als Absicherung gegen die Volatilität, der Sie in den nächsten Jahren ausgesetzt sein könnten“, so Eagan.
Dauchez ergänzt, dass die Anleger angesichts realer Renditen, die so hoch ausfielen wie seit Jahren nicht, zuversichtlicher auf das Jahr 2024 blickten und viel für die Wiederaufnahme von Anleihen in Portfolios spreche.
„Auf der Grundlage der von uns analysierten Portfolios nehmen wir wahr, dass sich viele Vermögensverwalter für nachhaltige Investments und eine längere Duration interessieren, wobei ihren Allokationen 2024 Staatsanleihenfonds beigemischt werden.“
Wohin geht die Reise jetzt?
Eagan sieht rosige Aussichten für aktive Manager. „In den vergangenen zwölf Monaten ist ein Rückgang auf den Kreditmärkten eingepreist worden, obwohl die Wirtschaftsdaten gar nicht so schlecht ausgefallen sind. Ausgehend von überdurchschnittlichen Risikoprämien liegt daher mehr oder minder eine breite Streuung bei ausgesprochen niedrigen Dollarkursen vor. Diese drei Voraussetzungen machen einen äußerst günstigen Markt für Bondpicker aus.“
Francois Collet, Deputy CIO bei DNCA Investments aus Paris, sieht derzeit ebenfalls viele Chancen auf dem Markt für festverzinsliche Wertpapiere. Er kommentiert: „Das kurze Ende der Kurve ist zu bevorzugen, etwa Steepener-Investments, vor allem in den USA. Aber auch inflationsgebundene Anleihen bieten nach wie vor interessante Chancen. Früher wurden diese mit Blick auf Breakeven-Inflationsraten favorisiert. Inzwischen kaufen wir sie in der Regel wegen der absoluten realen Renditen. Auch Schuldtitel und Währungen aus Schwellenländern sollten hoch im Kurs stehen.“
Collet erläuterte ferner, das Unternehmen wolle auch das Durationsengagement progressiv erhöhen, habe es damit aber nicht eilig.
Mit Blick auf Unternehmensanleihen meint Eagan, seiner Ansicht nach befänden wir uns nach wie vor in der Spätphase des Zyklus, es sei aber bemerkenswert, dass der Markt bereits in vieler Hinsicht eine Abschwächung oder einen Abwärtstrend einpreise.
Er äußert sich dazu folgendermaßen: „Wir rechnen für 2024 mit einer Abschwächung und potenziell sogar mit einer leichten Rezession. Wohlgemerkt werden wir dafür bereits entschädigt, sodass wir bei Unternehmensanleihen vor allem zu Investment-Grade- und Hochzinstiteln aus den USA greifen, insbesondere aus den Segmenten BBB und BB. Dort erkennen wir hervorragende Gelegenheiten zur Einzeltitelauswahl sowie vergleichsweise hohe Risikoprämien, die vereinnahmt werden können.“
Nach Jahrzehnten mit niedrigen und mitunter sogar negativen Renditen setzen sich Anleger inzwischen damit auseinander, wie man Portfolios aufbaut in einer Welt, in der es wieder Rendite gibt. Für Rentenmarktinvestoren ist das hochspannend.
1 Business Insider, April 17, 2022. Bond prices have increased at the same time as bond prices and yields move in opposite directions.
2 CNBC, 23 October 2023
3 Reuters, 15 December 2023