Was haben die chinesische Immobilienkrise, der gescheiterte Übernahmeversuch von BHP bei Anglo American und das exponentielle Wachstum von Rechenzentren gemeinsam? Die Antwort ist das rote Metall – Kupfer, das in Rohrleitungen, elektrischen Kabeln und Mikrochips unverzichtbar ist.
Erfahrene US-Investoren bezeichnen Kupfer als "Doctor Copper", weil sein Preis eng mit der globalen Wirtschaftsentwicklung korreliert. Laut der Copper Development Association fließen fast 50 % der Produktion in den Bausektor, weitere 20 % in elektrische Anwendungen. Vor dem Hintergrund stabilisierender globaler Einkaufsmanagerindizes (PMI) und einer wachsenden Zahl von Investoren (38 % gegenüber 8 % im August 2024 laut Bank of America), die nun ein "No Landing"-Szenario erwarten, überrascht es kaum, dass der Kupferpreis seit Jahresbeginn bereits um 4 % gestiegen ist (in USD, Stand Redaktionsschluss).
Langfristiger Wachstumstreiber: Energiewende und Rohstoffknappheit
Mit einem längeren Zeithorizont wird deutlich, dass die Energiewende als neuer Wachstumstreiber für Kupfer fungiert. Die Nachfrage nach diesem Rohstoff steigt zwangsläufig, da er für erneuerbare Energien unerlässlich ist:
➤ Ein Elektroauto benötigt viermal so viel Kupfer wie ein herkömmliches Fahrzeug.
➤ Eine Windkraftanlage verbraucht fünfmal mehr Kupfer als eine konventionelle thermische Anlage.
EY prognostiziert, dass der weltweite Kupferverbrauch von 25 Millionen Tonnen (mt) auf 40 Millionen Tonnen im Jahr 2050 steigen wird. Um diesen Bedarf zu decken, wären rund 40 zusätzliche Kupferminen erforderlich, doch in den letzten zehn Jahren wurden nur 14 große Lagerstätten entdeckt. Angesichts der langen Entwicklungszeiten von über 15 Jahren könnte sich das Angebotsdefizit bereits ab 2026 manifestieren.
Ähnliche Warnungen kommen von BHP, dem anglo-australischen Bergbaukonzern, der eine 70%ige Nachfragesteigerung bis 2025 (gegenüber 2021) erwartet. Ein Treiber dieser Entwicklung sind Rechenzentren, deren Kupferbedarf bis 2050 auf das Sechsfache steigen könnte. Auch wenn diese Prognose aufgrund der Neuartigkeit des Phänomens mit Vorsicht zu genießen ist, passt sie zur jüngsten Ankündigung von Donald Trumps „Stargate“-Investitionsprogramm über 500 Milliarden US-Dollar, das den Aufbau einer KI-Infrastruktur in den USA fördern soll.
Bergbauunternehmen im Wettlauf um Kupferressourcen
Kein Wunder also, dass Bergbaukonzerne ihre Kupferexposition ausbauen wollen – entweder durch organische Entwicklung oder durch Übernahmen. Während Fusionen und Übernahmen attraktive Börsenprämien generieren, sind die Herausforderungen bei der eigenständigen Entwicklung neuer Projekte erheblich:
➤ Sinkender Kupfergehalt im Erz – Die durchschnittliche Konzentration hat sich in den letzten 20 Jahren halbiert.
➤ Exploration in geopolitisch riskanteren Regionen – insbesondere im Kupfergürtel zwischen Sambia und der Demokratischen Republik Kongo.
➤ ESG-bedingte Restriktionen, die Genehmigungsprozesse erschweren und Projektkosten in die Höhe treiben.
Diese Faktoren erhöhen die Kapitalintensität neuer Projekte strukturell und treiben langfristig die Preise nach oben.
Nachhaltige Lösung? Nur ein höherer Kupferpreis kann das Defizit decken
Auch wenn der aktuelle M&A-Boom in der Branche wirtschaftlich sinnvoll ist, wird er das strukturelle Angebotsdefizit mittelfristig nicht lösen. Vielmehr wird sich der Markt über einen mittelfristig höheren Kupferpreis ausgleichen, da nur so Investitionen in Exploration und Minenentwicklung angekurbelt werden können.
➤ Robert Friedland, Gründer von Ivanhoe Mines, spricht von einem Anreizpreis von über 11.000 USD/t, der nötig sei, um neue Projekte wirtschaftlich attraktiv zu machen.
➤ Zum Vergleich: Analysten von Bernstein schätzen die aktuellen Mindestproduktionskosten (Opex + Capex für Wartung) auf rund 7.000 USD/t.
Recycling als Lösung? Nur ein begrenzter Beitrag
Wer auf Kupferrecycling als Lösung hofft, wird enttäuscht: Es kann das Defizit nur marginal reduzieren. 2024 betrug das Angebot aus Schrott (Scrap) 4,5 mt, was 17 % der Nachfrage nach raffiniertem Kupfer ausmacht (im Vergleich zu 21 % im Jahr 2012 und 14 % im Jahr 2020). Seit 1980 ist das Recyclingangebot nur um 2–4 % pro Jahr gewachsen. Um die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage signifikant zu schließen, wäre ein drastischer Anstieg der Recyclingquote erforderlich – ein Szenario, das derzeit unwahrscheinlich erscheint.
Fazit: Kupfer als strategischer Rohstoff im Portfolio
Angesichts der geopolitischen Unsicherheiten bleibt Diversifikation ein zentrales Prinzip für Investoren. Eine stärkere Rohstoffexposition – insbesondere bei Kupfer – könnte eine sinnvolle Absicherung gegen strukturelle Engpässe sein.
Und so könnte es sich lohnen, das Rezept von Doctor Copper mit einer Dosis Alpha (Rendite) zu ergänzen…
Von Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Invest