Nicht alles läuft schlecht in China.
Obwohl China von westlichen und japanischen Handelspartnern als Konkurrent gesehen wird, exportiert es weiterhin mit voller Kraft in aufstrebende Märkte und verzeichnete allein im Juni einen Handelsüberschuss von fast 100 Milliarden US-Dollar!
Die neuen Vorreiter der Produktion – erneuerbare Energien, Elektrofahrzeuge, Kernenergie, Netzwerktechnologie – übernehmen zunehmend das Steuer von der alten Fertigungswelt und prosperieren.
Jedoch führen eine alternde Bevölkerung (die Bevölkerung schrumpft seit 2022), inoffiziell erschreckend hohe Arbeitslosenzahlen und das sinkende Vertrauen der Haushalte (Immobilienkrise, Börsencrash) zu einem Rückgang des Konsums und der Investitionen und lösen Deflation aus – den Feind eines wachsenden Pro-Kopf-BIP, das notwendig ist, damit das Volk die zentralisierte Machtstruktur toleriert, die persönliche Freiheiten beschneidet und aus dem Elfenbeinturm über ihre Zukunft bestimmt.
Unter den aktuellen Bedingungen droht die Politik des „gemeinsamen Wohlstands“ zu scheitern, was inakzeptabel wäre, denn wenn das Modell scheitert, könnte die Autorität der Partei ins Wanken geraten. Für Xi Jinping ist dies daher eine existenzielle Frage. Deshalb ist wohl auch eine historische Antwort erforderlich. Ob sie erfolgreich sein wird, wird die Zeit zeigen.
Die Zentralbank senkt die regulatorischen Reserven, wodurch 1.000 Milliarden Yuan freigesetzt werden, erhöht die Geldmenge und senkt die Zinssätze (um 20 Basispunkte bei Reverse Repos). Das mag im Vergleich zur FED oder EZB gering erscheinen, aber die Senkung der einjährigen Kreditzinsen um 30 Basispunkte ist tatsächlich historisch.
Gleichzeitig werden die Hypothekenzinsen um 50 Basispunkte gesenkt, die Eigenkapitalanforderungen für Zweitwohnungen um 10 Basispunkte reduziert und die Zentralbank garantiert nun 100 % des 300-Milliarden-Euro-Programms für Immobilienkredite. Das wird den Immobilienmarkt zwar nicht wiederbeleben – doch das ist auch nicht das Ziel. Ziel ist es, das Vertrauen zu stärken und klarzumachen, dass die Preise nicht weiter fallen werden, anstatt die Immobilienblase erneut anzufachen, die die Regierung endgültig abwürgen möchte. Trotzdem reicht diese Geldpolitik allein nicht aus, um den Rückgang des Konsums zu bekämpfen: Eine Angebotsstrategie bringt wenig, wenn die Probleme auf der Nachfrageseite liegen.
Die erste Antwort darauf: Diese Maßnahmen stützen die Finanzmärkte, insbesondere die Aktienmärkte. Dies ist mittlerweile ein offenes Ziel, da florierende heimische Aktienmärkte nicht nur das Vertrauen wiederherstellen, sondern auch die zukünftigen Technologieführer finanzieren sollen, die China als Gegengewicht zu den USA aufbauen will. Sind wir am Beginn einer Welle von Börsengängen? Gleichzeitig könnte dieser Markt die Renten der kommenden Ruhestandswelle finanzieren und zur finanziellen Stabilität und Modernisierung beitragen.
Die Ambitionen sind klar: Eine historische Swap-Fazilität für riskante Finanzanlagen (insbesondere Aktien) gegen risikofreie Sicherheiten und eine Finanzierungsfazilität von 1,75 % für 300 Milliarden Yuan stehen Unternehmen zur Verfügung, die ihre eigenen Aktien zurückkaufen wollen. Dies kommt fast einer direkten Intervention der PBOC an den Aktienmärkten gleich, ähnlich wie die Bank of Japan es in der Vergangenheit getan hat. Staatsnahe Investitionsvehikel haben bereits 80 Milliarden US-Dollar in ETFs investiert.
Der zweite, entscheidendere Aspekt: Es ist die Fiskalpolitik, die die Nachfrage ankurbeln soll. Aktuell wird über die Ausgabe von 2.000 Milliarden Yuan an Staatsanleihen spekuliert (auf zentralstaatlicher Ebene). Die Hälfte davon könnte genutzt werden, um den Konsum der Haushalte zu subventionieren, während die andere Hälfte zur Entlastung der lokalen Haushalte beiträgt. Zusätzlich könnte ein außergewöhnliches Paket von 1.000 Milliarden Yuan zur Rekapitalisierung staatlicher Banken geschnürt werden – das erste Mal seit November 2008, dass sie in dieser Weise unterstützt würden.
Das Zusammenspiel der Maßnahmen ist in vollem Gange: Die neue Schuldenflut verflacht die Zinskurve, Kapital strömt aus langfristigen Anleihen (10 bis 30 Jahre) in den Aktienmarkt, dessen Fesseln durch die staatliche Unterstützung gelöst wurden. Internationale Investoren, die noch vor 10 Tagen zögerten (die Wachstumserwartungen für China lagen laut Bank of America am 17. September auf einem historischen Tiefstand), stürzen sich auf chinesische Aktien. Der Kapitalzufluss wertet die Währung auf, ein unerwünschter Nebeneffekt für die Zentralbank, die eine schwache Währung als Instrument zur Ankurbelung der Wirtschaft nutzt. Droht China wie einst die Bank of Japan, in eine gefährliche Spirale zu geraten?
Für die internationalen Aktienmärkte ist dieser Mix explosiv: Der chinesische Stimulus, die weniger stark ausgeprägten negativen Wirtschaftsdaten in Europa und den USA sowie der dramatische Rückgang des Ölpreises durch das Nachgeben Saudi-Arabiens und sinkende Zinsen weltweit verleihen dem „Goldlöckchen-Szenario“ neuen Glanz. Die Risikobereitschaft, die für Skeptiker den Anschein irrationaler Euphorie aufgrund von „Fear of Missing Out“ hat, treibt alles voran – von Industriemetallen bis hin zu Small-Cap-Aktien. Doch zwischen Stimulusmaßnahmen und der Realität der wirtschaftlichen Fundamentaldaten muss ein Gleichgewicht gefunden werden. Die Makrodaten bleiben entscheidend, und mit Blick auf die bevorstehenden Quartalszahlen muss genau auf die Gewinnerwartungen der Märkte geachtet werden.
Der starke Anstieg des Goldpreises, der sich den optimistischsten Jahresendprognosen nähert, zeigt, dass parallel zur Euphorie auch Absicherungen gegen die explodierende Staatsverschuldung, wachsende Defizite und Währungsabwertungen gesucht werden. Während die Märkte die großen Shorts der letzten zwei Jahre (Yen, China) allmählich auflösen, sind sie bereits auf der Suche nach neuen Opfern...
Von Thomas Planell, Porftoliomanager bei DNCA Invest