Vor dem nächsten OPEC*-Treffen am 1. Dezember in Wien zeigt sich der Ölpreis so volatil wie selten. Die zahlreichen widersprüchlichen Einflüsse erschweren eine stabile Preiskalkulation für Rohöl.
OPEC unter Druck, USA dominieren
Saudi-Arabien sorgte zuletzt für Bewegung am Markt, als die Financial Times berichtete, das Königreich plane eine Abkehr von seiner Politik der Preisstabilität hin zu einer Strategie der Rückgewinnung von Marktanteilen. Seit die OPEC und Russland Ende 2022 Produktionskürzungen beschlossen, hat das Kartell 1,5% Marktanteil verloren, während Saudi-Arabien über ungenutzte Kapazitäten von 3 Millionen Barrel pro Tag (mbpd) verfügt.
Gleichzeitig expandiert die US-Schieferölindustrie weiter. Auch unter der noch amtierenden Regierung erreicht die US-Produktion 13,4 mbpd (davon 10,4 mbpd aus Schieferöl). Die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus könnte diese Entwicklung noch beschleunigen.
Ein erneutes Preisdumping wie 2014–2016, als Saudi-Arabien die Wettbewerbsfähigkeit der US-Schieferölindustrie testete, scheint jedoch unwahrscheinlich. Vielmehr könnte die Botschaft als Ermahnung an OPEC-Mitglieder verstanden werden, ihre Quoten strenger einzuhalten.
Geopolitik und neue Nachfragemuster
Die Eskalation des Nahostkonflikts trieb den Ölpreis kurzfristig um 10 Dollar pro Barrel in die Höhe, bevor er aufgrund ausbleibender Angriffe auf iranische Ölanlagen wieder fiel. Die geopolitische Unsicherheit, verstärkt durch die US-Wahlen und die Frage nach einer neuen Iran-Strategie, lässt eine Prämie im Ölpreis erahnen. Iran exportiert derzeit etwa 1,75 mbpd, hauptsächlich nach China, während OPEC ungenutzte Kapazitäten von 5,3 mbpd hält.
Parallel dazu findet ein historischer Wandel statt: Indien wird China als Haupttreiber des Öl-Nachfragewachstums ablösen. Die indische Nachfrage soll 2024 um 200.000 Barrel pro Tag steigen, während Chinas Wachstum nur 150.000 Barrel erreicht. Dieser Trend könnte Ängste vor einem Marktüberschuss 2025 etwas dämpfen.
Langfristige Herausforderungen: Rückgangsrate und Energiewende
Patrick Pouyanné, CEO von TotalEnergies, betont langfristige Herausforderungen. Die natürliche Rückgangsrate liegt bei 4% für konventionelle und 15% für Schieferölfelder. Gleichzeitig wurden die Investitionen seit dem Höchststand 2014 um ein Drittel reduziert. Dies wirft Fragen zur Fähigkeit der Industrie auf, Produktionsrückgänge auszugleichen.
Kurzfristig hängen Rückkäufe und Verschuldung von TotalEnergies stark von den erzielten Profiten ab. Die geplanten Rückkäufe für 2025 setzen ein „vernünftiges“ Preisniveau voraus. Langfristig bleibt die Energiewende ein Kernziel: Bis 2030 plant TotalEnergies eine Kapazität von 100 GW an emissionsarmer Energie – äquivalent zur Leistung von 62 Kohlekraftwerken.
Von Pierre Pincemaille, Portfoliomanager bei DNCA Invest
*OPEC: Organisation erdölexportierender Länder, darunter Saudi-Arabien, Venezuela und die Vereinigten Arabischen Emirate.