Der 2. Oktober 2024 markiert einen Meilenstein für die Venture-Capital-Branche: OpenAI, das Unternehmen hinter dem KI-Sprachmodell ChatGPT, sammelte in einer Finanzierungsrunde beeindruckende 6,6 Milliarden US-Dollar ein. Unter den Investoren waren bekannte Namen wie Nvidia, Microsoft, SoftBank und Fidelity. Die Bewertung des Unternehmens erreichte 157 Milliarden US-Dollar – vergleichbar mit Goldman Sachs zur selben Zeit – trotz prognostizierter Verluste von 5 Milliarden US-Dollar in diesem Jahr. Diese Summe spiegelt den enormen Hype um generative KI wider, die laut der Federal Reserve St. Louis bereits von 39,4% der Amerikaner zwischen 18 und 64 Jahren genutzt wird.
Wirtschaftliche Auswirkungen und steigender Energiebedarf
Während Analysten über die langfristigen wirtschaftlichen Vorteile von KI spekulieren, illustriert Nvidia, wie groß das Potenzial sein könnte: Im dritten Quartal 2024 übertraf der Gewinn des Unternehmens die gesamten Umsätze des Vorjahresquartals. UBS prognostiziert, dass KI ab 2028 einen Produktivitätszuwachs von 100 Basispunkten in den USA bewirken könnte. Doch eine unmittelbare Konsequenz dieser Entwicklung ist bereits sichtbar: der rasant steigende Energiebedarf der digitalen Riesen. Laut der Internationalen Energieagentur wird der Stromverbrauch von Rechenzentren zwischen 2022 (460 TWh, etwa 2% der globalen Nachfrage) und 2026 voraussichtlich verdoppelt.
Um diese steigende Nachfrage zu decken, setzen Unternehmen wie Microsoft, Google und Amazon auf Kernenergie. So wurde die 2019 stillgelegte Kernkraftanlage Three Mile Island dank einer Finanzierung von 1,6 Milliarden US-Dollar durch Microsoft wieder in Betrieb genommen. Der Vorteil von Kernenergie liegt auf der Hand: keine CO₂-Emissionen und eine Verfügbarkeit von rund 90% der Zeit – ein entscheidender Faktor, da Microsoft zwischen 2020 und 2023 einen Anstieg seiner CO₂-Emissionen um 30% verzeichnete.
Investmentchancen entlang der Wertschöpfungskette
Diese Entwicklungen bleiben Investoren nicht verborgen. Unternehmen wie Constellation Energy und Talen Energy erzielten Kurssteigerungen von 100% bzw. 210% in diesem Jahr. NuScale Power, ein Entwickler von kleinen modularen Reaktoren, legte sogar um 600% zu. Auch weniger beachtete Akteure der „alten Wirtschaft“, etwa Kabelhersteller oder Anbieter energieeffizienter Produkte für Rechenzentren, profitieren von dieser Dynamik. Rekordauftragsbücher im Wert von 35 Milliarden Euro und zweistellige Wachstumsraten für spezialisierte Produktsparten verdeutlichen die Chancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Wie die Anbieter von Schaufeln während des Goldrauschs im 19. Jahrhundert spielen diese „Enabler“ eine stille, aber zentrale Rolle in der technologischen Revolution. Bleibt zu hoffen, dass KI-Anwendungen – etwa in der Klimavorhersage oder Netzsteuerung – nicht nur Billionen-Dollar-Probleme lösen, sondern auch helfen, das Gleichgewicht von Stromangebot und -nachfrage zu bewahren.
Von Pierre Pincemaille, Portfoliomanager bei DNCA Invest