„Vorhersehbares Erstaunen“ – dieser scheinbare Widerspruch beschreibt treffend die Haltung von Donald Trump gegenüber der OPEC*, wenn man die jüngste Meldung liest: „Tump sagt, er wird die OPEC auffordern, die Ölpreise zu senken“. Manche mögen dies gar als Provokation werten, denn schließlich hat das Kartell seine Förderquoten in den letzten zwei Jahren bewusst gesenkt, um die Preise zu stabilisieren.
Trumps erklärtes Ziel ist es, die Benzinpreise an den Zapfsäulen zu senken und damit seine Wähler zufriedenzustellen – die mit ihrer Unzufriedenheit über die Inflation maßgeblich zum „Red Sweep“ beigetragen haben. Saudi-Arabien hingegen verfolgt eine völlig andere Strategie, wie die Politökonomin Helen Thompson in ihrem Buch über die enge Verknüpfung von Energie- und Wirtschaftspolitik beschreibt:
„Mohammed bin Salman kündigte einen Plan an, um die Abhängigkeit seines Landes vom Öl zu beenden.“
Das Resultat: Die ambitionierten wirtschaftlichen Transformationsprojekte haben den fiskalischen Break-even-Preis Saudi-Arabiens auf 90 USD pro Barrel steigen lassen (laut Bernstein-Analysten). Trump mag sich zwar wohlwollend über bin Salman äußern, doch es wird mehr als Schmeicheleien brauchen, um Saudi-Arabien dazu zu bewegen, auf seine Öl-Rente zu verzichten.
Verhandlungen ohne gemeinsame Basis?
Verhandlungsexperten empfehlen in einer Pattsituation, eine gemeinsame Interessensbasis (ICP – Common Shared Interest) zu finden – doch genau diese fehlt hier. Während Trump seine Agenda für den US-Energiesektor bereits skizziert hat – Aufhebung regulatorischer Beschränkungen per Notstandsdekret, Wiederbelebung von LNG-Projekten im Golf von Mexiko sowie das Aussetzen neuer Offshore-Windkraftgenehmigungen – verfolgen die OPEC-Länder gänzlich andere Ziele.
Seine Begründung für den Windkraft-Stopp? „Windräder sind hässlich, teuer und schaden der Umwelt.“
Markterschütterung für Offshore-Windenergie
Die dänische Orsted, einst ein Vorzeigeunternehmen der Offshore-Windenergie, musste im Zuge ihrer vorläufigen Jahresergebnisse 2024 eine weitere Abschreibung in Höhe von 12,1 Milliarden DKK (1,6 Milliarden EUR) vornehmen. Der Hauptgrund:
➤ Ein Anstieg der gewichteten Kapitalkosten (WACC) um 75 Basispunkte, insbesondere für Offshore-Windprojekte.
➤ Wertminderungen von Meeresstandorten vor New Jersey, Maryland und Delaware.
➤ Steigende Projektkosten.
Die unmittelbare Marktreaktion: Ein Kurssturz von 10% am Tag der Ankündigung – und insgesamt ein Verlust von 80% seit dem Rekordhoch im Januar 2021.
Ölmarkt: Fundamentaldaten sprechen für eine Verknappung
Abseits der Schlagzeilen gibt der jüngste Bericht der Internationalen Energieagentur (IEA) eine fundierte Einschätzung des Ölmarktes.
➤ Die Nachfrage wuchs im vierten Quartal 2024 um 1,5 Millionen Barrel pro Tag (mb/d) – der höchste Wert seit einem Jahr.
➤ Wachstumstreiber: die Petrochemie, während die Nachfrage aus dem Transportsektor aufgrund der zunehmenden Verbreitung von Elektrofahrzeugen rückläufig ist.
➤ Zusätzlicher Einflussfaktor: Die neuen US-Sanktionen gegen Russland und Iran sowie gegen 160 Öltanker, die als „Schattenflotte“ für diese Länder agieren.
Das genaue Angebotsszenario bleibt unklar, doch ein signifikantes Überangebot scheint 2025 unwahrscheinlich.
China: Die große Unbekannte
Während Chinas Rolle als einstiger Wachstumsmotor der globalen Ölnachfrage nachlässt, bleiben die Signale aus der Volksrepublik gemischt:
➤ BIP-Wachstum im vierten Quartal 2024: +1,6% (q/q) – das stärkste Wachstum seit sechs Quartalen, unterstützt durch milde Wetterbedingungen und eine beschleunigte Exportdynamik im Vorfeld der neuen US-Präsidentschaft.
➤ Strukturelle Risiken: Anhaltende Immobilienkrise und potenziell schwächere Exporte aufgrund restriktiverer US-Zollpolitik.
Die IEA erwartet, dass China 2025 lediglich 0,2 Millionen Barrel pro Tag zur zusätzlichen weltweiten Nachfrage von 1,1 Millionen Barrel pro Tag beitragen wird.
Westliche Öl-Majors überdenken ihre grüne Strategie
Parallel dazu zeigen sich Anpassungen in der Strategie westlicher Ölkonzerne:
➤ Shell und BP kürzen ihre Investitionen in erneuerbare Energien – mehrere Offshore-Wind- und Biokraftstoffprojekte werden ausgesetzt oder gestrichen.
➤ TotalEnergies hingegen hat in seiner jüngsten Bilanzpräsentation die Wachstumsziele für das Erneuerbaren-Geschäft bestätigt.
Während Shell und BP zurückrudern, positioniert sich TotalEnergies als Vorreiter einer „profitablen Energiewende“ – und bleibt damit (zumindest vorerst) allein auf weiter Flur.
Fazit: Ölmärkte 2025 – ein fragiles Gleichgewicht
Während Trump die OPEC zur Produktionsausweitung drängen will, verfolgt Saudi-Arabien eine langfristige Monetarisierungsstrategie. Parallel dazu könnte das Angebotswachstum durch neue Sanktionen und Investitionsrückgänge begrenzt bleiben.
Das Ergebnis: Ein Markt, in dem Angebots- und Nachfragedynamiken zunehmend komplexer werden – und in dem geopolitische Entwicklungen die Volatilität weiter antreiben dürften.
Von Pierre Pincemaille, Portfoliomanager, DNCA Invest
*OPEC: Organisation erdölexportierender Länder mit Mitgliedern wie Algerien, Saudi-Arabien, Kongo, Gabun, Äquatorialguinea, Iran, Irak, Kuwait, Libyen, Nigeria, Vereinigte Arabische Emirate und Venezuela.
*Helen Thompson: „Eine politische Geschichte der fossilen Welt“.